gabriel
gabriel Will Sigmar Gabriel mit seinen Plänen dem Chauffeur-Dienst entgegen kommen?

Sollte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) mal wieder in ein Taxi steigen, könnte das eine Fahrt mit einer unangenehmen Überraschung werden. Womöglich muss sich der Minister und SPD-Chef von dem Fahrer heftige Vorwürfe anhören. Denn die neuesten Pläne zum Ausbau der Digitalisierung bringen ihm massive Kritik seitens des Taxi-Verbandes ein.

„Wir werden in der Angelegenheit im Bundeswirtschaftsministerium vorstellig werden“, sagte Michael Müller, Präsident des Deutschen Taxi- und Mietwagenverbands (BZP), der Welt. Passagen des Digitalsierungsprogramms seien nichts anderes als eine „Lex Uber“. Der umstrittene Chauffeurdienst solle auf diese Weise legalisiert werden. Im Ministerium reagiert man verwundert auf Reaktion des BZP.

Gabriel hatte vor wenigen Tagen seinen Aktionsplan Digitalisierung präsentiert und damit das getan, was man von einem Wirtschaftsminister erwartet: neue Technologien in den Bereichen Gesundheit, Wohnen, Energie und Finanzen voranbringen zu wollen. Und eben auch im Verkehrssektor.

Die Ideen und Vorschläge sind allesamt harmlos, wenig konkret und erfüllen das, was man von einem Digitalisierungsprogramm erwartet. Die Taxi-Branche geht dennoch auf die Barrikaden. Denn in Punkt elf des Programms heißt es: „Wir treten dafür ein, auch das in Teilen überholte Personenbeförderungsrecht zu modernisieren und an die technische Entwicklung anzupassen.“

Der Passus klingt an sich unverfänglich. Doch allein die Kombination „Personenbeförderungsrecht“ und „modernisieren“ ist brisant, weil man darin in der Taxi-Branche stets eine roten Teppich für neue unliebsame Konkurrenz sieht. Das Personenbeförderungsrecht regelt genau, wer welche Dienstleistung anbieten darf.

Abschaffung der Ortskenntnisprüfung?

Uber darf in Deutschland den Taxen keine Konkurrenz machen und liefert sich weltweit heftige Fehden mit Behörden, Gerichten und Taxiverbänden darum, in das Geschäft einsteigen zu dürfen. Und in fast jeder Stadt kommt etwas anderes dabei raus. In Deutschland hat Uber bislang den Kürzeren gezogen, in anderen Ländern war das Startup erfolgreicher. Im Heimatland, den USA zum Beispiel.

Im Gabriel-Programm heißt es derweil weiter unten zur genannten Anpassung der technischen Entwicklung: „Dazu zählt etwa eine Abschaffung der Ortskenntnisprüfung und der Rückkehrpflicht für Mietwagen nach Ausführung des Beförderungsauftrags … und eine Anhebung der Schwellenwerte für private Mitfahrten.“ Spätestens mit diesem Satz hat Gabriel der Taxi-Branche den Fehdehandschuh hingeworfen.

Denn das sind genau die Forderungen, die Uber seit Monaten erhebt. Private Uber-Fahrer, die hierzulande keine Fahrgäste mehr befördern dürfen, hatten so gut wie nie eine Ortskenntnisprüfung abgelegt. Und die Autos mussten auch nicht wie Mietwagen nach Abschluss der Fahrt an ihre Basis zurückkehren, sondern die Uber-Fahrer suchten sich sofort die nächste Fuhre – wie die Taxis. Würden Ortskenntnisprüfung und Rückkehrpflicht fallen, wäre Uber fast am Ziel und könnte wieder in direkten Wettbewerb mit den meist elfenbeinfarbenen Taxis treten. Was die naturgemäß verhindern wollen.

„Wir sind irritiert, dass ein Gesetz, das vor vier Jahren überarbeitet wurde, angeblich schon wieder überholte Inhalte hat“, schimpft BZP-Präsident Müller. „Und ich verstehe nicht, warum der Minister Uber den Markt öffnen will.“ Ortskenntnisprüfung und Rückkehrpflicht seien kein Monopolschutz für das Taxigewerbe. „Das dient dem Kunden und dem Umweltschutz“, so Müller.

„Ein Navi kann den Fahrer nicht ersetzen“

Natürlich weiß Müller, dass man mit modernen Navis ganz gut durch fremde Städte kommt. Und dass fast alle seine Fahrer die Geräte nutzen, in Städten wie Berlin manche Adresse gar nicht finden würden – Ortskenntnisprüfung hin oder her. „Aber ein Navi kann einen Fahrer, der sich auskennt, nicht komplett ersetzen“, so Müller. Ein Navi kenne chronische Staustellen nicht, Sonderspuren für Taxis, Schleichwege, die in keinen Karten stünden. Und den besten Ausweg, wenn im Stau nichts mehr gehe. „Ein Fahrer, der sich auskennt, bringt den Kunden schneller zum Ziel, als einer, der sich auf ein Navi verlassen muss.“

Noch mehr in Rage bringt ihn der Passus mit der Rückkehrpflicht für Mietwagen. Die wurde einmal eingeführt, damit die den Taxis keine Konkurrenz machen. „Mietwagen-Chauffeure haben keine Beförderungspflicht wie das Taxigewerbe, sie haben keine festen Tarife, an die man sich halten muss. Deshalb sollen und dürfen sich nicht in Konkurrenz zu den Taxen treten“, sagt Müller. Wer weniger Verpflichtungen habe, müsse mit weniger Vorteilen leben.

Mietwagen, die nicht mehr zur Station zurück müssten, würden in der Stadt kursieren und während der Fahrt nach Kunden Ausschau halten – weil sie naturgemäß nicht an Taxi-Ständen halten dürften. „Ist das ökologisch sinnvoll, dass unzählige Autos leer durch die Städte fahren und Kunden suchen?“, fragt Müller. Und weiß natürlich die Antwort: „Selbstverständlich nicht.“ Genauso selbstverständlich wolle man Uber nicht an Taxiständen dulden.

Dem Taxiverband passt der gesamte Vorstoß Gabriels nicht. Das Beförderungsgewerbe brauche keine amtlich verordnete Digitalisierungsoffensive. „Wir sind digital, Sie können sich jederzeit ein Taxi per App rufen“, so Müller. Rückendeckung erhält er durch die Gesetzeslage – und die Interessen vieler Kommunen. Denn das Taxigewerbe zählt zur öffentlichen Daseinsvorsorge. Durch die Beförderungspflicht zu festen Preisen soll sichergestellt werden, dass ältere oder gehbehinderte Menschen jederzeit Zugang zu allen mit Autos erreichbaren Orten haben. Uber fährt nur dort, wo es sich sicher lohnt. „Rosinenpickerei“ nennen das die Taxler.

Ministerium will von „Lex Uber“ nichts wissen

Nun ist der Sozialdemokrat Gabriel in der wenig schönen Lage, angeblich einem US-Konzern den Boden bereiten zu wollen, der als Inbegriff eines kalten, neoliberalen Kapitalismus gilt. Uber-Fahrer, die wie Taxen unterwegs sind, sind nicht fest angestellt. Für sie gibt es keinen Tarifvertrag, sie sind freie Unternehmen. Mit allen Vorteilen und allen Risiken. Uber behauptet immer wieder, das Gros dieser Fahrer würde das als Nebenerwerb tun – aber auch der kann für eine Familie existenziell sein.

Im Ministerium Gabriels will man derweil von einer „Lex Uber“ nichts wissen. „Das Bundeswirtschaftsministerium will mit seinem Aktionsprogramm Digitalisierung auch den Anstoß dazu geben, den bestehenden Rechtsrahmen dahingehend zu durchleuchten, ob zum Beispiel der jeweilige Schutzzweck im Hinblick auf die Digitalisierung noch aktuell ist oder sich gegebenenfalls Modernisierungsbedarf ergibt“, heißt es auf Anfrage. „Dabei rückt unter anderem auch eine mögliche Modernisierung des Personenbeförderungsrechtes in das Blickfeld.“

Insbesondere die starke deutsche Automobilindustrie habe ein Interesse daran, neue Mobilitätsmärkte, etwa durch eine Weiterentwicklung des Carsharing, zu erschließen, um beim Thema Mobilität an der Spitze bleiben zu können und international wettbewerbsfähig zu sein, schreiben Gabriels Digitalisierungsexperten. „Von einer Modernisierung könnte auch das Taxigewerbe oder andere Mobilitätsanbieter profitieren, zum Beispiel durch den Abbau von Bürokratie oder in Teilen technisch überholter Regelungen – zum Beispiel die rasante Entwicklung der Navigationssysteme, die die Frage nach Ortskundeprüfungen neu stellen.“ Und eins ist dem Ministerium ganz wichtig: „Selbstverständlich wird dabei die grundsätzliche Erfordernis eines Personenbeförderungsscheins nicht infrage gestellt.“

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Getty Images / CLEMENS BILAN