Waymo ist in den USA schon aktiv und baut sein Netzwerk aus

Eigentlich könnte man meinen, es gehe der Autoindustrie so gut wie schon lange nicht mehr. In China steigen die Absatzzahlen ebenso wie in den „Emerging Markets“. Dazu kommt, dass die Industrie vor einem gigantischen Wandel steht. Praktisch alle Privat-PKW werden in der EU und dem Markt in China in den nächsten 15 bis 20 Jahren gegen Fahrzeuge mit modernen Antrieben ausgetauscht. Da kann man sich also bequem zurücklehnen und sich freuen. Aber so einfach wird es nicht sein. Im Gegenteil. Auf die Industrie wartet ein neuer Verteilungskampf, der vor allem von anderen Technologiekonzernen und Startups angeschoben wird.

Seit knapp 100 Jahren galt nur ein Verkehrskonzept: das Auto. Um das Auto wurden Städte gebaut und Landschaften verschoben, damit die Verkehrswege Platz haben. Die Folgen dieser Konzentration sind bekannt. Städte und deren Einwohner stöhnen, weil sie in Staus gefangen sind oder abends keinen Parkplatz finden. Die an ihren Grenzen gestoßene Infrastruktur und die Diskussion und ein neues Umweltbewusstsein haben für ein Umdenken gesorgt. Metropolen und ihre Bewohner wollen weniger Autos in der Stadt haben. 

Sichtbar ist dies durch einen Rückgang der Neuwagenverkäufe in Metropolen, aber auch durch gesetzliche Maßnahmen wie Fahrverbote und Tempolimits, die immer populärer werden. Carsharing-Anbieter freuen sich derweil über Wachstumsraten jenseits der 20-Prozent-Marke. Dazu kommt der Angriff der asiatischen Mobilitätsdienstleister. Zurzeit überschwemmen Mietfahrräder den Markt, aber dabei wird es nicht bleiben. Vor allem im Bereich der Elektroroller erwartet man einen Angriff von chinesischen Herstellern, die mit billigen E-Rollern die Preise drücken werden. Gleichzeitig hat das BGH-Urteil von MyTaxi den Ridehailingmarkt geöffnet. Mit anderen Worten: Für viele Städter wird der Kauf eines eigenen Autos immer uninteressanter.

Startups verändern den Markt

Es sind vor allem bisher branchenfremde Unternehmen, die die Zukunft der Mobilität in Metropolen schon jetzt angehen. Startups drängen mit Fahrrädern und Motorrollern auf den Markt, Google beginnt in den USA mit seinen Ridesharing-Diensten Kunden zu gewinnen. Und dann darf man auch Uber nicht vergessen, das im Bereich Ridehailing vor allem in den USA und einigen europäischen Ländern eine starke Marktposition innehat. Auch hier ist aber Konkurrenz aus Asien zu erwarten, sei es durch Didi oder Ola.

Den drohenden Einbruch der Absatzzahlen versuchen die Hersteller auf zwei Wegen zu umgehen. Zum einen, indem sie eigene Carsharing- und Ridehailing-Dienste anbieten. Zum anderen wollen sie aber auch das eigene Kerngeschäft ankurbeln. Da der Besitz eines eigenen Autos immer mehr infrage gestellt wird, locken die Hersteller nun mit Abo-Modellen. Audi, BMW, Mercedes und auch Porsche bieten in einigen Gebieten ein Abo-Modell an. Der Kunde kauft kein eigenes Auto mehr, sondern mietet sich monatsweise den Wagen, den er benötigt. Im Winter einen SUV, im Sommer ein Cabrio.

Eine hübsche Idee, gäbe es nicht schon Startups, die mit ähnlichen Modellen experimentieren. Das hoch bewerte US-Unternehmen Fair.com vermittelt Gebrauchtwagen. Zwar erst einmal nicht als Abo-Modell, aber mit so kurzen Laufzeiten, dass man sich sein eigenes „Miet“-Modell zusammenstellen kann. Und das aus verschiedenen Marken. Und auch das Münchner Startup Cluno hat mit seinem Geschäftsmodell, einer Mischung aus Autoleasing und -vermietung, gerade sieben Millionen Euro von prominenten Investoren eingesammelt.

Den Herstellern wird in den nächsten Jahren nichts anderes übrig bleiben, als das eigene Geschäftsmodell weiter zu flexibilisieren. Mehr Abo-Modelle, mehr Carsharing, mehr Ridehailing und andere Mobilitätsangebote. Denn wenn die Industrie das nicht macht, werden Startups ihnen den Markt wegnehmen.

Don Dahlmann ist seit über 25 Jahren Journalist und seit über zehn Jahren in der Automobilbranche unterwegs. Jeden Montag lest Ihr hier seine Kolumne „Drehmoment“, die einen kritischen Blick auf die Mobility-Branche wirft.

Bild: Waymo