Für die Stadt ist es eine gute Sache, wenn Bewohner und Besucher überall dort Fahrräder finden, wo sie auch gebraucht werden. Tatsächlich gibt es inzwischen vielerorts sogar mehrere Anbieter von Mietfahrrädern. In Berlin in nun ein neuer hinzugekommen: oBike.

Das Unternehmen aus Singapur hat seine Räder bereits in München, Frankfurt und Hannover abgestellt. In München hat oBike sogar für Schlagzeilen gesorgt, denn der Start verlief dort sehr holprig. Weil die Stadt mit mehreren Tausend Rädern gleich zugepflastert wurde, gab es viele Beschwerden über herumliegende und ramponierte Bikes.

In Berlin geht oBike zum Start mit etwa 500 Rädern behutsamer vor. Der Startzeitpunkt zum Herbst ist allerdings ungewöhnlich, nicht unbedingt eine gute Jahreszeit zum Fahrradfahren. Aber offenbar wollte man sich beeilen, um auch in der Hauptstadt verfügbar zu sein.

Die Anmeldung per Smartphone-App ist schnell erledigt. Im Unterschied zu anderen Mietfahrrad-Anbietern setzt oBike auf ein Prepaid-System. Wer also fahren will, muss vorher ein Guthaben per Kreditkarte, PayPal oder Sofortüberweisung in sein Konto laden.

Fahrräder werden im 30-Minuten-Takt abgerechnet

Ist das erledigt, kann es auch schon losgehen. Wie man es von Carsharing-Anbietern kennt, können oBike-Nutzer in ihrer App ein Fahrrad finden und kostenlos reservieren. Dann ist es für zehn Minuten blockiert, und man umgeht das Ärgernis, zu einem Standort zu laufen, um festzustellen, dass jemand anderes schneller war. oBikes haben keine festen Stationen, sie können an jeder Straße abgestellt und auch wieder ausgeliehen werden. Wie auch bei andern Anbietern wird im 30-Minuten-Takt abgerechnet, was einen Euro kostet.

Die Konkurrenten Lidl-Bike (dahinter steht die Deutsche Bahn) und Nextbike verlangen zusätzlich noch einmal 50 Cent, wenn das Fahrrad nicht an einer Rückgabestation abgestellt wird. Wer eine Flatrate will, zahlt bei oBike 20 Euro im Monat oder 80 Euro im Jahr.

Das Abschließen funktionierte nicht

Damit sind aber auch schon die Vorteile von oBike erschöpft. Der Ausleihvorgang ist noch ganz einfach. Man scannt mit der Smartphone-Kamera einen QR-Code am Fahrrad oder gibt alternativ die Fahrradnummer am Rahmen in die App ein, und schon springt das Schloss auf.

Nach der Fahrt wird das Schloss wieder geschlossen, und die Ausleihe ist automatisch beendet. In unserem Test klappte das nicht immer, sodass wir nach ein paar Tagen 8.523 Minuten und 142,50 Euro Kosten auf unserem Konto hatten. Nachdem wir uns als normaler Kunde mit diesem Problem bei oBike gemeldet hatten, wurde das aber anstandslos wieder gestrichen.

Das Fahrrad ist eine Sparausführung

Das Fahrrad selbst sieht zwar im modernen Silber-Orange ganz gut aus, ist aber eine ausgesprochene Sparausführung, auf der das Fahrradfahren wirklich keinen Spaß macht. Zum einen ist das Rad unverhältnismäßig schwer, was vor allem an den Reifen aus Vollgummi liegt, die deswegen auch schlecht federn. Das dürfte bei Minustemperaturen mit hartem Gummi noch schlimmer werden.

Zumindest läuft man damit nicht Gefahr, einen Platten zu bekommen. Zum anderen gibt es keine Gangschaltung. Gefühlt ist nur der erste Gang verfügbar. Man tritt also viel, kommt aber kaum voran. Damit eignet sich ein oBike – anders als die Lidl-Fahrräder und Nextbikes – höchstens für den Weg von der S-Bahn-Haltestelle nach Hause oder zum Supermarkt. Wer aber beispielsweise einen acht Kilometer langen Weg zur Arbeit vor sich hat, sollte nicht einmal daran denken, ein oBike zu leihen.

Ein kurioses Punktesystem

Damit oBike-Nutzer einigermaßen pfleglich mit den Fahrrädern umgehen, hat sich das Unternehmen ein Kreditpunktesystem ausgedacht. Bei der Anmeldung erhält jeder Nutzer erst einmal 100 Punkte. Für jedes Beenden einer normalen Fahrt gibt es einen Punkt dazu. Wer ein kaputtes Fahrrad meldet, bekommt zwei Punkte. Wer sein Fahrrad an einen ungeeigneten Ort abstellt – beispielsweise im Park oder Hinterhof – bekommt 20 Punkte abgezogen.

Wer das Fahrrad mit einem eigenen Schloss abschließt, verbraucht all seine Punkte. Was das bringt? Zu viele vergebene Punkte erhöhen den Tarif für die Ausleihe. Eine Art Strafe. Nutzer mit weniger als 80 Punkten sollen dann fünf Euro für 30 Minuten zahlen. Wer weniger als 60 Punkte hat, soll sogar zehn Euro zahlen. Was ein Guthaben von mehr als 180 Punkten bringt, ist noch nicht klar. „Vorteile werden noch bekannt gegeben“, heißt es dazu auf der Website. All dies klingt eher kompliziert als praktikabel.

Diester Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / GEOFFROY VAN DER HASSELT