Bei jeder Neuvorstellung eines Fahrzeugs rühmen sich die Hersteller, die Verbrauchswerte gesenkt zu haben. Und damit auch den CO2-Ausstoss insgesamt. Tatsächlich stehen Autofabrikanten auch unter gehörigem Druck: Die EU schreibt vor, dass die gesamte Fahrzeugflotte der Neuwagen seit diesem Jahr im Schnitt nicht mehr als 130 Gramm CO2 ausstoßen darf. Ab 2021 sind es dann nur noch 95 Gramm. Das erreicht man nur, in dem man den Gesamtverbrauch aller Neuwagen dramatisch absenkt. Ein Instrument dafür war bisher der sogenannte NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), nach dem seit 1996 die Werksangaben des Verbrauchs gemessen werden.

Die Messung war schon immer ein Witz. Sie dauert 20 Minuten, dabei darf das Auto 25 Prozent der Zeit stehen. Die durchschnittliche Geschwindigkeit beträgt 34 km/h, maximal werden 120 km/h erreicht. Getestet wird mit einem quasi leeren Auto, ohne jegliche Zusatzausstattung wie Klimaanlage, Infotainmentsystem usw. Dazu gibt es diverse Tricks: So erhöht man den Reifendruck bis an die erlaubte Grenze, um den Rollwiderstand zu verringern. Getestet wird außerdem auf einem Rollenprüfstand, ohne jegliche Witterungseinflüsse.

Am Ende erhält man dann Mondwerte, wie die des Audi RS6 Avant. Der knapp zwei Tonnen (Leergewicht) schwere Kombi, dessen 4-Liter-V8-Turbo 560 PS leistet, soll laut NEFZ nur 9,8 Liter verbrauchen. Noch irrwitziger sind die Messverfahren für Plugin-Hybride. So kommt es dann, dass der Porsche 918 Spyder, dessen Benziner 608 PS leistet, einen Durchschnittsverbrauch von 3 Litern hat. Jeder VW Up verbraucht mehr. Der kleine, 129 PS leistende E-Motor des Porsche, mit dem der Wagen ganze 25 Kilometer rein elektrisch fahren kann, macht es möglich, dass man Verbrauchswerte aus dem Reich der Fantasie angeben kann.

Das der NEFZ Quatsch ist, geben selbst die Hersteller zu. Dennoch sei ein Vergleich möglich, weil nun einmal die gesamte Industrie den Standard nutzen würde. Frei nach dem Motto: Wenn sich alle den Verbrauch schön rechnen, ist es keine Lüge mehr. Dass der NEFZ aber auch so gar nichts mit dem Alltag zu tun hat, ist allen klar. Die realen Verbrauchswerte, und damit auch die sehr wichtigen CO2-Emissionen, liegen um Schnitt 30 Prozent höher.

Abhilfe soll ein neuer Fahrzyklus schaffen, der sogenannte Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure, kurz WLTP-Zyklus. Hier wird zehn Minuten länger gefahren, die Standzeiten werden auf 13 Prozent der Fahrzeit reduziert und die Durschnittsgeschwindigkeit beträgt 47 km/h statt 34 km/h. Zusatzausstattungen werden im WLTP ebenfalls berücksichtigt, allerdings nicht die Klimaanlage. Experten schätzen, dass die im WLPT gemessenen Verbräuche um cirka 25 Prozent ansteigen werden. Damit würden die Angaben der Hersteller wieder einigermaßen realistisch werden.

Doch die Einführung des WLPT verzögert sich. Man ringt schon seit Ende 2010 um Grenzwerte, Ausnahmen und Kommastellen. Das Problem der Hersteller sind dabei nicht die Kunden, sondern die Grenzwerte der EU in Sachen CO2. Wird dank des WLPT-Zyklus ein höherer Verbrauch gemessen, steigt logischerweise auch der CO2-Ausstoss. Würden die Verbräuche schlagartig um 25 Prozent ansteigen, wird die ab 2021 fällige 95 Gramm Grenze zu einer Utopie. Daher hat die Bundesregierung bei der EU in Sachen WLPT erst einmal ein Veto eingelegt.

Die Anstrengungen der Regierung scheinen erfolgreich zu sein. Laut den letzten Informationen kommt der WLPT zwar ab 2017, der CO2-Ausstoss soll aber paradoxerweise weiterhin nach dem alten NEFZ-Verfahren gemessen werden. Das hat zwei Vorteile: Zum einen kann man sich den CO2-Ausstoss weiter schön rechnen, zum anderen spart der Verbraucher. Da die Kfz-Steuer an die CO2-Emissionen gekoppelt ist, würde sich die Steuer durch die Einführung des WLPT auch um die geschätzten 30 Prozent verteuern.

Dass die CO2-Emissionen in der Realität aber weiter höher liegen, als man sich in der Theorie vorrechnet, scheint dabei unter den Tisch zu fallen. Das Umweltbundesamt hat in seiner neuesten Umweltstudie festgestellt, dass der spezifische CO2-Ausstoss seit 1995 zwar um 12 Prozent zurückgegangen ist, der Gesamtausstoß, verglichen mit 1995, aber nur um 2 Prozent. Woran liegt das? Laut Umweltbundesamt fahren seit 1995 mehr Autos auf den Straßen und die Deutschen neigen dazu, größere Modelle (zum Beispiel SUVs) zu fahren, die einen leistungsstärkeren Motor haben. Da auch die Daten des Amtes auf den NEFZ-Verbräuchen basieren, kann man sich vorstellen, wie die Zahlen sich bei einer anderen Messmethode verändern würden.

Den schwarzen Peter aber nur der Autoindustrie zuzuschieben, wäre nicht gerecht. Am Ende sind es die Käufer, die die Nachfrage bestimmen. Immerhin hatten fast alle Hersteller mal Versuche mit sehr sparsamen Fahrzeugen unternommen. Aber weder der 3-Liter-Lupo noch der Audi A2 fanden Käufer. Die finden halt weiter SUVs toll.

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