Vor Chili-Bären und Schaum-Bananen: Hendrik Stoffel, Can Kapikiran und Laura Bastillo (von links) vor ihrem Süßwaren-Regal

Es ist ein warmer, sonniger Spätsommermorgen im September. In Babenhausen, einem 16.700-Seelen-Städtchen in der südhessischen Provinz, ist trotz des guten Wetters nicht viel los. Auch nicht in dem Gewerbekomplex am Ortsrand, der an ein Wohngebiet grenzt. Doch die Stille trügt: Hinter einer Lagerhallentür arbeiten Mitarbeiter mit Haarnetzen und weißen Kitteln auf Hochtouren.

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In den Produktionsräumen des Startups Naschlabor wird abgewogen, verpackt und etikettiert. Um das Weihnachtsgeschäft stemmen zu können, hat Geschäftsführer Can Kapikiran kürzlich eine dritte Schicht pro Tag eingeführt. Letztes Jahr zu Weihnachten war „Glühwein to go“ – bordeauxrote, würzige Fruchtgummis im Glas – der Verkaufsschlager. Kapikiran freut’s, auch wenn der Erfolg Stress bedeutet: „Seit zwei Jahren ist hier gefühlt nichts mehr ruhig. Es gibt immer mal ein, zwei Wochen, an denen wir durchatmen können, aber im Grunde haben wir kaum noch Pausen“, so der 30-Jährige.

Der türkischstämmige Can Kapikiran kam 2015 zusammen mit Jakob Stoffel in das Unternehmen – beide dürfen sich als Mitgründer bezeichnen. Die Idee stammt aber von Jakobs Bruder Hendrik Stoffel, Denis Machado Ferreira und seiner Frau Laura Bastillo. Fruchtgummimischungen als Geschenk übers Netz zu verkaufen, darauf war Ferreira während seines Auslandssemesters in Barcelona gekommen. „Das war die Zeit von Nike-ID und MyMüsli, da kam der Individualisierungstrend gerade richtig ins Rollen“, so Kapikiran.

Ware testweise im Gartencenter platziert

2015 eröffnete das Gründerteam zusätzlich zum Onlineshop das „Naschcafé“ in der Babenhausener Altstadt. Doch den Löwenanteil ihrer Umsätze erwirtschafteten sie weiter online. Ende 2016 zogen sie daher in die Lagerhalle am Ortsrand. Zeitgleich platzierten sie ihre Ware testweise in einem Gartencenter im benachbarten Seligenstadt. Den Aufsteller bauten sie in einer Nacht- und Nebelaktion aus Europaletten selbst. Heute, drei Jahre später, ist die Naschlabor-Ware dank mehrerer Zentrallistungen im Handel an circa 1.500 Verkaufsstandorten in Deutschland und Österreich zu haben. Bei Rewe, Edeka und Depot stehen vorgefertigte Mixturen, darunter der „Nervenfutter-Mix“, als Impulsware an der Kasse oder bei den Pralinen.

Rund 400.000 Packungen wollen die Naschlabor-Macher bis Jahresende 2018 verkaufen. Erstmals sei auch ein siebenstelliger Umsatz angepeilt, sagen sie. 2017 seien es noch 350.000 Euro gewesen. Die Zahlen zeigen: Aus dem Gummibärchen-Shop ist ein ernstzunehmendes Unternehmen geworden, das sich auf Süßwaren als Geschenk- und Werbeartikel konzentriert. Zwar können Endkunden auf der Naschlabor-Webseite weiterhin Fruchtgummis zusammenstellen. Der Schwerpunkt liegt aber auf bereits abgepackten Mischungen, die auch auf Seiten wie Amazon oder Design3000 verkauft werden. Auf den Gläsern steht „Happy Birthday“ oder „Just Relax“. Firmen kaufen auf ihr Corporate Design abgestimmte Mischungen, als Giveaway.

30 – Naschlabor

Score: 33 (CAGR: 169%)
Gründungsjahr: 2015
Firmensitz: Babenhausen
Branche: Food
Webseite: www.naschlabor.de

Im Naschlabor-Lager stapeln sich die Kartons bis unter die Decke. Nach zwei Jahren wurde es in der Halle langsam eng. Gerade erst hat das Team weitere 300 Quadratmeter Lagerfläche im angrenzenden Gebäude angemietet. Seine Fruchtgummis produziert das Startup nicht selbst, stattdessen bestellt es je nach Saison Gummibärchen, die zur neuen Kollektion passen – Kakteen, Kürbisse, Meerjungfrauen – von Produzenten aus Spanien, Italien und Deutschland. In Babenhausen wird die Ware dann gemixt und verschickt.

Zehn Vollzeitmitarbeiter und 20 bis 25 Teilzeit- und Aushilfskräfte in Produktion und Logistik arbeiten im Naschlabor. Investoren hat das Naschlabor keine, das Team finanzierte sich über Bankkredite. „Ein Investor an Bord ist immer der teuerste Kredit“, so Mitgründer Hendrik Stoffel. Die Freiheit, an niemanden berichten zu müssen und Entscheidungen selbst in der Hand zu haben, ist dem Team wichtig. Kapikiran dazu: „Jeden Montag haben wir ein Gründermeeting, dann sitzen wir hier, schreien uns an, diskutieren, es knallt auch mal, am Ende trinken wir aber ein Bierchen zusammen und gut ist. Das sind halt wir. Und nur wir.“

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Kommt es durch die Größe des Gründerteams häufiger zu Unstimmigkeiten? „Die Leute denken: Ein Ehepaar, zwei Brüder und ein Türke, da muss es ja Streit geben“, witzelt der CEO. „Wenn wir aber an diesem Tisch sitzen, sind wir alle Unternehmer. Dann ist es egal, ob dir dein Ehemann gegenübersitzt oder dein Bruder.“ Kapikiran und seine Mitgründer brennen offensichtlich für ihr Geschäft und das Unternehmertum. Dass sie Kindheitsträume in Zuckerform verkaufen, ist da zweitrangig: „Ich glaube“, sagt der Chef zum Abschied, „wir würden das in dieser Konstellation auch mit einem anderen Produkt gut hinkriegen.“

Bild: Bedenk Zeit Fotografie / Matthias Michael Maria Bedenk