„Es ist weniger Kraft als Technik“: Ralf Fischer in der Boulderhalle in Nürnberg

Von unten sieht alles ganz leicht aus. Eifrig greift Ralf Fischer einen Stein nach dem nächsten und hangelt sich so in Richtung Hallendecke. Die blaue Route, die er sich ausgesucht hat, ist auf der geltenden Bewertungsskala weder superleicht noch besonders schwer. Schwierigkeitsstufe: mittel. Für Anfänger ist sie trotzdem kaum zu bewältigen. Auch wenn Fischer dabei nicht gerade elegant wirkt, bis nach oben schafft er es in einem Zug.

Er kommt in seiner Freizeit hin und wieder in die Boulderhalle. Meistens wenn das Wetter zu schlecht ist, um in die nahegelegene Fränkische Schweiz zu fahren, etwa zum Mountainbiken. So wie heute. Was bringt einen beim Klettern ohne Sicherung nach oben? „Es ist weniger Kraft als Technik“, erklärt der 36-Jährige zurück am Boden, während er sich das Magnesia der Wand von den Händen klopft.

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Wenige Minuten später hat er die kurze Sporthose und das blaue T-Shirt mit Fahrradmotiv wieder gegen weißes Hemd und Anzug getauscht. Egal welches Outfit er trägt, Fischer präsentiert sich als Unternehmer und Geschäftsführer: Bevor er spricht, macht er kurze Pausen – überlegt, ordnet seine Gedanken. Die Antworten sind knapp, aber höflich. Struktur statt Unordnung.

Schnell merkt man, dass Fischer nicht der typische, etwas großspurige, manchmal vermessene Gründer ist, der der Presse jeden noch so kleinen Erfolg unter die Nase zu reiben versucht. Wie alles vor zwölf Jahren begann? Seine Antwort bleibt schmucklos: So genau wisse er das gar nicht mehr. Irgendwann zwischen Abitur und Studium, während des Zivildienstes, programmierte er 2002 ein Dealportal und sammelte dort Links zu kostenlosen Angeboten im Netz, wie gratis Webseiten-Baukästen. Für jeden Vertragsabschluss, den er über diese Links vermittelte, strich er vom Werber eine Provision ein. Reich sei er damit anfangs nicht geworden. „Ich habe mir nur einen kleinen Betrag ausgezahlt“, sagt Fischer.

Mit der Zeit verhalfen ihm diese Werbelinks aber zum Erfolg. Schon damals kooperierte Fischer mit Banken und Versicherungen, die sich über sein Portal an Seitenbetreiber vermarkteten. 2006 gründete er im BWL-Studium schließlich mit Financeads ein auf die Finanzbranche spezialisiertes Affiliate-Netzwerk. Ein zweites Netzwerk für die Telekommunikationsbranche startete er 2014: Communicationads. Anfang 2018 übernahm Fischer außerdem das Münchner E-Commerce-Netzwerk Retailerweb.

Umsätze mit Neukunden-Finderlohn

Das Konzept hinter Affiliate Marketing ist simpel: Webseitenbetreiber, auch Affiliates genannt, nehmen an Partnerprogrammen von Werbetreibenden teil und binden deren Angebote auf ihren Webseiten ein. Das können Gutscheine oder Textlinks sein. Wenn Seitenbesucher sie anklicken und etwas kaufen, wird der Affiliate vom Händler in der Regel prozentual am Umsatz beteiligt. Die Anzeige für einen Handytarif bei Vodafone, platziert auf einem Technikblog, bringt dem Blogger also beispielsweise 15 Euro – vorausgesetzt, ein Leser klickt auf die Anzeige und schließt den Vertrag innerhalb eines bestimmten Zeitraums ab.

01 – Communicationads

Score: 86,4 (CAGR: 926%)
Gründungsjahr: 2014
Firmensitz: Nürnberg
Branche: Media & Advertising
Webseite: www.communicationads.net

Affiliate-Netzwerke stehen zwischen den sogenannten Publishern, zu denen neben Blogs zum Beispiel auch Onlinemagazine gehören, und den Affiliate-Programmen der Werber. Letztere zahlen bei einem Verkaufsabschluss zusätzlich eine Netzwerkgebühr an den Netzwerkbetreiber, meist 30 Prozent der Provision. Aktuellen Statistiken zufolge sind durch Affiliate Marketing im deutschen Onlinehandel (Volumen: 44 Milliarden Euro) allein 2016 rund 7,6 Milliarden Euro umgesetzt worden – Tendenz steigend. Deutscher Affiliate-Marktführer ist die Awin AG. Sie wirbt aktuell mit 13.000 Advertisern und 100.000 aktiven Publishern weltweit. Daneben gibt es diverse kleinere Anbieter, zu denen auch Fischers Plattformen gehören. Financeads zählt im deutschsprachigen Raum rund 200 Advertiser und 10.000 Publisher, bei Communicationads sind es 40 und circa 500.

Hauseigene Vergleichsrechner

Mit nackten Zahlen kann Fischer die Konkurrenz also schon einmal nicht ausstechen. „Wir setzen auf persönliche Beratung“, hält er gegen. Jeder Advertiser habe einen eigenen Ansprechpartner. In seinen über zwölf Jahren am Markt hat sich Financeads damit Vertrauen erarbeitet. Im Vergleich dazu hat das gerade einmal vier Jahre alte Communicationads in der Affiliate-Zeitrechnung noch Welpenstatus. Bei der Vermittlung von sogenannten „Telko“-Angeboten sind andere Netzwerke in Europa schon weiter. Doch Communicationads wächst. In den nächsten Jahren soll es in der Branche ähnlich viel Gewicht haben wie der größere Finance-Bruder. So stellt es sich der Gründer vor.

Aus technischer Sicht sollen die Ads-Netzwerke mit hauseigenen Vergleichsrechnern punkten, die etwa Online-Nachrichtenmagazine in einer Whitelabel-Versionen nutzen. User können sich damit entsprechend ihren Voreinstellungen anzeigen lassen, welcher DSL-Anschluss oder Kredit für sie infrage kommt und diesen sofort kaufen. Mit den über die Rechner vermittelten Verkaufsabschlüssen machen Fischers Plattformen Umsätze. 

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Communication- und Financeads seien eher kontinuierlich als schnell gewachsen, um bei der Qualität hinterherzukommen, sagt ihr Gründer. So würden etwa unseriöse Anbieter oder kopierter Content, thematisch unpassende und zu kleine Seiten bei der Registrierung aussortiert: „Deshalb haben wir keine 100.000 Publisher wie andere Netzwerke“, so Fischer. In Branchenkreisen ist vor allem Financeads eine bekannte Größe. Fischer ist im Affiliate-Geschäft angesehen, weil er es schaffte, die als anspruchsvoll geltenden Finanzdienstleister von seinem Produkt zu überzeugen. Viele große Banken und Versicherungen arbeiten mit Financeads.

Lieber ohne Startup-Hype

Außerhalb der Affiliate-Szene ist Fischer aber ein Unbekannter. Der gebürtige Würzburger besuchte ein Wirtschaftsgymnasium, machte dort gerne bei den Planspielen mit und lernte Programmieren. Dass er etwas Eigenes aufbauen wollte, habe für ihn schon zu Schulzeiten festgestanden, wie er sagt. 

Während des Gesprächs erklärt Fischer immer wieder, dass er sich an die Einzelheiten aus dieser Zeit kaum noch genau erinnere. Wer aufgeplusterte Heldengeschichten und Garagen-Legenden erwartet, wird bei ihm enttäuscht. Fischer lebt im Jetzt. Die große Bühne hat er bislang wohl auch deshalb gemieden. Soll sich das nun ändern? „Ich mache hier mit, weil es Spaß macht, die eigenen Konzepte im Wettbewerb zu messen“, kommentiert er trocken.

Fischer ist gerne besser und schneller als andere. Trotzdem erscheint der Gründer wie jemand, der die Bodenhaftung behalten hat. Seinen geleasten 1er BMW habe er gerade zurückgegeben, berichtet er auf dem Rückweg von der Boulderhalle. Nach einem kurzen Abstecher in seine Dreizimmerwohnung parkt er mit einem Opel Astra in der Tiefgarage des Bürogebäudes zwischen einem Mercedes und einem Porsche anderer Mieter ein. „Ich lege keinen Wert auf Statussymbole“, sagt er, „lieber erlebe ich etwas.“

So aufgeräumt wie seine Sätze sind auch die Büros der Communicationads-Dachgesellschaft Verticalads in der Nürnberger Innenstadt.

„Es ist weniger Kraft als Technik“: Ralf Fischer in der Boulderhalle in Nürnberg

So aufgeräumt wie seine Sätze sind auch die Büros der Communicationads-Dachgesellschaft Verticalads in der Nürnberger Innenstadt: weiße Wände, weiße Möbel, schnörkellos. Mit seinem weißen Hemd passt der Chef hier gut herein. Klassische Startup-Atmosphäre? Fehlanzeige. Aber Fischer gefällt es hier: „Ohne den ganzen Startup-Hype kann man in Ruhe arbeiten, muss nicht wöchentlich auf Veranstaltungen gehen. Dafür findet man in Berlin leichter internationale Mitarbeiter.“ 

Communicationads hat in der Hauptstadt eine zweite Niederlassung mit sieben Angestellten. Auch hier aber keine Spur von buntem Startup-Denken: „Ich will meine Beschäftigten vor allem durch Arbeitsinhalte motivieren.“ Kostenloser Kaffee oder Müsli sollten kein Anreiz sein, merkt er an. Fischer grenzt sich sichtbar vom Startup-Trubel ab: Er versucht, Geschäftsreisen zu vermeiden und hasst Meetings: „Die meisten Leute schaffen es in der Zeit nicht effizient, das zu sagen, was sie sagen wollen.“ 

Auch als Business Angel aktiv

Über die Umsätze seiner Unternehmen spricht der Gründer nicht. Das Affiliate-Business hat Fischer aber offenbar vermögend gemacht. Er ist inzwischen selbst als Geldgeber aktiv, hält nach eigener Aussage 14 Business-Angel-Beteiligungen an anderen Startups, darunter an dem Steuerportal Steuermachen.de und dem­­ Online-Bestatter Mymoria. In einige dieser Unternehmen investierte er dabei 50.000 Euro und mehr.

Auch für die Finance Digital GmbH hinter Financeads ist Fischer in erster Linie noch als Berater und Anteilseigner aktiv. Seinem damaligen Mitgründer Christian Dereser und ihm gehören jeweils 50 Prozent des Unternehmens. Geleitet wird das Geschäft aber von zwei anderen Geschäftsführern. Seit 2009 machen Fischer und Dereser ihr eigenes Ding. Warum, wollen beide nicht genau sagen. Fischer meint nur: „Wenn du etwas länger zusammen machst, können sich die persönlichen Vorstellungen in verschiedene Richtungen entwickeln.“ Das internationale Financeads-Geschäftsfeld ist 2015 als Joint Venture mit dem Company Builder Finleap gegründet worden und unter anderem in Spanien sowie den Niederlanden gestartet. In einen neuen Markt oder eine neue Branche zu gehen, sei für Fischer immer die größte Herausforderung, sagt er: „Ich habe aber keine Angst davor.“ 

„Auf Konzepte und das Team vertraut“

Stichwort Angst: Ob er in der Anfangsphase auch mal Schiss hatte, alles gegen die Wand zu fahren? „Nein, wieso? Ich habe auf die Geschäftskonzepte und das Team vertraut.“ Fischer mag zwar in vielerlei Hinsicht schwindelfrei sein, er ist aber auch streng – nicht nur mich sich selbst. Die viel beschworene Startup-Fehlerkultur gilt unter seiner Leitung nur bedingt. „Bei uns muss nicht jeder Mitarbeiter jede Erfahrung einmal gemacht haben, um aus ihr zu lernen“, sagt er. Hier kennt der Gründer nur eine klare Richtung: Geschäftlich soll es vorwärtsgehen. 

Doch es gibt Ausnahmen. Von den Projekten, die Fischer in all den Jahren angestoßen hat, könnte mit einem demnächst Schluss sein. „Meine erste Seite, die ich während des Zivis gestartet hatte, wird wohl bald eingestellt“, sagt er. Das sei okay für ihn, schließlich sei das alles schon so lange her. In den sterilen Büroräumen und selbst in der Boulderhalle war Fischer vorher ausschließlich Geschäftsmann, antwortete sachlich und nie viel mehr, als gefragt war. Jetzt klingt er plötzlich wehmütig. Eine Gefühlsregung, die zeigt: Es ist nicht immer alles so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint.

Verbraucherfalle Vergleichsrechner? Portale, die nach dem Vergleichsprinzip arbeiten und sich teils komplett über Affiliate-Zahlungen finanzieren, stehen immer wieder in der Kritik. Der Vorwurf: Seiten wie Check24 oder Verivox suggerieren Markttransparenz, wo keine ist, weil im Hintergrund mit Vermittlungsprovisionen gearbeitet wird. Tarife von Anbietern, die nicht mit den Seitenbetreibern zusammenarbeiten, tauchen dort schlicht nicht auf. So empfehlen unterschiedliche Portale unterschiedliche Angebote und damit auch Preise. Ralf Fischer sagt dazu, dass seine Publisher entscheiden könnten, welche Anbieter in den Ergebnissen der Vergleichsrechner erscheinen. An Abschlüssen über die Vergleichsrechner verdiene die Ads-Gruppe also nur dann, wenn der vom Nutzer ausgewählte Anbieter auch mit dem Ads-Netzwerk zusammenarbeite. Experten raten Verbrauchern, verschiedene Vergleichsportale zurate zu ziehen, bevor sie sich für ein Angebot entscheiden.

Heureka Conference – The Startup and Technology Conference

Triff Ralf Fischer, Founder & CEO von verticalAds, auf der HEUREKA – The Startup & Tech Conference am 12. Juni 2019 in Berlin.

Bild: Chris Marxen