Am Stand von Kumpan Electric gibt es nichts mehr zu sehen.

Es ist die wichtigste Branchenmesse für motorisierte Zweiräder: die Eicma in Mailand. Unter den Ausstellern befindet sich auch der deutsche E-Rollerhersteller Kumpan Electric, der eigentlich sein neues Modell 1954Ri S präsentieren wollte. Doch daraus wurde nichts. Noch bevor die Messe offiziell beginnt, hatte die Konkurrenz schon dafür gesorgt, dass die italienische Polizei die Roller aus Bonn beschlagnahmte.

Wer Kumpan Electric am Mittwoch auf der Messe besucht, findet nur einen leeren Stand vor, wie Fotos zeigen. „Die italienische Polizei hat unsere vier Ausstellungsfahrzeuge gestern Abend abgeholt“, sagt Kumpan-Electric-Gründer Patrik Tykesson im Gespräch mit Gründerszene und NGIN Mobility. Seinem Unternehmen wird vorgeworfen, mit dem 1954Ri das Design der Vespa Primavera kopiert zu haben. Bei dem Modell Primavera handelt es sich um die erste elektrische Version des Kultobjekts Vespa, das Piaggio vor mehr als 70 Jahren erfunden hat. 

Nun hat Piaggio Strafanzeige gegen den deutschen Wettbewerber Kumpan Electric eingereicht. „Nach italienischem Recht reicht das aus, um unseren Elektroroller ohne richterlichen Beschluss durch die italienische Polizei Guardia Finanza beschlagnahmen zu lassen“, erklärt Patrik Tykesson. Am Dienstagabend habe die italienische Polizei die deutschen Roller „im Retro-Design“ abgeholt. Verladen auf einem Abschleppwagen wurden sie weggebracht. 

Sowohl die elektrische Vespa als auch das deutsche Modell verfügen über einen Scheinwerfer, der über dem Lenker angebracht ist, die Karosserie ist so gebaut, dass sie Regen abhalten kann. Den Vorwurf, das Vespa-Design kopiert zu haben, bezeichnet Tykesson aber als gegenstandslos: „Es besteht keinerlei Ähnlichkeit bezüglich der Fahrzeug-Designs, der Konstruktion und der Systeme“, verteidigt er sich. Dies sei bei einem gründlichen Vergleich der Spezifikationen und Leistungsdaten deutlich erkennbar. Tykesson hegt einen Verdacht: „Der italienische Wettbewerber versucht das Design als Vorwurf zu nehmen, um die Produkte aus Deutschland zu diskreditieren“, glaubt er.

„Ein feiger Schachzug“

Für das Vorgehen von Piaggio findet Tykesson klare Worte: „Dass Piaggio das Strafrecht nutzt, um die Kumpan-Electric-Roller umgehend vom Messestand zu befördern, halten wir für einen feigen Schachzug.“ Kurios sei außerdem, dass der Wettbewerber offenbar versucht habe, die Fahrzeuge bei sich in Gewahrsam zu nehmen. Piaggio hat sich auf Nachfrage von Gründerszene bis zur Veröffentlichung des Artikels nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Mit dem Abschleppwagen werden die Kumpan-Electric-Fahrzeuge in Mailand abgeholt.

Kumpan Electric will sich gegen die Beschlagnahmung wehren und am Mittwochmittag auf einer Pressekonferenz darüber informieren. Allerdings sieht Tykesson wenig Chancen, die Roller wiederzubekommen. Die italienische Polizei behält die Fahrzeuge ein, um die Angelegenheit zu prüfen. „Bis zur Klärung wird die Messe vermutlich vorüber sein“, befürchtet Tykesson.

Kumpan Electric wurde vor acht Jahren in Remagen bei Bonn gegründet. Das neuste E-Roller-Modell erreicht Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 100km/h und ist damit nach Herstellerangaben das derzeit schnellste verfügbare Fahrzeug auf dem Markt. Neben dem Ri1954 hat das Unternehmen zwei weitere elektrische Tret- und Motorradroller auf dem Markt. Die Fahrzeuge werden neben Deutschland in Frankreich, Ungarn, Österreich und in der Schweiz verkauft.

Der italienische Wettbewerber Piaggio gilt als Schöpfer der Motorroller-Ikone Vespa. Vor mehr als 70 Jahren hatte der Erfinder und Luftfahrtingenieur Enrico Piaggio ein Fahrzeug entwickelt, das leichter sein sollte als herkömmliche Motorräder. 2016 stellte das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von rund 1,3 Milliarden Euro (2015) sein erstes elektrisches Modell davon vor. Der Verkauf in Europa startete in diesem Jahr.

Bild: Kumpan electric