Miriam Kröger leitet das Programm des Accelerators und kennt das Problem von zu wenig Frauen in Führungspositionen.

Die Logistik-Branche ist von Männern dominiert – bis heute. Das zeigt sich bei den Bewerbungen für das Programm des Next Logistics Accelerators (NLA). Für den aktuellen Durchgang, der bald startet, haben mehr als 300 internationale Gründerteams ihre Idee vor der Jury gepitcht. Frauen waren kaum darunter, sagt Miriam Kröger, die den Accelerator gemeinsam mit Philipp Schröder leitet. Kröger arbeitet seit Jahrzehnten für große Logistikunternehmen, darunter im Management von Kühne+Nagel, der NOL und der Otto Group. Seit 2017 ist sie Managing Partner beim NLA. Ein Gespräch über Eigenheiten der Branche, Eheringe und die Quote.

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Miriam, als Managing Partnerin des Next Logistics Accelerator hast du schon mehrere hundert Logistik-Startups gesehen, die an dem eurem Programm teilnehmen wollten. Welche Unterschiede stellst du bei Pitches von Frauen und Männern fest?

Manifeste Unterschiede – sofern es diese überhaupt gibt – konnte ich bislang nicht feststellen. Denn leider haben bisher lediglich zwei Gründerinnen vor uns gepitcht.

Woran liegt das?

Das müsstest du die Frauen fragen. Wir interessieren uns für alle guten Teams und ihre innovativen Logtech- und Mobility-Ideen und würden uns natürlich über mehr Gründerinnen freuen.

Was rätst du den Frauen?

Vereinfacht gesagt: Do it! Dennoch sollte sich jede Frau und jeder Mann auch die Fragen stellen: Bin ich ein Gründertyp? Möchte ich das? Bin ich das? Passt das zu meiner Persönlichkeit? Habe ich das Zutrauen? Kann ich ein paar Monate finanziell überbrücken? Wenn ich das – nebst all den anderen wichtigen Fragen im Team-Markt-Produkt- und damit Geschäftsmodell-Kontext – als Frau oder Mann bejahen kann, sollte sie oder er auf jeden Fall gründen, das Geschlecht spielt dabei keine Rolle. Also: traut euch!  

Auch in den etablierten Logistikunternehmen gibt es nur wenig Frauen in der Chefetage. Studien zufolge sind nur 20 Prozent aller Managementpositionen mit Frauen besetzt. Was ist der Grund?

Logistik-Berufe sind mit einem hohen Grad an Technik und Technologie verbunden und werden nach wie vor oft mit körperlich schwerer und „dreckiger“ Arbeit assoziiert. In klein- und mittelständischen Logistikbetrieben geht die Unternehmensnachfolge in der Regel an den Sohn. In der Folge sind die Managementpositionen in der Logistikbranche eher von Männern besetzt. Das schreckt viele Frauen einfach ab. Zudem haben Frauen oft keinen Zugang zu den informellen, männlichen Netzwerken, oftmals verhindert oder bremst das zumindest ihren Aufstieg.

Wird sich das in den kommenden Jahren ändern?

Wenn ich auf mein Berufsleben zurückschaue, hat sich das im Vergleich zu vor 20 Jahren bereits deutlich geändert: Und das wird es weiterhin – noch deutlicher und schneller. Die traditionellen großen und kleinen Player stehen nicht nur global in einem harten Wettbewerb zueinander, sondern sehen sich zunehmend mit Startups konfrontiert, die die tradierten logistischen Prozesse und Strukturen neu denken. Ob alt oder neu: Das Rennen werden diejenigen gewinnen, die die besten Teams haben. Und dass diverse Teams mit unterschiedlichen aber komplementären Fertig- und Fähigkeiten erfolgreicher sind, ist allen bekannt und wird dadurch auch zunehmend stärker in die Personalsuche und -auswahl einbezogen. Althergebrachte hierarchische Strukturen und informelle Netzwerke verlieren immer mehr an Bedeutung. Das ist ein positiver Verstärker.

Ein anderes Instrument für die Steigerung des Frauenanteils ist die Quote, also eine gesetzliche Vorgabe, die den Anteil von Frauen in Führungspositionen regelt. Für Aufsichtsräte gilt bereits eine Frauenquote von 30 Prozent. Sollte die auch für Vorstandsposten im Logistik-Sektor gelten?

Früher war ich strikt gegen eine Quote. In meinen ersten Berufsjahren habe ich keinen Konflikt und kein Problem gesehen. Zwischenzeitlich hatte ich meine Meinung geändert. Heute setze ich jedoch vielmehr auf die Kraft und den Erfolg diverser, komplementärer Teams, und das auf allen Unternehmensebenen.

Du hast selbst im Laufe deiner Karriere viele Erfahrungen gesammelt und gibst diese in Trainings und Coachings an junge weibliche Managerinnen weiter. Um was geht es darin?

Durch das unterschiedliche Verhalten, die unterschiedliche Kommunikation beider Geschlechter entstehen viele Missverständnisse. Oftmals kommen junge Frauen dadurch in Situationen, die sie verwundern oder irritieren.

Hast du ein Beispiel?

Ja, ein ganz persönliches, eine kleine Anekdote aus meinen ersten Tagen bei einem großen Logistikunternehmen. Wie sich herausstellte, hatte mein Bewerbungsfoto – damals hatte ich noch lange blonde Haare – vor meinem ersten Tag die Runde im Unternehmen gemacht. Einer meiner Kollegen legte daraufhin für unser erstes Kennenlernen seinen Ehering ab. Als ich mitbekam, dass sich ein paar weitere männliche Kollegen über sein Verhalten belustigten, habe ich ihn in einem passenden Moment einfach darauf angesprochen. Das war dem Kollegen natürlich sehr peinlich.

Setzt du in solchen Fällen auf Konfrontation?

Nein, das war eher eine Ausnahme. Häufig habe ich unangenehme Situationen einfach ignoriert, mir beispielsweise gesagt: Durch diese Zehn-Minuten-Phase der wirklich schlechten, sexistischen und frauenfeindlichen Witze nachts an der Bar musst du durch. Das eine oder andere Mal habe ich allerdings auch etwas dagegen gesagt.

Gibt es Dinge oder Situationen, in denen du dich im Nachhinein anders verhalten hättest?

Wenn, dann habe ich sie vermutlich vergessen oder bestenfalls verdrängt. Aber solche Situationen hat es bestimmt gegeben. Und klar, wie bei allen Sachen im Leben gilt auch hier: Wer lernbereit und -willig ist, macht Fehler nicht ein zweites Mal.

Bild: NLA