Die Ottobahn-Gondel wird vom Algorithmus gelenkt und soll Platz für bis zu vier Personen oder 1,5 Tonnen Last bieten.

Was in unseren Breitengraden bislang eher Skifahrern und Wanderern vorbehalten ist, könnte zukünftig auch die Verbindung zwischen Vierteln und Städten ermöglichen: Schwebende Gondeln und Seilbahnen sind auf dem Weg, die urbane Fortbewegung zu erobern. In Ballungszentren Boliviens und Vietnams sind sie längst ein probates Mittel des innerstädtischen Verkehrs. Auch in München und Bonn wird weiterhin über mögliche Strecken diskutiert. Das Münchner Startup Ottobahn hat dafür ein eigenes Konzept vom Gondelverkehr entwickelt.

Seine Gondeln mit Platz für bis zu vier Personen oder zwei Paletten mit maximal 1,5 Tonnen Last sollen auf einem Schienensystem in Höhe von fünf bis zehn Metern über dem Straßennetz fahren. Die Kabinen werden von einem elektrischen Motor betrieben. Das Konzept soll später so aussehen: Über eine App können Kunden sich eine Gondel bestellen, die ohne Zwischenstopps oder Umsteigen zum Ziel gefahren wird. Der Vorteil gegenüber einer Seilbahn: Es braucht keine aufwendige Haltestellenkonstruktion, weil die Kapsel per Absenkmechanik zum Boden abgelassen wird. Die Technologie wird nach Angaben des Unternehmens zusammen mit dem Fraunhofer Institut entwickelt.

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Das Streckennetz soll verzweigt verlaufen, an Knotenpunkten mehrgleisig, und auch überregionale Verbindungen seien möglich, erklärt Geschäftsführer Marc Schindler gegenüber Gründerszene. Geplant ist außerdem, die gesamte Trasse zu begrünen. In der Kapsel selbst soll nicht nur ein Entertainment-System zur Verfügung stehen, sondern bei Bedarf auch die zuvor georderten Supermarkteinkäufe oder der trinkbereite Kaffee. Alle Kapseln würden über den Ottobahn-Algorithmus gesteuert und mit anderen Services aufeinander abgestimmt, so Schindler.

Keine Fahrer – alles per Software gesteuert

Ottobahn begreift sich als Software-Unternehmen, das zwar derzeit auch Hardware-Komponenten für Prototypen entwickelt, hierfür künftig aber mit Partnern zusammenarbeiten will. Etwa was die Sensorik angeht, damit die Kapseln aufeinander abgestimmt werden können. Um die Energieeffizienz der Gondeln einhalten zu können, die lediglich von zwei Staubsauger-starken Elektromotoren angetrieben werden, muss alles reibungslos und ohne große Brems- und Anfahrtmanöver erfolgen. Der Verbrauch für 100 Kilometer wird vom Unternehmen auf etwa 1,8 Kilowatt-Stunden geschätzt. Der erste Prototyp fährt bereits durch das Großraumbüro von Ottobahn in München.

Ein erster Prototyp fährt durch das Ottobahn-Büro in München. Bild: Ottobahn

Das bedeutet im Umkehrschluss, die Fahrten müssen vorab gebucht werden, damit der Algorithmus die Fahrtverläufe aufeinander abstimmen kann. Andernfalls geht der geringe Energieverbrauch nicht auf und stärkere Motoren müssten her, die mehr Energie verbrauchen. Das Prinzip ist ähnlich dem Schienenverkehr – der Rollwiderstand ist sehr gering, sobald die Kapseln einmal Fahrt aufgenommen haben. Die Ottobahn hat eine Kombination aus Rädern, die über eine Schiene geführt werden. Innerstädtisch sollen die Kapseln bis zu 60 Kilometer pro Stunde erreichen, auf großen Distanzen zwischen Städten durch die Kopplung mehrere Kapseln hintereinander bis zu 250, sagt Schindler.

Eine erste Teststrecke könnte im nahen Umfeld von München entstehen und die Kreisstädte Dachau und Moosach verbinden. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass der bayrische Landtag hier das Konzept von Ottobahn in Erwägung zieht. Geschäftsführer Schindler gibt sich zuversichtlich. Eine Entscheidung könnte im November anstehen. Die Strecke soll Schindler zufolge rein privat finanziert werden.

Wo das Geld herkommen soll

Kostenpunkt sind rund fünf Millionen Euro pro Streckenkilometer. Zum Vergleich: Eine U-Bahn kostet etwa 50 Millionen Euro pro Streckenkilometer. Den günstigeren Preis der Ottobahn erklärt sich Schindler damit, dass die bestehende Infrastruktur nur noch aufgestockt werden müsse, alles kleiner dimensioniert sei und Leichtbauweise verwendet werden könne. Ab 2023 plant Ottobahn in den kommerziellen Betrieb zu gehen.

Geld verdienen will das Startup dann über Lizenzen, die sich nach Streckenkilometern richten. Also der Umsatz wird demnach nicht nur durch die Installation der Strecke generiert, sondern auch bei jeder Beförderung plant Ottobahn mitzuverdienen. Weitere Einkünfte sollen durch Entertainment- oder Lieferservices reinkommen. Anderweitige Anbieter von Kapseln sind für die Strecken nicht eingeplant. Alles soll aus einer Hand kommen, damit die Koordination einheitlich bleibt, erklärt Schindler.

Ideengeber der Ottobahn ist einem Medienbericht zufolge Frank Heinrich, der zuvor schon einen smarten Einkaufswagen entwickelt hat. Ottobahn wurde im Juli 2019 gegründet. Laut Handelsregister war zunächst ein Gesellschafter aus Bayern alleiniger Anteilseigner. Die erste finanzielle Unterstützung gab es fünf Monate später von der Elwok GmbH, hinter der Wolfgang Klopfer steht, Geschäftsführer der Investmentgesellschaft Xaia. Er hält 15 Prozent der Anteile. Derzeit befindet sich das Startup in Gesprächen mit weiteren Business Angels und plant eine weitere Runde, wie Schindler sagt. Zwölf Mitarbeiter sind bei dem Unternehmen beschäftigt. Die Investmenthöhe will der Geschäftsführer nicht verraten. Lediglich, dass man für das gesamte Jahr noch gut aufgestellt sei.

Ein mit der Ottobahn vergleichbares Mobilitätskonzept entwickelt beispielsweise das Aachener Startup Upbus. Das Unternehmen setzt allerdings auf Seilbahnetze und ergänzt das Prinzip durch modulare Minibusse, die sich ins Netz automatisch als Gondel einklinken von den Stationen aus als autonome Busse weiterfahren können. Die größten Wettbewerber der Startups sind die etablierten Seilbahnbauer Leitner und Doppelmayr.

Bild: Ottobahn; Der Artikel wurde nachträglich angepasst