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Seit etwa einem Jahr mit der Volkswagen-Tochter WeShare auf dem Markt: CEO Philipp Reth

Vor einem Jahr startete Volkswagen (VW) das Carsharing-Unternehmen Weshare in Berlin. Im Vergleich zu Wettbewerbern setzt VW auf eine vollelektrische Flotte und eine andere Preisgestaltung. Mit 19 Cent pro Minute liegt das Unternehmen preislich im Mittelfeld aller Anbieter; pro Tag kostet ein E-Golf zurzeit 39 Euro ohne jegliche Kilometerbeschränkung. 

Wie hat sich das Geschäft für Weshare entwickelt und welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf das Carsharing gehabt? Philipp Reth (44), CEO von Weshare, hat im Gründerszene-Interview diese und andere Fragen beantwortet:

Philipp, Weshare ist seit 2019 auf dem Berliner Markt und bietet ein rein elektrisches Angebot. Der Wettbewerb dort ist groß. Wie hat sich Weshare bisher durchsetzen können?

Bis Anfang März hätte ich noch gesagt, dass wir sehr zufrieden sind. Bis zum Corona-bedingten Lockdown konnten wir vom Start an unsere Kundenzahlen und Fahrten stetig steigern und lagen nach neun Monaten bereits bei über 60.000 Kunden und bei rund fünf Anmietungen pro Fahrzeug und Tag. Auffällig dabei war vor allem die hohe Anzahl der aktiven Kunden, also der Kunden, die in den vorhergegangenen 30 Tagen mindestens einmal mit uns gefahren sind. Teilweise waren im Monat rund 50 Prozent unserer gesamten Kunden aktiv. Die Corona-Krise hat jedoch zu heftigen Turbulenzen geführt, auch bei uns. 

Wie stark hat die Pandemie euer Geschäft beeinflusst?

Wir hatten in den ersten Wochen nach dem Lockdown Einbrüche bei den Anmietungen um rund 50 Prozent. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, da es so gut wie keinen Mobilitätsbedarf mehr gab. Die Leute blieben einfach zu Hause. Andere Verkehrsmittel hatten ja sogar noch deutlich heftigere Einbrüche. Wir haben schnell reagiert, das Geschäftsgebiet temporär erweitert, den Stop-over-Preis auf fünf Cent verringert und beispielsweise Gutscheine an Klinikpersonal verteilt. Darüber hinaus auch an die Arche, die Berliner Tafel sowie für weitere Lebensmittelinitiativen. Das half zwar nicht auf der Einnahmeseite, unterstützte aber die Menschen aus systemrelevanten Berufen und führte dazu, dass die Fahrzeuge nicht ungenutzt stehen blieben und so noch höhere Parkkosten als eh schon generierten. Zudem haben wir so auch viele neue Nutzer für Weshare gewonnen, sodass wir Stand heute wieder auf dem Nutzungsniveau von vor der Krise sind.

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Wie schätzt du die weitere Entwicklung für dieses Jahr ein?

Die Einnahmeausfälle haben uns getroffen, das will ich nicht verschweigen. Von Seiten der Stadt Berlin gab es kein Entgegenkommen für die Carsharing-Unternehmen in der Krise. Auch wir mussten Liquidität sichern, unsere Mitarbeiter auf Kurzarbeit setzen und Neueinstellungen wie auch bestimmte Projekte zurückstellen. Kündigungen konnten wir so zum Glück vermeiden. Hinzu kommt, dass in einigen Ländern noch immer Kontaktsperren sowie Ausgangs- und Reisebeschränkungen bestehen. Angesichts dieser Planungsunsicherheiten haben wir uns entschieden, in diesem Jahr erst einmal keine weitere Stadt mehr zu eröffnen. Wir planen den Start unserer Internationalisierung nun neu ab dem kommenden Jahr, stabilisieren uns jetzt und entwickeln bis dahin unser Produkt weiter.

Kann man mit einem Preis von 19 Cent pro Minute profitabel sein? Die Konkurrenz verlangt für ähnlich teure Fahrzeuge das Doppelte. 

Wir hatten bereits angekündigt, dass wir in diesem Jahr ein neues Preismodell einführen werden. Aktuell ist dafür sicher nicht der richtige Zeitpunkt. Aber auch wir wollen und werden je nach Nutzungsmuster der Kunden noch passgenauere Preise einführen, die auch wirtschaftlich sind. Entscheidend ist beispielsweise die Frage, wie hoch die Kosten etwa für das Parken sind. Nahezu alle europäischen Metropolen fördern elektrische, geteilte Mobilität dadurch, dass sie dafür Parkgebühren reduzieren oder ganz abschaffen. Das setzt die richtigen Anreize und ist ein wesentlicher Hebel auf dem Weg in die Profitabilität. In Berlin genießen wir diese Unterstützung zwar nicht, es bleibt aber dabei, dass wir in jeder Stadt, in der wir starten, in wenigen Jahren profitabel sein wollen.

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Eine oft gehörte Kritik gegen über den Carsharing-Anbietern lautet, dass diese ein nur sehr kleines Geschäftsgebiet anbieten und gerade die Vororte nicht bedacht werden. Aber genau dort fehlen die Anschlüsse zu den Nahverkehrsangeboten. Wie kann man das Dilemma lösen? 

Diese Perspektive ärgert mich immer sehr. Unser Geschäftsgebiet reicht in Berlin von Zehlendorf bis Pankow und von Westend bis Lichtenberg. Damit erreichen wir rund 1,8 Millionen Menschen und decken so nahezu die Hälfte der Berliner Bevölkerung ab. Das Konzept des Free-Floatings lebt von der sicheren Verfügbarkeit an Fahrzeugen in dicht besiedelten Stadtgebieten, wo auch verschiedene Nutzungsfälle gegeben sind. Gerade in den innerstädtischen Gebieten braucht man kein eigenes Auto. Wir können hier eine gute Alternative sein und so auch den Parkplatzbedarf in der Innenstadt verringern. Ein Betrieb in den Außenbezirken ist wirtschaftlich im Carsharing kaum darstellbar. Das hat die Vergangenheit gezeigt. Wenn die Politik wünscht, dass wir auch am Stadtrand aktiv sind, dann müssen wir uns darüber unterhalten, wie man sowas wirtschaftlich darstellen kann.

Wollt ihr euer Geschäftsgebiet auf die Vororte ausweiten?

Man kann von privaten Unternehmen einerseits nicht erwarten, dass sie profitabel arbeiten, gleichzeitig aber Aufgaben der Daseinsvorsorge in den Randgebieten der Städte wahrnehmen sollen. Selbst der öffentliche Nahverkehr schafft dies nur unzureichend, trotz hoher Millionenzuschüsse aus dem öffentlichen Haushalt. Weshare zahlt jedes Jahr eine signifikante Millionensumme für Parkgebühren an die Stadt. Hier wird oft eine sehr scheinheilige Diskussion geführt.

 

Zum Start von Weshare hieß es, dass weitere Fahrzeuge folgen sollen. Ist der Ausbau der Flotte wegen der Krise verschoben oder sogar komplett gestrichen?

Hier wird es zwar auch zu Verzögerungen kommen. Der E-Up und der ID.3 sind aber nach wie vor fest bei uns eingeplant.

E-Scooter und E-Motorroller sind ebenfalls sehr erfolgreich. Strebt Weshare hier eine eigene Flotte an?

Das wäre denkbar. Wir werden in Kürze neue Produkt-Features einführen und wir schauen uns auch produktnahe Bereiche im sogenannten Vehicle-on-demand-Umfeld an. Perspektivisch würden auch wir gern ein multimodales Portfolio anbieten mit verschiedenen Fahrzeugen und Angeboten auf einer Plattform. Mit einem singulären Produkt allein sind die Effekte auf die Städte begrenzt.

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Was wünscht du dir von den Kommunen, damit das Carsharing noch mehr Zuspruch erfährt?

Zunächst mal eine Zielvision, wo die Reise eigentlich hingehen soll. Und dann eine realistische Debatte, wie Carsharing im Rahmen einer städtischen Gesamtstrategie wirken kann. Man kann zwar nicht alle Kommunen über einen Kamm scheren, derzeit ist beides aber häufig nicht gegeben. Wir reichen unsere Hand zum Dialog und unternehmen das Mögliche, um einen positiven Beitrag für die Kommunen zu leisten. Carsharing, elektrisch und geteilt, nachhaltiger geht es derzeit kaum.

Wie soll das funktionieren?

Wichtig ist jetzt, dass die Kommunen die Möglichkeiten des Carsharing-Gesetzes anwenden und etwa Parkplätze für Free-Floating-Anbieter und stationsbasierte Unternehmen über die gesamte Stadt ausweisen, am besten auch gleich mit Ladesäule. Beide Angebotsformen ergänzen sich übrigens ideal. So bekämen Nutzer von Carsharing-Angeboten einen Vorteil, ohne dass Anwohner mit eigenem Auto einen nennenswerten Nachteil hätten. Allein diese kleine Maßnahme hätte einen ungleich größeren positiven Effekt auf die Nutzung nachhaltiger Carsharing-Systeme.

Bild: WeShare
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