Stolze Neugründer: Björn Kolbmüller (links) und Paul Schwarzenholz kurz nach dem Flaconi-Start im Jahr 2011.
Stolze Neugründer: Björn Kolbmüller (links) und Paul Schwarzenholz kurz nach dem Flaconi-Start im Jahr 2011.

Ein Onlineshop für Parfum – keine besonders innovative Idee, würde man heute sagen. Doch neun Jahre nach dem Start macht das Berliner Unternehmen, das seit 2015 vollständig dem Konzern Prosieben gehört, einen Millionengewinn – und die Prognosen deuten steil nach oben. Wie wurde aus einem einfachen Onlineshop ein Multimillionen-Business? Ein Rückblick.

Um die Jahre bis zum Exit an Prosieben Revue passieren zu lassen, trafen wir uns mit den Gründern Paul Schwarzenholz und Björn Kolbmüller. Die beiden verließen Flaconi 2016, seitdem bauen sie ihr neues Startup Zenloop auf.

  • 2010 

    Es ist ihr ganz persönliches Nikolausgeschenk: Am 6. Dezember 2010 gründen Paul Schwarzenholz und Björn Kolbmüller Flaconi. Die beiden kennen sich durch ihr gemeinsames Studium an der Leipziger Universität HHL. Danach ging Schwarzenholz in die Beratung, Kolbmüller verantwortete bei Procter & Gamble das Thema Luxusdüfte.

  • 2011

    Die ersten Flaconi-Monate verbringen die Gründer und zehn Praktikanten als Untermieter im Büro des Brillen-Onlinehändlers Mr. Spex. „Wir saßen mit zwölf Leuten auf zwölf Quadratmetern, an jedem Schreibtisch arbeiteten zwei. Das war absurd“, erinnert sich Schwarzenholz. Anfang des Jahres launcht das Team seinen ersten Onlineshop. Gleich zum Start überzeugt es die Branchengrößen L’Oréal, Procter & Gamble und Coty von einer Zusammenarbeit. Im Frühsommer gibt es die erste Finanzspritze, unter anderem von Mr.-Spex-Gründer Dirk Graber und den Trivago-Gründern. Mitte des Jahres zieht Flaconi in ein Büro auf der Torstraße in Berlin-Mitte. Der Umsatz im ersten Geschäftsjahr: 400.000 Euro.

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  • 2012

    Ab Mai bietet Flaconi Parfums von Chanel an. Klingt unspektakulär, doch Schwarzenholz und Kolbmüller bezeichnen die Partnerschaft mit dem Modekonzern aus Frankreich rückblickend als „das wichtigste Ereignis in der Flaconi-Geschichte“. Neben dem Startup hatte bis dato nur ein anderer Onlinehändler, Douglas, Chanel von einer Zusammenarbeit überzeugt. Die Produkte der Luxusmarke kurbeln das Wachstum an, in diesem Jahr wird Flaconi 2,4 Millionen Euro umsetzen. Zudem beginnt das Startup, TV-Werbung zu schalten – den ersten Spot produziert es „mit einem Budget von 1.000 Euro“. Dann steigt Prosieben mit einem Media-for-Equity-Investment ein. Qualität und Quantität der Spots steigen. Das Büro in Mitte wird indes zu klein. „Wir hatten auf 210 Quadratmetern Lager, Logistik und 45 Mitarbeiter, konstante 35 Grad im Büro und haben Bewerbungsgespräche unten vorm Späti gemacht“, sagt Kolbmüller. Die einzige Lösung: der Umzug in ein großes Büro in Kreuzberg.

  • 2013 – 2014

    Prosieben hält nun rund elf Prozent der Anteile an Flaconi. Inzwischen arbeiten 100 Mitarbeiter für das Startup, der Umsatz steigt 2013 auf 7,8 Millionen Euro. Doch das Jahr 2014 beginnt schleppend: Eine Finanzierungsrunde verzögert sich. „Uns wäre fast das Geld ausgegangen“, sagt Kolbmüller. Im Mai übernimmt Prosieben 47 Prozent von Flaconi. Am Jahresende nehmen Konzern und Startup die Verhandlungen für eine Übernahme auf. Der Jahresumsatz liegt bei zwölf Millionen Euro – für die Gründer zu wenig: „Wir wollten mindestens um 100 Prozent wachsen.“ Damals entwickeln sie eine Software, die ihnen helfen soll, mehr Kunden zu Bestandskunden zu machen. Sie ist die Grundlage für das Startup Zenloop, das Schwarzenholz und Kolbmüller nach dem Exit gründen werden.

    47 – Flaconi

    Score: 28,62
    Gründungsjahr: 2010
    Kategorie: Lifestyle, Travel & Consumer Goods
    Webseite: www.flaconi.de

  • 2015

    Im April sichert sich Prosieben 100 Prozent der Anteile an Flaconi. Zum Kaufpreis sagen die Gründer bis heute nichts. Branchenkenner schätzen die Summe auf 30 bis 40 Millionen Euro – eine Zahl, die Schwarzenholz und Kolbmüller zumindest nicht dementieren. Die beiden halten beim Exit noch jeweils rund zehn Prozent. Beim Verkauf ist bereits klar, dass sie nur noch zwölf Monate dabei sein werden. Flaconi verzeichnet indes ein fast dreifaches Umsatzwachstum auf 33 Millionen Euro und ist erstmals profitabel. „Ein cooles letztes Jahr“, sagt Schwarzenholz.

  • 2016

    Für die Gründer beginnen die letzten drei Monate Flaconi. Am Ende gibt es noch eine große Party und einen Bonus für alle Mitarbeiter. „Dann haben wir tatsächlich unsere Kartons gepackt und sind aus dem Büro raus“, sagt Kolbmüller. Für die Gründer geht es nach zehn Tagen Osterurlaub direkt weiter: Sie haben jetzt ein neues gemeinsames Startup, Zenloop.

    An die Führungsspitze setzt Prosieben Experten ihres Fachs: Thomas Faschian (vormals Vertriebsleiter bei L’Oréal), Steffen Christ (vormals Berater bei McKinsey) und Kathrin Nusser (vormals Finanzchefin bei Westwing und Scout24). 2018 kommt E-Commerce-Berater Benjamin Ludigs dazu. Beim Gespräch im neuen Flaconi-Büro in Charlottenburg erzählten Faschian und Ludigs, was seit der Übernahme passiert ist.

  • November 2016

    Zwei von vier Flaconi-Chefs: Benjamin Ludigs (links) und Thomas Faschian.
    Zwei von vier Flaconi-Chefs: Benjamin Ludigs (links) und Thomas Faschian.

    Thomas Faschian ist „geflasht“, als er bei Flaconi ankommt. Damit meint er insbesondere die Größe und Wachstumsgeschwindigkeit, die das Startup damals schon hat. Künftig soll Faschian sein breites Netzwerk in Beautybranche nutzen, um neue Partnerschaften mit Marken auszuhandeln. Flaconi hat zu diesem Zeitpunkt 260 Brands im Angebot, 120 Mitarbeiter arbeiten für die Firma. Doch laut Faschian hapert es an Strukturen, außerdem sind die Mitarbeiter verunsichert. „So ein Führungswechsel ist vergleichbar mit einem Trainerwechsel in einem Fußballteam“, sagt er. „Da muss man sich erst mal aufeinander einspielen.“

  • 2017

    Das Jahr 2017 bezeichnet Faschian als „Jahr des Umbruchs“. Die neue Führung will Top-Mitarbeiter, dafür macht sie hohe Budgets locker. Das hat den gewünschten Effekt: „A-People want to work with A-People: Wenn du einmal gute Leute anheuerst, kommen weitere tolle Leute nach“. Außerdem wagt Flaconi den Einstieg in ein neues Segment, Gesichtspflege. Inzwischen wächst das Startup einmal mehr über sein Büro hinaus. In Kreuzberg sind immer noch sowohl die Mitarbeiter als auch das Lager angesiedelt. „Am Ende mussten in den Innenhöfen belüftete und beheizte Zelte aufgestellt werden, weil das Lager aus allen Nähten platzte“, so Faschian. Im August ziehen die Flaconi-Mitarbeiter in neue Räume in Charlottenburg, das Lager wandert nach Marzahn. Für Faschian ist die Trennung „ein Meilenstein“.

  • 2018

    Flaconi baut das Sortiment weiter aus, jetzt kommt Make-up dazu. Dennoch wächst die Firma zunächst langsamer als im Vorjahr. Ludigs wird als externer Berater hinzugezogen. Er findet: Flaconi macht zu wenig aus seinem Potenzial. Das will er gemeinsam mit der Geschäftsführung ändern. Ihr Ziel für die kommenden Monate ist es, mehr Kunden zu gewinnen und sie zu mehr Käufen zu bewegen. Strategiemeetings und hohe Investitionen zeigen Wirkung: „Teils haben wir von einem Tag auf den anderen doppelt so viel Sales gemacht“, so Ludigs. Wachstumstreiber sind laut dem Berater ein neues Design, die hohe Benutzerfreundlichkeit des Shops, personalisierte Produktvorschläge und ein breiteres Sortiment. Mehr als 600 Marken bietet Flaconi jetzt an. Im Herbst expandiert das Startup nach Österreich. Faschian ist in dieser Zeit „immer wieder beeindruckt“ von seinem Team. Es arbeite „wie eine Fußballmannschaft, die 3:0 führt, aber trotzdem weiter Gas gibt, weil 5:0 zu gewinnen noch besser ist.“ Flaconi verbucht in diesem Jahr ein Umsatzwachstum von 40 Prozent und erwirtschaftet einen Gewinn von rund 1,3 Millionen Euro. 

  • 2019

    Zum Jahresanfang arbeitet das C-Level, zu dem jetzt auch Ludigs gehört, die Strategie für die kommenden fünf Jahre aus. Die Chefs wollen, dass Flaconi noch schneller wächst als die Eigentümerin Prosieben es fordert. „Das mag dumm erscheinen, und die Investoren haben es erst auch nicht geglaubt. Aber wir haben sie davon überzeugt, dass wir es schaffen können“, so Ludigs. Angestrebt ist jetzt ein Wachstum von „deutlich über 50 Prozent“ für das laufende Jahr. Um das zu schaffen, arbeitet Flaconi eine neue Werbekampagne aus, die im Herbst launcht. „Das ist das größte Markeninvest in der Geschichte Flaconis“, sagt Faschian. Nebenbei weitet die Firma ihr Sortiment weiter aus. Man wolle „den gesamten Badezimmerschrank“ abdecken, sagt Ludigs. Heißt: das Startup bietet nun auch Basics wie Nivea-Creme und Nagellackentferner an. Auch die Expansion geht weiter, im Sommer launcht Flaconi in Polen. Wenn das Geschäft läuft, will man in den nächsten Jahren in elf weitere Länder gehen – und „europäische Nummer eins“ werden. Die Augen der am Anfang des Gesprächs noch zurückhaltenden Geschäftsführer leuchten, als sie von ihren Visionen erzählen. Die zwei haben Bock auf das, was kommt, das merkt man ihnen an. „Wir bleiben hungrig“, verspricht Faschian.

Bilder: Flaconi