Die Menschen aus dem privaten Auto locken: Christoph Weigler ist General Manager von Uber in Deutschland.

Die Werbeplakate hängen in U-Bahnhöfen und an Fassaden – der Taxidienst Uber will sich geläutert ins Bewusstsein der mobilen Öffentlichkeit zurückbringen. Vorbei sein sollen die Zeiten, als die Firma mit Skandalen, Datenklau und Unfällen von sich reden machte, die Taxibranche brüskierte und vor Gerichten Niederlagen kassierte. Das neue Management mit CEO Dara Khosrowshahi an der Spitze schlägt versöhnliche und kooperative Töne an. Im Interview mit Gründerszene und NGIN Mobility erklärt Deutschlandchef Christoph Weigler die neue Strategie. Er sieht das Uber als einen Stein im großen Mobilitäts-Mosaik.

Gründerszene: UberX ist kürzlich in Düsseldorf und Frankfurt gestartet. Warum hat man drei Jahre lang nicht viel von Uber gehört?

Wir haben eine längere Phase der Konsolidierung und des Verstehens hinter uns, in der wir uns gefragt haben, wie der Markt beschaffen ist und welches Modell wir in Deutschland erfolgreich umsetzen können. In den Jahren davor hatten wir auch Modelle ausprobiert, die mit dem Rechtsrahmen nicht kompatibel waren.

Was ist das Ergebnis dieses Lernprozesses?

Die Produkte, die zurzeit am besten zu Deutschland passen sind Uber X, also Mietwagen mit professionellen Fahrern und versicherten Fahrgästen, Uber Green mit vollelektrischen Fahrzeugen und Uber Taxi. Dazu kommen noch E-Bikes.

Ist Deutschland auch der schwierigste Markt für Uber?

Die Schwierigkeiten, die wir in Deutschland hatten, waren zum großen Teil hausgemacht. Denn Uber hatte sich an den Markt und seine Regulierung nicht angepasst. Der große Unterschied zu früher besteht darin, dass wir jetzt ein Produkt völlig im Einklang mit dem Rechtsrahmen gefunden haben. Darauf sind wir stolz. Mit dem Kopf durch die Wand, das geht halt nicht. Der Ansatz „Copy and Paste“, von dem was in anderen Ländern erlaubt ist, funktioniert in Deutschland nicht.

Ist die Strategie „Mit dem Kopf durch den Wand“ für Uber passé?

Auf jeden Fall. Wir sehen, dass ein partnerschaftlicher Ansatz viel erfolgreicher ist.

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Welche nächsten Meilensteine wollen Sie erreichen?

Der aktuelle Rechtsrahmen verhindert spannende technologische Möglichkeiten. Konkret sieht man das am Pooling, bei dem sich zwei oder mehr Leute, die in die selbe Richtung fahren, ein Fahrzeug teilen. Das gibt es in Deutschland bislang nur im Rahmen von komplizierten Ausnahmeregelungen. In San Francisco sind die Hälfte aller Uber-Fahrten gepoolt. Das zweite Thema ist die Rückkehrpflicht. Das Angebot von On-demand-Diensten ist da insbesondere im ländlichen Raum wirtschaftlich kaum umzusetzen. Wir haben mit Landräten in Deutschland konkrete Diskussionen zu Pilotprojekten geführt und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich das nicht rechnet, wenn Mietwagen 30 oder 50 Kilometer leer zum Betriebssitz zurückfahren müssen.

Ist der ländliche Raum für Uber ein Markt?

Wir sehen viele Möglichkeiten im ländlichen Raum. An der kroatische Küste gab es zum Beispiel im Sommer ein Uber-Produkt für Touristen, das jetzt den ganzen Winter erhalten bleibt, weil die lokale Bevölkerung nicht drei Stunden auf einen Linienbus warten will, sondern eher eine halbe Stunde auf ein Uber. Natürlich ist Uber nicht die Lösung aller Mobilitätsprobleme im ländlichen Raum. Aber wir könnten ein Baustein sein.

Uber kooperiert mit dem ÖPNV? Das ist neu!

Wir kooperieren mit ÖPNV-Anbietern im Ausland, wo wir unattraktive Buslinien mit Poolingangeboten ersetzen. Wir sind da total offen und bereit in Lösungen zu investieren, die helfen. Und wir bringen Erfahrung aus dem Ausland mit, wo es funktioniert. Die können wir in Deutschland replizieren, wenn der Rechtsrahmen das möglich macht.

Was erwarten Sie von der Bundesregierung?

Im Koalitionsvertrag steht, dass man sich das Thema anschauen möchte. Und die Legislaturperiode dauert ja noch zwei Jahre.

Wenn sich die Rechtslage ändert, können Sie also Pooling einführen?

Das würde ich so nicht unterschreiben. Wir sind jetzt in vier deutschen Städten mit unserem Modell vertreten und haben einen erfolgreichen Weg beschritten. Das wollen wir ausbauen. Eine Reform wäre aber ein Hebel für spannende Innovationen wie Pooling.

Wie gehen Sie mit der Kritik der Taxibranche um?

Zum großen Teil handelt es sich um mangelnde Information über unser Geschäftsmodell. Vorurteile gegen Uber kommen aus der Zeit, als sich das Unternehmen nicht an die Regeln gehalten hat. Deshalb ist eine Grundskepsis verständlich. In Berlin arbeiten wir mit 1500 Taxifahrern zusammen, sie sind Teil unserer Kundschaft. Zu Uber in Deutschland gehört auch das Taxi. Es ist ein ganz wesentlicher Pfeiler unserer Strategie, Taxis auf der Plattform zu haben.

Was sagen Sie den Taxifahrern, die um ihre Jobs fürchten?

Probiert doch mal unsere digitale Vermittlungstechnologie aus. Wir bekommen dann immer das Feedback, dass Leute Uber Taxi fahren, die nicht direkt den Weg zu einem Taxi finden würden – zum Beispiel internationale Geschäftsleute oder Touristen, die Uber von zu Hause kennen oder junge Menschen, die in der Startup-Community in Berlin arbeiten. Langfristig ist die Argumentation besonders einfach: Es gibt kaum ein Land auf der Welt, wo Mobilität so stark auf den privaten Pkw zugeschnitten ist. Wir haben rund 47 Millionen Pkw in Deutschland und mehr als 50.000 Taxen. Unser Wachstumspotenzial liegt nicht im Taxi-Bereich. Sondern wenn man zehn Prozent der Pkw-Fahrer überzeugt, auf einen Mix aus ÖPNV, Carsharing, Bikesharing, Taxen und Uber umzusteigen, dann sind das fünf Millionen Menschen. Das ist ein großes Potenzial verglichen mit der Anzahl der Taxen in Deutschland. Wenn das Netz der Alternativen attraktiv ist, lassen die Menschen auch ihr Auto stehen.

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Welches Potenzial sieht da Uber?

Wir sind erst am Anfang dieser Reise in die neue Mobilität. Wir müssen uns lösen vom privaten Pkw und eine Lösung finden, die smarter ist. Das Potenzial ist viel größer als viele das heute sehen. Selbst in den USA, wo es uns schon seit Jahren gibt, entfallen weniger als ein Prozent aller zurückgelegten Personenkilometer auf Car- oder Ridesharing und Pooling mit Uber oder seiner Konkurrenz.

Welche Bedeutung messen Sie dem ÖPNV bei?

Der ÖPNV wird als Grundbeförderungsmittel viel stärker an Attraktivität gewinnen. Dazu wird es viele Ergänzungen geben. Der Pkw wird Attraktivität verlieren. Die Alternativen zum Pkw müssen besser werden. Und deshalb können die neuen Mobilitätsunternehmen auch den ÖPNV aufwerten, indem man die erste und die letzte Meile anbietet. Darauf müssen wir hin arbeiten.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Jump gemacht?

Es ist zu früh für eine Auswertung. Aus den USA wissen wir, dass es bei Jump nicht nur um die erste und letzte Meile geht, auch viele Berufspendler integrieren Jump bei Distanzen bis zu sechs Kilometer in ihren täglichen Arbeitsweg.

Sind elektrische Tretroller für Uber eine Option?

Wenn wir es ernst meinen mit der Vision, eine Mobilitätsplattform zu sein, und jedem Nutzer ein attraktives Angebot bieten wollen, dann müssen wir auch offen sein und weitere Verkehrsmittel integrieren. Wir waren auch mit der BVG und anderen ÖPNV-Unternehmern in Diskussionen über Kooperationen.

Wie könnte eine Kooperation mit öffentlichen Verkehrsunternehmen aussehen?

In Nizza haben wir zum Beispiel eine Kooperation, bei der ÖPNV-Kunden günstige Uber-Fahrten auf der ersten und letzten Meile bekommen. In anderen Ländern schalten wir schlecht ausgelastete Buslinien auf die Uber-App, poolen die Nachfrage und erzeugen flexible Routen, auf denen wir den Bus am effizientesten durch die Stadt lotsen, um möglichst viele Fahranfragen zu beantworten. Wir stellen unsere Expertise aus Softwareentwicklung und Pooling zur Verfügung.

Sie können sich also vorstellen, dass Sie über die Uber App andere Verkehrsdienstleister anbieten?

In den USA pilotieren wir das schon. Doch das ist eine langfristige Diskussion: Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir uns z.B. in die BVG-App integrieren, damit Nutzer ihre ganze Mobilitätskette abdecken können. Es ist auch wichtig, dass wir Daten über Verkehrsdienste bereitstellen. Dazu haben wir die Plattform Uber Movement, in die sich Verkehrsplaner einwählen können und sehen, wie der Verkehrsfluss in ihrer Stadt ist. Wir sind hier mit den ersten Städten in Deutschland in der Diskussion. Das Wichtige ist, Erfahrungen auszutauschen.

Besteht die Gefahr, dass Sie dadurch Kunden verlieren ?

Die Komplexität wird zunehmen und dazu führen, dass wir mehr Partnerschaften eingehen müssen. Dann muss man sich von dem Denken lösen, wem der Kunde gehört. Vielleicht teilt man sich ihn auch. Wenn ihn der ÖPNV vermittelt, ist es ein ÖPNV-Kunde und wenn er Uber nutzt, ist es unser Kunde. Da sind wir offen. Der Verteilungsgedanke ist falsch in einem Land, wo fast 50 Millionen Pkw fahren. Wir müssen versuchen zueinander zu kommen und attraktive Produkte zu bauen und den Kunden aus dem dem Auto heraus locken.

Bild: Uber / Thomas Koehler / photothek.net