Victor van Tol kommt mit seinem Unternehmen SnappCar nach Deutschland

Waschen, polieren, wachsen: Die Deutschen pflegen eine besondere Beziehung zu ihrem Auto. Sie dafür zu gewinnen, den eigenen Wagen mit anderen zu teilen, gilt allgemein als schwierige Aufgabe. Genau das ist das Geschäftsmodell von SnappCar, einem Peer2Peer-Carsharing-Dienst aus den Niederlanden. Dessen Gründer wollen Autofahrer hierzulande von ihrem Konzept überzeugen. Vor wenigen Wochen hat SnappCar den Wettbewerber Tamyca geschluckt, der 2010 in Aachen gegründet wurde. Im Interview verrät Mitgründer Victor van Tol, wie SnappCar sich auf dem Markt behaupten will und warum er mit der Konkurrenz wie der Autovermietung Europcar zusammenarbeitet.

Victor, vor wenigen Wochen habt Ihr Euren deutschen Rivalen Tamyca übernommen. Was steckt dahinter?

Die Übernahme des deutschen Anbieters ist Teil unserer Wachstumspläne in Europa: Wir wollen unseren privaten Carsharing-Dienst, bei dem Autobesitzer ihr Fahrzeug an andere verleihen können, in etwa 20 europäische Metropolen bringen – auch nach Deutschland. Dort wollen wir uns vor allem in Hamburg, dem Ruhrgebiet und in Berlin etablieren. Unser Büro werden wir in der Hauptstadt eröffnen, sobald wir dort die passenden Mitarbeiter gefunden haben.

Auch in Dänemark und in Schweden habt Ihr die dort ansässigen Wettbewerber übernommen. Warum setzt Ihr auf Übernahmen anstatt mit Eurer eigenen Marke in neuen Märkten zu starten?

Der Vorteil bei dieser Strategie: Wir müssen nicht bei Null anfangen, sondern übernehmen die Kunden. In Deutschland beispielsweise starten wir mit den 165.000 früheren Tamyca-Kunden. Außerdem lernen wir durch Übernahmen mehr über die Besonderheiten des jeweiligen Marktes. Darunter fällt zum Beispiel, welche Automodelle in dem Land am beliebtesten sind.

Wie ist der Deal mit Tamyca zustande gekommen?

Die Tamyca-Gründer kenne ich bereits seit vielen Jahren, wir sind mit unseren Unternehmen etwa zeitgleich gestartet. Seitdem haben wir uns regelmäßig untereinander ausgetauscht. Irgendwann war klar: Tamyca muss entweder eine große Finanzierungsrunde abschließen, oder die Carsharing-Sparte verkaufen. Zeitgleich waren wir auf der Suche nach einer Möglichkeit, in den deutschen Markt einzusteigen. So kam der Deal zustande.

Peer2Peer-Carsharing-Anbieter haben in Deutschland einen schweren Stand, die Deutschen lieben ihr Auto und geben es ungern an Fremde ab. Wie wollt Ihr mit SnappCar überzeugen?

Auch die Dänen und Schweden lieben ihr Auto und sind nicht sofort begeistert von der Idee, es an Fremden zu verleihen. Doch diese Einstellung ändert sich, wie unsere Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt. Deshalb glaube ich, dass unser Konzept auch in Deutschland funktioniert. Der Markt ist groß: Derzeit sind in Deutschland rund 16 Millionen Autos zugelassen. Wenn auch nur ein kleiner Teil davon bei unserem P2P-Carsharing registriert wird, ist das ein Erfolg.

Erst kürzlich hat Opel sein Carsharing-Projekt CarUnity eingestampft. Was unterscheidet euch von dem Dienst?

Über die Plattform hat Opel fast nur Autos der eigenen Marke verliehen. Öffentlich wurde CarUnity deshalb als Autovermietung wahrgenommen. Im Gegensatz dazu setzten wir mit SnappCar auf ein Community-Konzept: Wir fokussieren uns vor allem auf die Autobesitzer. Diese davon zu überzeugen, ihr eigenes Auto an Fremde zu verleihen, ist die größte Herausforderung. Mit dem kürzlich gestarteten Croove versucht nun auch Daimler sich im Markt zu positionieren. Ich bin gespannt, ob hier der Spagat zwischen etabliertem Autokonzern und Startup gelingt.

Wen seht Ihr eigentlich als Eure direkten Konkurrenten: Carsharing-Dienste wie Car2Go oder Autovermietungen wie Sixt oder Europcar?

Meistens werden unsere Autos für mehrere Tage ausgeliehen, beispielsweise für eine Fahrt in den Urlaub oder zu einem Geschäftstermin. Carsharing-Dienste in den Städten werden eher für Kurzstrecken ausgeliehen. Wir konkurrieren also mit Autovermietern.

Im Juni ist Europcar bei Euch eingestiegen, hat mehrere Millionen investiert und hält seitdem 20 Prozent der Anteile. Wie genau sieht Eure Zusammenarbeit mit der französischen Autovermietung aus?

Wir testen verschiedene Kooperationsmodelle: Beispielsweise stellen wir einander unsere Fahrzeuge zur Verfügung. Wenn also bei Europcar mehr Fahrzeuge nachgefragt werden als im Fuhrpark vorhanden, können Europcar-Kunden auf Autos aus dem SnappCar-Pool zurückgreifen. Gleiches wäre umgekehrt denkbar.

Arbeitet Ihr darüber hinaus mit weiteren Mobilitätsanbietern zusammen?

Ja. In den Niederlanden testen wir derzeit gemeinsam mit einer Autovermietung ein Leasing-Modell: Autofahrer können für 99 Euro monatlich einen Fiat 500 leasen. Voraussetzung ist, dass sie ihr Auto mindestens zweimal pro Monat an andere verleihen. Ein ähnliches Angebot planen wir auch in Deutschland.

Was plant Ihr nächstes?

Wir arbeiten an einer Technologie, mit Nutzer das Auto direkt über die SnappCar-App die Autos aufschließen können. Derzeit ist für die Schlüsselübergabe immer noch der persönliche Kontakt zwischen Autobesitzer und demjenigen, der das Auto ausleihen möchte, nötig. Eine schlüssellose Lösung zu entwickeln ist allerdings nicht trivial, weil viele verschiedene Fahrzeugmodelle bei uns registriert sind.

Wollt Ihr auch über Europa hinaus expandieren?

Zum jetzigen Zeitpunkt ist es unwahrscheinlich, dass wir mit SnappCar über Europa hinaus expandieren, etwa in die USA oder nach Asien. Unsere Expertise liegt im europäischen Markt. Das Potenzial ist hier noch riesig, in den meisten Ländern spielt privates Carsharing bislang kaum eine Rolle. Das wollen wir ändern.

Über SnappCar

Gegründet: 2011 von Victor van Tol and Pascal Ontijd

Die Idee: Die meisten Autos stehen 23 Stunden am Tag nur herum. Das macht keinen Sinn, finden die SnappCar-Gründer. Deshalb wollen sie, dass Autobesitzer ihre Fahrzeuge mit anderen teilen.

Mitarbeiter: 55 in vier Ländern (Niederlande, Schweden, Dänemark und Deutschland)

Finanzierung: Insgesamt hat SnappCar knapp 17,5 Millionen US-Dollar eingesammelt, eine der Hauptinvestoren ist Europcar

Kunden: Derzeit sind 45.000 Autos auf der Plattform registriert und 400.000 Autofahrer

Wettbewerb: Europäischer Marktführer beim Peer2Peer-Carsharing ist derzeit das französische Startup Drivy. Deutschland ist der erste Markt, in dem beide Startups direkt gegeneinander antreten. Daneben ist auch das Berliner Startup Getaway mit einem ähnlichen Angebot auf dem deutschen Markt vertreten.

Bild: SnappCar