Bitte lächeln! Die Fineway-Gründer Markus Bohl (r.) und Markus Feigelbinder wollen mit künstlicher Intelligenz „perfekte Matching-Vorschläge“ für Fernreisen bieten

Alle elf Minuten verliebt sich ein Single, heißt es in der Werbung. Was wirklich dran ist, sei mal dahingestellt. Eines muss man den Partnerbörsen jedoch lassen: Sie haben vorgemacht, wie mit ein paar Informationen über die Vorlieben des Nutzers eine Liste aus relevanten Partnern zusammengestellt wird. Ein Münchner Startup hat dieses Prinzip einen Schritt weitergedacht und auf die Reisebranche übertragen.

Millionen Menschen suchen jedes Jahr nach dem perfekten Urlaubsziel. Allein im Jahr 2017 haben die Deutschen rund 65 Milliarden Euro für Urlaube ausgegeben, so der Deutsche Reiseverband (DRV).

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Wer sich selbst im Netz auf die Suche begibt, hat erst noch Dutzende Konfiguratoren einzustellen, Hunderte Optionen zu prüfen und viel Kleingedrucktes zu lesen. Wer darauf keine Lust hat, muss etwas mehr Geld in die Hand nehmen und geht ins Reisebüro. Eine dritte Variante, die beide Reiseplanungen miteinander verbindet, will das Startup Fineway bieten. Künstliche Intelligenz und ein besonderes Beratungsverfahren sollen es in etwa drei Minuten möglich machen, das perfekte Reiseziel zu finden. „Wir vergleichen keine existierenden Angebote im Netz, sondern erstellen mit nur zehn individuellen Fragen ein personalisiertes, direkt buchbares Reiseangebot“, erklärt Gründer Markus Feigelbinder. Welche Zeitung liest du morgens? Was ist deine Lieblingsweinsorte? Mit solchen Fragen wird der urlaubswillige Fineway-Besucher von einer künstlichen Intelligenz gleich zu Beginn des Prozesses ausgefragt.

Welche Fragen gestellt werden, hänge von der Anfrage und dem Nutzerverhalten ab, erklärt der Gründer. Letztlich entscheidet die lernfähige KI darüber. „Die Welt ist vermessen. Wir erfinden keine neuen Länder, bauen keine neuen Hotels oder geben auch keine noch geheimeren Reise-Tipps“, sagt Feigelbinder. Es gehe allein um die maximale Relevanz und das beste Angebot für den Nutzer. Fineway will durch die Fragen über den Nutzer seine „Travel-DNA“ bestimmen. Was am Ende für den Urlaubssuchenden rauskommt, sind nach Ansicht des Startups die perfekten Matching-Vorschläge für hochpreisige Fernreisen. Was der User nicht sieht, sind Datenberge aus den Online-Angeboten, die durchforstet und nach der größtmöglichen Übereinstimmung den Vorlieben zugeordnet werden.

03 – Fineway

Score: 76,08 (CAGR: 800%)
Gründungsjahr: 2015
Firmensitz: München
Branche: Travel
Webseite: www.fineway.de

Das Verfahren dahinter nennt sich Attributierung. Fineway geht hier ähnlich wie eine Meta-Suchmaschine oder Aggregations-App vor. Durch Schnittstellen, die an bekannten Plattformen wie Expedia oder Airbnb andocken, werden die Daten in Echtzeit zusammengeführt und ausgewertet. Hiervon würden beide Seiten profitieren, erklärt Gründer Markus Bohl. Denn gebucht wird am Ende immer noch über die Online-Anbieter. So wie Flixbus keine eigenen Busse betreibt, verwaltet auch Fineway keine einzige Reisekomponente selbst. Das Startup greift lediglich auf das zu, was im Netz ohnehin angeboten wird. Die KI soll dabei den Durchblick behalten. „Basierend auf dem vom Algorithmus erstellten Reiseplan, kauft das System alle benötigten Reisekomponenten zu den günstigsten Großhandelspreisen in Echtzeit ein und verkauft diese dann als individuelle Komplettreise zum Marktpreis an den Kunden“, erklärt Feigelbinder das Geschäftsmodell.

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Sein Partner und Mitgründer Markus Bohl ergänzt, dass die Attributierung sehr kostspielig und aufwendig sei. „Wir haben die letzten drei Jahre investiert, um Inventar-Plattformen, Datenquellen und Algorithmen so zu integrieren, dass eine Reiseplanung in zehn Fragen erst möglich wird.“ Außerdem muss die KI lange trainiert werden, um Ergebnisse zu erzielen, die an menschliche Vorschläge heranreichen. Das meiste Geld des Investments sei dafür eingesetzt worden. Vor etwa einem Jahr haben die Münchner sieben Millionen Euro von Bayern Kapital, Axel Springer, MairDumont Ventures und verschiedenen Family Offices erhalten. Kürzlich wurde die Runde um weitere sieben Millionen aufgestockt. Das neue Investment fließe dieses Mal auch in den Ausbau des Services, so Bohl.

Sobald der Nutzer die zehn Fragen beantwortet und sich für eine Option entschieden hat, bekommt er die Möglichkeit, sich telefonisch mit einem sogenannten Travel-Designer in Verbindung zu setzen. Durch die Digitalisierung ist die Anzahl der stationären Reisebüros in Deutschland von 14.235 Filialen im Jahr 2002 auf 9829 in 2014 geschrumpft. Seitdem ist die Anzahl wieder leicht gestiegen. So sollen es 2017 um die 11.116 Filialen gewesen sein. Laut einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom bucht weiterhin knapp die Hälfte aller Urlauber ihre Reise stationär. Menschen bevorzugen es, von anderen Menschen beraten zu werden – und nicht von Robotern. Das haben auch die Macher von Fineway erkannt. Darum springt die KI lediglich am Anfang ein, um lästige Nachfragen zu umgehen.

Für die Details der bereits in Augenschein genommenen Reise springt der Travel-Designer ein. Er ist jemand, der das Land als Einheimischer kennt oder jahrelang dort gelebt hat. „Beispielsweise kann ich meinen Chile-Reisevorschlag mit einem Chilenen perfektionieren. Das kann weder ein Reisebüro noch eine Buchungsplattform bieten“, behauptet Feigelbinder. Zwanzig Travel-Designer seien für das Startup derzeit beschäftigt und gingen mit dem potenziellen Kunden die speziellen Wünsche für derzeit ­15 verfüg­bare Länder durch. Im kommenden Jahr sollen es 50 Länder werden.

Der Service kann kostenlos in Anspruch genommen werden, auch wenn es am Ende nicht zur Buchung kommt. Letztlich lernt die KI durch die Interaktion – „die Learning-Daten sind das eigentliche Asset“. Die Informationen über die Vorlieben und Gewohnheiten des Nutzers seien das Wertvolle. Nach eigenen Angaben werden die Kundeninformationen aber nicht an Dritte weitergeben. „Wir machen monatlich einen siebenstelligen Umsatz, verdoppeln bis verdreifachen diesen jedes Jahr“, so Bohl. Und das seien nur Testumsätze, ergänzt Feigelbinder. Über die Conversion-Rate schweigen sich die beiden aus. Derzeit würde eine fünfstellige Anzahl von Kunden den Service nutzen. Bislang kann die gesamte Reisplanung vom Flug bis zu den Aktivitäten wie Surf-Camp oder Autovermietung noch nicht abgebildet werden. Die ersten Angebote beschränken sich auf einzelne Reiseziele sowie Flüge und Hotels.

Die komplette Reisekette soll ab Dezember verfügbar sein, heißt es von dem Startup. Bislang wird damit vor allem ein Klientel angesprochen, das sich seine Reise einige Tausend Euro kosten lässt. Sobald die KI vollständig einsatzbereit sei und genug Datenpunkte vorliegen, will das Startup auch Reisende mit einem kleineren Budget mitnehmen. Ob sich bald alle drei Minuten ein Urlauber in eine Reise verguckt, muss das Startup also erst unter Beweis stellen.

Fotos: Thomas Wieland