Laternenmasten werden zur Ladestation: Das Startup Ubitricity schafft Infrastruktur für Elektromobilität.
Laternenmasten werden zu Ladepunkten: Das Startup Ubitricity schafft Infrastruktur für Elektromobilität.

1.000 Laternenmasten sollen in Berlin in den nächsten zwei Jahren zu Ladestationen für Elektroautos umgebaut werden. Weitere 600 Anschlüsse sollen auf Privatgeländen dazu kommen. So sieht es das Programm „Saubere Luft“ des Bundeswirtschaftsministeriums vor, an dem sich das Startup Ubitricity erfolgreich beteiligt hat.

Dem Berliner Startup ist damit ein großer Wurf gelungen. Seit zehn Jahren werben die Gründer Knut Hechtfischer und Frank Pawlitschek für ihre Idee, Laternenmasten zu Ladestationen auszubauen. Wie so oft im Leben zählte auch hier der Prophet im eigenen Land wenig. Hechtfischer musste nach London gehen, um die Machbarkeit der Idee zu beweisen. Dort zeigte sich die Stadt begeistert von der Idee der dezentralen Ladeinfrastruktur. Mehr als 1.000 Laternen in der britischen Hauptstadt sollen umgerüstet werden. Im November gingen die ersten 60 Stationen im Bezirk Southwark ans Netz. Zum Vergleich: Die Berliner Behörden konnten bisher gerade mal zu 30 Ubitricity-Ladesteckdosen in Laternen überredet werden.

Ladekabel mit Stromzähler

Kernstück der Technologie ist ein Steuergerät mit einem elektronisch vernetzten Stromzähler, der in das Ladekabel des Elektroautos integriert ist. Das Steuergerät startet und beendet den Ladevorgang, sendet Kundendaten und Verbrauchswerte via Mobilfunk an den Stromanbieter, der die Energiekosten abrechnet. Ubitricity fungiert dabei als Infrastrukturanbieter und stellt seine Technologie Stromanbietern zur Verfügung. 

Die Wechselspannungs-Ladesäulen von Ubitricity im 230-Volt-Netz sind nicht die schnellsten. Bei einer Leistung von 3,7 Kilowatt ist Schluss. Aber das ist auch egal. Denn der durchschnittliche Privat-Pkw steht mehr als 20 Stunden am Tag auf dem Parkplatz – genug Zeit, um eine leere Batterie wieder aufzuladen. Zudem schont langsames Laden den Akku. Auch Ubitricity betrachtet diese Technologie nur als „Teil der Lösung“, wie es im Unternehmen heißt. Wer es eilig hat und mit dem Elektroauto große Entfernungen zurücklegen muss, wird am Laternenladen wenig Freude haben. Doch für den urbanen Verkehr mit kurzen Strecken und großen Standzeiten ist dieses Angebot ein Beitrag.  

Sofortprogramm für Elektromobilität

Das vom Bund im November 2017 verabschiedete „Sofortprogramm Saubere Luft“ hat sich das Ziel gesetzt, für bessere Luft in Städten zu sorgen. Gefragt waren Konzepte für die 90 Kommunen mit den schlechtesten NOx-Werten, also den Messungen für Stickoxide, darunter auch Berlin. Das jetzt genehmigte Projekt zielt darauf ab, in Berlin zeitnah kosteneffiziente Ladeinfrastruktur mit Abrechnung aufzubauen, um damit den Ausbau der Elektromobilität signifikant zu fördern.

Denn die Verbraucher werden erst dann auf Elektromobilität umsteigen, wenn sie dem Mobilitätsversprechen dieser Technologie vertrauen. Das erfordert zum einen Fahrzeuge mit einer größeren Reichweite (die in diesem Jahr auf den Markt kommen) und zum anderen eine verlässliche wohnortnahe Ladeinfrastuktur. Hier geht der Bund nun in Vorleistung und schafft 1.600 Ladepunkte. Das sind weit mehr als bislang im Eckpunktepapier des Senats von 2017 vorgesehen waren. In Berlin gibt es nach Angaben der Senatsumweltverwaltung derzeit rund 240 be-emobil-Ladeeinrichtungen im öffentlichen Raum. Ziel ist die Errichtung von bis zu 587 Ladeeinrichtungen im öffentlichen Raum bis Mitte 2020. Beim Ausbau verfolgt das Land die Strategie, dass alle Verbraucher überall auf die gleiche Weise laden können  – anders als bei Ubitricity, wo eine spezielle Hardware erforderlich ist, um die Ladepunkte nutzen zu können. 

Ladestation alle 2 Kilometer

Doch was bedeuten diese Zahlen? Wenig. Projiziert man die bestehende Planung und das neue Programm zusammen auf das Berliner Straßennetz mit einer Länge von insgesamt 5.300 Kilometern, so kommt rechnerisch etwa eine Ladestation auf zwei Straßenkilometer. Man muss von der Elektromobilität schon sehr überzeugt sein, wenn man umsteigt und dann diese Entfernung in der Hoffnung zurücklegt, eine freie Ladestation zu finden. Heute mag das noch erfolgreich sein. Denn die Zahl der in Berlin angemeldeten Elektrofahrzeuge beläuft sich auf nur etwas mehr als 2.000 (plus 1.400 hybridelektrische Fahrzeuge, Stand: Januar 2018).

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Um das vom Bund erklärte Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen bis 2020 in Deutschland zu erreichen, müssen weitere massive Anstrengungen beim Ausbau der Infrastruktur folgen. Denn laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sind derzeit erst 54.000 reine Stromer und 237.000 Hybride in Deutschland zugelassen – also etwa ein Drittel der angepeilten Zahl. Ihnen stehen 9.000 Ladestationen zur Verfügung. Wenn das Netz der Ladestationen nicht zügig weiter ausgebaut wird, drohen Engpässe. Die Industrie hat das erkannt und in Eigenregie das Projekt Ionity aufgesetzt, dass 400 Schnell-Ladepunkte an Autobahnen bauen soll.  

Oslo als Vorbild für Elektromobilität

Wie man es besser machen könnte, zeigt der Blick nach Norwegen. 39 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge waren 2017 dort reine Stromer, in der Hauptstadt Oslo sogar jedes zweite. Neun Prozent aller Autos dort sind rein elektrisch, sieben Prozent sind Plug-in-Hybride. Allerdings stößt die Ladeinfrastruktur dort inzwischen an ihre Grenzen. „Die Anzahl der verfügbaren Ladestationen pro Fahrzeug ist von einem Ladegerät pro vier Autos auf ein Ladegerät pro 10 Autos gesunken“, heißt es in einem Bericht des Weltwirtschaftsforums. Der Stadtrat beschloss dort, den Bau neuer Ladestationen zu verdreifachen und verstärkt Schnelllader (mit 7,4–22 kW) einzusetzen.

Bilder: Ubitricity, Jürgen Stüber
Update-Hinweis: Dieser Beitrag wurde am 14. Januar 2018 mit Neuen Zahlen des Landes Berlin aktualisiert.