Die Urwahn-Gründer Sebastian Meinecke und Ramon Thomas
Die Urwahn-Gründer Sebastian Meinecke (l.) und Ramon Thomas fertigen seit diesem Jahr ein E-Bike im 3D-Druck-Verfahren.

Die Corona-Pandemie hat vielen Branchen geschadet, der deutschen Fahrrad-Industrie aber sicherlich nicht. Die Absätze sind seit dem Frühjahr noch einmal nach oben geschossen – vor allem E-Bikes sind gefragt. Auch bei dem jungen Fahrradbauer Urwahn aus Magdeburg stapeln sich aktuell die Aufträge. Das 2017 gegründete Startup bietet seinen Kunden ein ganz besonders Produkt: Fahrräder aus dem 3D-Drucker. 

Der 3D-Druck wurde bereits in den 1980er Jahren in den USA entwickelt und zunächst in der Raumfahrt genutzt, um einzelne teure Bauteile herzustellen. Inzwischen werden ganze Häuser gedruckt. Als Werkstoffe dienen heute Kunststoffe, Kunstharze, Keramiken und Metalle, die in mehreren tausend Schichten nach einen vorgegebenen Plan aufgetragen werden. „Beim Fahrrad sind wir jedoch die ersten, die so einen Rahmen in Serie herstellen“, sagt Firmengründer Sebastian Meinecke zu Gründerszene. Das bestätigt auch der Branchenverband. „Einige Fahrradhersteller fertigen ihre Prototypen mit dem 3D-Drucker“, so David Eisenberger, Leiter Marketing beim Zweirad-Industrie-Verband. In Serie gebe es bei anderen Herstellern jedoch noch keine 3D-Bikes. 

Licht und Batterie im Rahmen integriert

Urwahn hat seine Büros in einer Villa in einem Industriegebiet im Norden Magdeburgs. An der Wand hängen Fahrräder, an einem metergroßen Whiteboard sind die Pläne für einen neuen Online-Auftritt verschriftlicht und auch ein Kickertisch fehlt nicht. „Den benutzen wird aber nur noch zur Ablage“, so Meinecke. „Uns fehlt die Zeit.“ Der 32-Jährige, der bei seinem Sport-und-Technik-Studium bereits konventionelle Fahrräder auf Anfrage fertigte, wollte schon immer seine eigene Fahrradfirma aufbauen. „Doch die Anschaffung von Maschinen für eine konventionelle Herstellung geht in die Millionen“, so der Gründer. Also suchte er nach Alternativen. Er lernte den BWL-Student Ramon Thomas kennen, der sich mit 3D-Druck-Materialien beschäftigte. Zusammen gründeten sie Urwahn. 

Lest auch

Im vergangenen Jahr brachten die Magdeburger ihr erstes Produkt auf den Markt, in diesem Jahr folgte die E-Bike-Variante. Beiden Modelle haben das puristische Aussehen gemeinsam. „Wir haben Teile reduziert und in den Rahmen integriert“, erklärt Meinecke. Die Rahmenform sei organisch: Das heißt, ein geschwungener Stil, der sich „so nur mit dem Drucker herstellen lässt“. Das hintere Licht und die Batterie wurden beispielsweise in den Rahmen integriert. Beim E-Bike muss man zweimal hinschauen, um zu erkennen, dass es einen elektrischen Antrieb verbaut hat.

Die E-Bikes haben eine geschwungene Form und sind eher minimalistisch.

Die Produktion lagert Urwahn aus. Die Herstellung der Rahmen übernimmt ein Dresdner Unternehmen, das 3D-Druckteile bereits für die Automobil- und Raumfahrtindustrie fertigt. Diese werden dann vom Leipziger Unternehmen Rotorbikes geschweißt und gelötet. Nur die Endmontage der Räder findet in Magdeburg statt. „Jedes Fahrrad ist in dem Sinn eine Einzelanfertigung“, sagt Meinecke. Nur durch diese Arbeitsteilung sei eine wirtschaftliche Produktion möglich. Urwahn – der Name leitet sich aus den Begriffen Urbanität und Wahnsinn ab – beschäftigt aktuell sechs Mitarbeiter.

Ziel erreicht: 120 Räder in neun Monaten

Vom neuen E-Bike wurden laut Thomas in diesem Jahr 70 Stück verkauft. Mit einem Preis von 4.500 Euro bewegt sich das 3D-Bike damit im oberen Mittelklassesegment. Laut Erhebungen verschiedener Händler liegt der Durchschnittspreis für ein E-Bike in Deutschland inzwischen bei rund 3.200 Euro. Insgesamt hat das Startup 120 Räder aus beiden Kollektionen verkauft. „Damit haben wir Ende September schon unser Ziel für das Jahr 2020 erreicht“, so Thomas. 

Lest auch

Das junge Unternehmen profitiert dabei auch vom E-Bike-Boom in der Corona-Pandemie. Im ersten Halbjahr 2020 wurden laut Zweirad-Verband in Deutschland rund 1,1 Millionen E-Bikes verkauft. Das entspricht einem Zuwachs von knapp 16 Prozent zum Vorjahreszeitraum. „Viele Menschen meiden es derzeit in Städten mit Bus und Bahn zur Arbeit zu fahren und sind auf das E-Bike umgestiegen“, sagt David Eisenberger vom Zweirad-Industrie-Verband zu Gründerszene. Auch für sportliche Aktivitäten werde das Fahrrad aktuell mehr genutzt. „Abstand halten ist beim Fahrradfahren möglich“, so Eisenberger. In der Pandemie würden sich bestehende Trends auch fortsetzen: „So geben die Kunden immer mehr Geld für neue Fahrräder aus.“ 

Investment von BMP Ventures

Um sich von anderen zu unterscheiden, suchen viele Fahrradfans das besondere Bike und werden bei Urwahn fündig. „Unsere Kunden kommen aus allen Landesteilen“, sagt Thomas. Einige würden extra nach Magdeburg reisen, um die Modelle zu testen. Laut Meinecke finden es viele Kunden schön, „mit den Entwicklern direkt in Kontakt zu kommen“. Das sei bei der derzeitigen Größe möglich.

Für die Aufbauphase hat das Unternehmen laut Thomas bereits eine Finanzierung gesichert. Das Startup hat nach eigenen Angaben einen sechsstelligen Betrag von BMP Ventures erhalten. Zudem gehören die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Sachsen-Anhalt und mehrere Business Angels zu den Geldgebern. Ziel des Unternehmens ist es, in den kommenden Jahren die Umsätze jährlich zu verdoppeln. Ein Massenhersteller will Urwahn allerdings nicht werden. Gründer Meinecke: „Unser Ziel ist es, ein Spezialist zu bleiben.“ 

Lest auch

Bilder: Urwahn