Der BMW i3 bei einer Fahrt in London.
Der BMW i3 bei einer Fahrt in London.

Ein Jahr lang war „Computer Bild“-Redakteur Max Wiesmüller Besitzer eines Elektroautos. Hier teilt er seine Erfahrungen und zieht ein Fazit.

Ich kann doch nicht ewig vom Elektroauto schwärmen, ohne je selbst eines besessen zu haben. Also bewarb ich mich im November 2017 für die mittlerweile eingestellte Aktion eines Strom- und eines Leasinganbieters. Damals gab es den BMW i3 94Ah mit aufgedruckter Werbung zum absoluten Knallerpreis – fertig versichert und angemeldet. 

Wirklich gerechnet habe ich nicht mit einer Zusage. Als am 7. Dezember 2017 dann die Leasing-Bestätigung kam, war ich zunächst völlig überrumpelt und dachte mir: Oh je, wie läuft das mit dem Aufladen? Wie wird wohl das Jahr mit dem E-Auto? Und werde ich für immer ein E-Auto haben wollen oder etwa nie wieder?

Die Abholung des BMW i3 war spannend

Der Leasinggeber verriet mir, dass ich mein Auto für 400 Euro nach Hamburg liefern lassen oder es selbst in München abholen kann. Geiz sowie Neugier siegten, und trotz wiederholter Anrufe von dem Unternehmen beteuerte ich: Ich hole den selbst ab!

Ich beauftragte eine Freundin, den Wagen in München zu übernehmen. Zwei Tage später fuhr ich abends zu ihr, um das Auto in Empfang zu nehmen. Und am Morgen des 22. März begab ich mich auf die lange, beschwerliche Fahrt zurück nach Hamburg, auf der ich enorm viel gelernt habe.

Wie sie verlief und welche Hindernisse „Herib3rt“ und ich überkommen mussten, das habe ich für Sie vor rund einem Jahr aufgeschrieben. Nur so viel: Das Auto trifft keine Schuld, das hat funktioniert wie beschrieben.

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Das Leben mit dem Elektroauto in Hamburg

Trotz der Schwierigkeiten auf der Fahrt nach Hamburg war ich froh, dass ich 400 Euro gespart hatte und reicher an Erfahrung war. Der Alltag war einfach: Der i3 ist wie für Hamburg gemacht. Wir haben Ladesäulen in der Nähe meiner Wohnung und des Büros.

Vorm Friseur, beim Fußballstadion meines Lieblingsvereins und auch sonst an vielen beliebten Orten gibt es ebenfalls viele, allesamt betrieben vom Stromnetz Hamburg, das beim Aufbau wirklich ganze Arbeit geleistet hat.

Ich bekam die besten Parkplätze der Stadt, umsonst und frei von Reichweitenangst. Und: Morgens war mein Auto dank Säulenstrom klimatisiert, sodass ich im Winter nicht kratzen und im Sommer nicht schwitzen musste.

Elektroauto auf der Langstrecke

Nord- und Ostsee sind von Hamburg ja nur einen Steinwurf entfernt. Im Frühling 2018 war die Ostsee für mich als E-Autofahrer noch deutlich erreichbarer. An der Nordsee sprossen die Säulen im weiteren Jahresverlauf wie Pilze, die Ladeinfrastruktur an der Ostsee blieb aber einfach besser. Ob Fehmarn, Heiligenhafen, Timmendorfer Strand oder Scharbeutz – der i3 fühlte sich überall pudelwohl.

Ein Geheimtipp für Ostseeurlauber: Besuchen Sie das „Beach Motel“ in Heiligenhafen. Der Parkplatz dort kostet für Nichtgäste eigentlich 25 Euro pro Tag. E-Autofahrer bekommen aber kostenlosen Strom und zahlen lediglich vier Euro.

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Über so viel Sponsoring freut man sich, aber mit dem wachsenden Erfolg von E-Autos ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis es solche Incentives nicht mehr gibt. Und wenn man dort parkt, trifft man vielleicht sogar eine E-Rarität.

Brauchen wir wirklich 800 Kilometer Reichweite?

Das „Beach Motel“ gehört für mich genauso zu den Highlights des Jahres mit meinem Elektroauto, wie es die vielen Gespräche mit Passanten, anderen Autofahrern und E-Auto-Besitzern waren. Viele lassen sich davon überzeugen, dass ein urbaner Pendler wie ich sich nicht mehr wünschen könnte von einem Elektroauto.

Klar, die Reichweite (rund 200 Kilometer bei milden Temperaturen) darf gerne noch etwas steigen, aber ich finde, mit rund 400 Kilometern sind wohl so gut wie alle Autofahrer gut bedient. Niemand braucht wirklich 800 oder 1000 Kilometer Reichweite, es sei denn Außendienstler. Die sind meines Erachtens aber mit einem Diesel ohnehin besser dran.

Für die Urlaubsfahrt nach Italien habe ich mir übrigens einen sparsamen Kombi gemietet, und ohne belehrend klingen zu wollen: Ich habe ein Problem damit, wenn mir jemand erklärt, dass er einen Porsche Cayenne oder einen Audi Q7 braucht, weil er ein oder zwei Mal pro Jahr mit dem Auto verreist. Mietet doch einfach – oder steht zu eurer Liebe für gigantische SUVs. Ich kann es ja verstehen, manche davon sehen ganz nett aus.

Ein Jahr Elektroauto

Ein paar Kritikpunkte zum Auto gibt es aber auch. Die Türen des i3 sind so lange toll, wie man sie nicht in der Tiefgarage braucht. Die gegenläufig öffnenden Hintertüren sind dann eine Logistikfalle. Mehr Kofferraum hätte ich auch gerne gehabt.

Die BMW-Connected-App ist auch nach einem Jahr noch immer eine einzige Frechheit, etwas Unzuverlässigeres ist mir noch nicht untergekommen. Doch all das bezieht sich speziell auf dieses Auto.

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Die Nachteile von Elektroautos generell beschränken sich im Wesentlichen auf die Vorbereitung, die man für das nötige Selbstvertrauen schon noch treffen sollte. Bei einer Dienstfahrt nach Berlin habe ich natürlich vorher nachgesehen, ob ich irgendwo unterwegs laden kann.

Am RWE-Schnelllader gelang das in unter 40 Minuten; weil ich nachmittags aufgebrochen bin, habe ich ein Abendessen an der Trucker-Tanke genossen. Die Blicke der Fahrer waren übrigens spitze.

Die Rücksichtslosigkeit anderer Autofahrer

Das größte Problem ist die Rücksichtslosigkeit anderer Autofahrer: Die inzwischen nahezu flächendeckend blau gestrichenen Parkplätze werden munter von Carsharing-Autos (Car2go, DriveNow), aber auch normalen Autos zugeparkt. Viele Menschen bewegte ich mit (er-)klärenden Worten zum Umparken, andere stellten auf stur.

Ein Dutzend bekamen deshalb Anrufe von den Carsharing-Anbietern, mit der Bitte ums Umparken, oder mussten ihr Auto vom Hamburger Abschlepphof abholen. In allen Fällen wurde es teuer. 

Doch derart asoziales Verhalten war glücklicherweise die Ausnahme. Die meisten Gespräche mit Autofahrern waren positiv, und wir waren uns einig: Etwas mehr Reichweite darf es schon sein. Hamburg nach Berlin ohne Ladestopp, das wäre doch was. Das sind gut 300 Kilometer, machen wir 350 Kilometer im Alltag daraus.

Das Fazit

Würde ich es nach 10.000 elektrischen Kilometern und zehn Bundesländern trotzdem noch mal wagen? Ja! Ich bin im letzten Jahr so gut wie alle bedeutenden Elektroautos gefahren und kann sagen: Am liebsten wäre mir ein Hyundai – oder ein BMW i3 mit der neuen, noch größeren 120-Ah-Batterie.

Sein flottes Tempo und der unvorstellbar winzige Wendekreis haben mich vom ersten bis zum letzten Tag begeistert. Und wenn Geld gar keine Rolle spielen würde, müsste ich mir wohl ein Tesla Model 3 bestellen. Mal sehen, vielleicht kooperiert das Leasingunternehmen ja auch dieses Jahr wieder mit einem Stromanbieter …

Dieser Artikel ist zuerst bei Computer Bild erschienen.

Bild: Getty Images / Ian Gavan / Freier Fotograf