tesla-1Tesla will ab sofort die Sensoren seiner Elektroautos Model S und Model X so erweitern, dass die Fahrzeuge technisch für künftige vollständig autonome Autopilotenfunktionen gerüstet sind. Damit reagiert der US-Hersteller auf die Kritik von Zulieferern und Aufsichtsbehörden, die nach diversen Unfällen mit selbstfahrenden Tesla-Elektroautos die bisher verwendete Technik unausgereift genannt hatten.

„Der bisherige Autopilot ist limitiert durch die Hardware der ersten Generation. Die Sensoren haben nur die Hälfte der Auflösung und Reichweite, die die neuen Autos haben werden“, sagte Firmenchef Elon Musk. Tesla will zwar auch die Assistenzfunktionen der bereits ausgelieferten Fahrzeuge weiter durch Softwareupdates verbessern – doch vollautonom sollen nur die neuen Fahrzeuge, die ab sofort gebaut werden, fahren können.

Das gilt jedoch auch nicht ab sofort. Zuerst will Tesla mit den Sensordaten der ab jetzt ausgelieferten Fahrzeuge Erfahrungen aus dem Alltagseinsatz sammeln, dann später per Softwareupdate einen vollständig autonomen Autopilotmodus nachrüsten. Bis dahin soll der Autopilot unbemerkt im „Schatten-Modus“ mitfahren und auf Basis der Sensordaten in dem Fahrzeug dazulernen. Wie gut der Autopilot bereits jetzt funktioniert, zeigte Musk mit einem Video, in dem sich ein Tesla Model X völlig selbstständig durch den Stadtverkehr bewegt.

Probleme auf deutschen Autobahnen

Die neuen Sensoren sollen vor allem mehr Reichweite haben – mit acht Surround-Kameras soll der Tesla seine Umwelt in bis zu 250 Meter Abstand erfassen, dazu kommt ein nach vorne gerichtetes Radar sowie Ultraschallsensoren mit erhöhter Reichweite für die Naherkennung von Objekten.

In der ersten Beschreibung klingt das gut – fraglich jedoch ist, ob das aus deutscher Sicht gut genug ist für die Autobahn. Denn zumindest laut der von Tesla nun veröffentlichten Beschreibung könnte den neuen Sensoren eine entscheidende Fähigkeit fehlen: „Auf der deutschen Autobahn müssen autonome Fahrzeuge ein weltweit einmaliges Problem lösen“, erklärt Joern Ebberg vom Automobilzulieferer Bosch. „Das Delta der Geschwindigkeit zwischen den einzelnen Fahrspuren ist sehr hoch, was sichere Spurwechsel enorm erschwert.“

Anders ausgedrückt: Nur auf der deutschen Autobahn müssen autonome Fahrzeuge damit zurechtkommen, dass jederzeit auf der linken Spur ein Porsche, BMW, Mercedes oder Audi mit Geschwindigkeiten von bis zu 300 km/h überholen könnte. Fährt das autonome Fahrzeug auf der rechten Spur 120 km/h, beträgt die Geschwindigkeitsdifferenz – das Delta – zwischen den beiden Fahrzeugen etwa 50 Meter pro Sekunde.

Warnung des Bundesverkehrsministeriums

„Die Zahl der Strecken, auf denen Fahrten mit solchen Geschwindigkeiten noch möglich sind, sinkt zwar – aber selbstverständlich muss ein autonomes Fahrzeug auch mit Extremsituationen im Straßenverkehr jederzeit zurechtkommen“, erklärt Ebberg. Dazu zähle insbesondere auch der Einsatz in der Nacht oder bei schlechtem Wetter, bei dem Stereokameras allein keine ausreichenden Informationen liefern. Deswegen fahren Boschs Prototypen für autonomes Fahren auf der deutschen Autobahn aktuell mit zusätzlichen Radar- und Lasersensoren, die nicht nur über 250 Meter nach vorne blicken, sondern auch dieselbe Distanz nach hinten abdecken, um ein Autobahngeschoss eines anderen Premiumherstellers rechtzeitig vor einem Spurwechsel zu entdecken.

Dieses rückwärtige Langreichweitenradar fehlt dem neuen Tesla-Sensorensystem zumindest laut der aktuellen Beschreibung auf Teslas Webseite. Damit aber könnte Tesla auch mit den neuen Modellen in Konflikt mit den deutschen Behörden kommen.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hatte bereits das bisher verkaufte Modell getestet und war in einem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass Teslas teilautonome Systeme auf deutschen Autobahnen bei Überholvorgängen regelmäßig und reproduzierbar versagen. Daraufhin hatte das Bundesverkehrsministerium an alle Tesla-Eigner in Deutschland einen Brief verschickt, der vor dem Einsatz des Autopiloten warnte und die komplette Überwachung des Systems durch den Fahrer anmahnte. Auch das deutsche Kraftfahrtbundesamt hätte Teslas System laut Recherchen der „Welt am Sonntag“ nicht genehmigt. Tesla hatte die Typengenehmigung jedoch in den Niederlanden für die komplette EU erlangt.

Dieser Artikel ist zuerst auf Welt.de erschienen.

Bild: Getty Images/Craig F. Walker