VW-GETT
VW-GETT Volkswagen-Chef Matthias Müller (rechts) mit Gett-Chef Shahar-Waiser

Smartphone-Revolution und Digitalisierung werfen auch die Regeln der Mobilität um – das versetzt nun auch die großen Autokonzerne in Aufruhr. Japans Autoriese Toyota hat sich an der Taxi-Konkurrenz Uber beteiligt, und auch Daimler zeigt sich seit Neuestem gerne im Glanz des wertvollsten Tech-Unternehmens abseits der Börse – und deutet Kooperationen an.

Digital ist sexy – und alle wollen dabei sein. Ein deutscher Autohersteller, der das früh erkannte, ist Daimler. Schon 2007 gründeten die Stuttgarter mit Moovel eine Digitaltochter, investierten in die Taxi-App MyTaxi, die Uber-Konkurrenz Blacklane und den Car-Sharing-Dienst Car2Go. BMW gilt beim Thema „Connected Car“ in Branchenkreisen als weltweit führend und hat mit „Drive Now“ ebenfalls ein Car-Sharing-Angebot. Volkswagen hat die Digitalisierung dagegen bislang weitgehend verschlafen.

Das scheint dem noch relativ neuen Volkswagen-Chef Matthias Müller auch aufgefallen zu sein. Die Reaktion wirkt jedoch eher wie hektischer Aktionismus als wie ein Masterplan zur Digitalisierung des Autokolosses. 300 Millionen Dollar investiert der Konzern in die israelische Uber-Konkurrenz Gett. Wie viel VW von dem deutlich kleineren Uber-Herausforderer dafür erhält, wurde nicht bekannt gegeben – nur, dass der Anteil „signifikant“ sei.

Volkswagen ist dabei wie so viele traditionelle Konzerne Getriebener der Digitalisierung. Wie andere Autohersteller fürchtet VW eine Welt, in der Mobilität immer mehr zu einer per Smartphone verfügbaren Dienstleistung wird und der Besitz eines Autos kein Statussymbol mehr darstellt. In dieser Welt wird es insgesamt weniger Autos geben.

Vieles deutet derzeit darauf hin, dass ein großer Teil dieser neuen Geschäftsmodelle in den Händen derjenigen landet, die sich mit der Digitalisierung auskennen: Google, Apple und Uber. Doch auch wenn man den anderen Autobauern ebenfalls Versäumnisse vorwerfen kann, agiert kein anderer deutscher Hersteller so verschlafen wie Volkswagen.

Scheitern von Gett in Deutschland fast programmiert

Auch wenn das Gett-Investment zunächst nach einem guten Plan klingt, entpuppt es sich bei näherer Betrachtung als blinder Aktionismus, der viel Unverständnis für die Marktprinzipien der Mitfahr-Apps offenbart. Müller kündigte den Europa-Start von Gett für 2017 an – mit einem Fokus auf den Heimatmarkt Deutschland.

Gett konnte in den USA dem weitaus größeren Konkurrenten Uber mit einer Mischung aus aggressiver Werbung und niedrigen Preisen Kunden streitig machen. „Die Konkurrenz, die wir nicht nennen wollen, zockt euch übermäßig ab“, wirbt Gett in New York für seine 10-Dollar-Flatrate, die für den gesamten Bereich in New York unterhalb der 110th Street gilt. Anders als Uber passt Gett seine Fahrpreise nicht der Nachfrage an.

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Das Desaster zum Deutschland-Start von Gett ist aber fast programmiert: Hierzulande wird Gett eine reine Vermittlungs-App für klassische Taxis. Der Platzhirsch in diesem Bereich ist Daimlers MyTaxi – und auch Uber und die Taxi-Zentralen selbst mischen in diesem Bereich mit.

MyTaxi beherrscht den Markt der Taxi-Apps

Mit dem üblichen Gett-Mix aus aggressiver Werbung und niedriger, transparenter Preise ist in Deutschland nichts zu machen, da die Preise für Taxis streng reguliert sind. Die Rabattaktionen von MyTaxi werden regelmäßig von Gerichten untersagt.

Gett wird daher – trotz des Geldes von Volkswagen – keinen Hebel haben, um in Deutschland MyTaxi relevante Marktanteile abzunehmen, zumal die hierzulande fast unbekannte Marke erst 2017 starten wird.

Geradezu peinlich ist es daher, wenn Volkswagen-Vertreter auf die Frage, ob das Investment zur richtigen Zeit kommt, allen ernstes von „genau dem richtigen Zeitpunkt sprechen“. Uber wurde 2009 gegründet und hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Zuletzt wurde das Unternehmen, das aber noch keinen Gewinn schreibt, mit rund 66 Milliarden Dollar bewertet.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Getty Images / JOHN MACDOUGALL