Steil nach oben: Uberall-Mitgründer Florian Hübner zeigt die Richtung an

Wo ist das nächste Burger-Restaurant? Hat der Supermarkt um die Ecke noch geöffnet? Und unter welcher Nummer erreiche ich noch mal meinen Hausarzt? Bei solchen Fragen hilft normalerweise ein Blick aufs Smartphone, und dann: Googeln. Nur leider findet man in den gängigen Suchmaschinen längst nicht alle Restaurants, Geschäfte oder Praxen, dafür haufenweise Karteileichen oder veraltete Einträge.

Abhilfe verspricht das Berliner Startup Uberall mit seiner „Online Presence Management“-Lösung. Darüber können lokale Geschäfte in etwa 75 Verzeichnisse eingetragen werden – Google, Facebook, aber auch Navigationssysteme und Branchenbücher. uberall hilft aber auch bei der fortwährenden Verwaltung: Unternehmen können ihren Kunden darüber besondere Marketing-Aktionen anbieten, das System gibt aber auch Bescheid, wenn in sozialen Netzwerken Kundenbewertungen auftauchen, auf die das Unternehmen besser reagieren sollte.

David Federhen, Florian Hübner und Josha Benner haben Uberall 2012 gegründet – allerdings mit einer Idee, die nur entfernt an das heutige Produkt erinnert: Ihre App Favor.it sollte Nutzern erlauben, lokalen Läden zu „folgen“; die Geschäfte wiederum konnten die App als direkten Marketing-Kanal nutzen.

Doch schon im Jahr darauf wurde das Konzept wieder beerdigt, zugunsten von Uberall. Die erste in einer Reihe vieler richtiger Entscheidungen: Heute steht das Startup blendend da, beschäftigt 70 Mitarbeiter, verwaltet mehr als 100.000 Standorte – und schafft Platz 3 im Gründerszene-Ranking. Über die lange Reise zum Erfolg, den Mut, den es zum Gründen, und die Demut, die es zum Führen braucht, darüber spricht Mitgründer Florian Hübner beim Interview-Termin im Uberall-Büro in Berlin-Mitte. Die Stimmung ist gelöst, Hübner hat sichtlich Spaß am Plaudern.

Warum hat eure erste Idee nicht funktioniert?

Wir haben bei Favor.it am Ende sehr viel Zeit damit verbracht, Leute dazu zu bringen, die App herunterzuladen, und gleichzeitig Geschäfte zu überzeugen, da mitzumachen. Wir hatten schon ein paar Hundert Läden in Berlin – aber es war klar, wenn wir in andere Städte gehen wollten, würde das Ganze wieder von vorn losgehen. Wir haben festgestellt, dass das in eine Richtung ging, die uns nicht so viel Spaß gemacht hätte.

03 – UBERALL

Wachstumsrate: 754%
Gründungsjahr: 2012
Firmensitz: Berlin
Branche: Software
Webseite: www.uberall.com

Was meinst du damit – das harte Verkaufsgeschäft?

Genau, hartes Sales und Marketing. Man braucht außerdem echt tiefe Taschen, um da weiterzukommen. Weshalb ich auch überzeugt bin, wenn irgendwer das noch einmal anginge, könnte es gelingen. Aber nicht einem kleinen Startup in Berlin im Jahr 2012.

Hat die Entscheidung wehgetan?

Ach, ich weiß nicht. Wir haben zwar viel Leidenschaft für das, was wir bauen, aber wir sind auch realistisch. Klar denkst du dir: Mensch, hätte ich das vor einem halben Jahr schon gewusst. Aber du weißt auch vorher: Das wird ein Marathon. Ich sehe das auch gar nicht als so großen Strategieschwenk – wir arbeiten ja immer noch am gleichen Problem, nämlich lokale Händler zu gutem Online-Marketing zu befähigen.

Hübner beim Gespräch mit Gründerszene-Redakteur Niklas Wirminghaus im Berliner Uberall-Büro

Das stimmt. Andere Startups haben ihre Geschäftsmodelle schon krasser gedreht. Fab zum Beispiel wurde vom sozialen Netzwerk für Homosexuelle zum Möbel-Shop

…und dann war es irgendwann ganz weg. Wir sind mit vier Jahren ja schon relativ lange dabei, gemessen an dem, was in der Zeit alles schon gekommen und wieder verschwunden ist. Ich glaube, es ist gut, wenn man an demselben Thema dranbleibt. Und gleichzeitig darf man sich aber nicht zu lange daran aufhalten, weil man dann das große Ganze aus den Augen verliert.

Wolltest du immer gründen?

Nein! Ich bin da so reingerutscht. Ich würde mich auch als relativ risikoavers beschreiben.

Wie kam es dann dazu?

David, der mein ältester Freund ist, wollte gründen. Ich war zu dem Zeitpunkt nach einigen Jahren McKinsey wieder an der Uni, wollte da aber nicht bleiben. Da haben wir gesagt: Komm, wir machen jetzt was!

Mit Freunden zu gründen wird ja nicht unbedingt empfohlen.

Ich finde es super! Weil ich David so gut kannte, wusste ich schon ganz genau, was er draufhat. Auch heute noch empfinde ich das als großes Glück. Mit dem Typen, mit dem ich mit zehn schon zusammen Weihnachten gefeiert habe, darf ich hier jetzt sitzen und überlegen: Machen wir ein Büro in New York oder in San Francisco auf?

Als ihr 2012 gestartet seid, gab es noch viel weniger Startups. Man musste sich mehr trauen, oder?

Für mich war das eine sehr rationale Überlegung. Ich habe mir gesagt: Wir probieren das jetzt mal ein Jahr, und wenn es nicht klappt, dann findest du woanders schon wieder einen Job. Das war wenig heroisch.

Hattet ihr Vorbilder? Was hat euch angetrieben?

Vorbilder? Nein. Es war eher die Lust darauf, selbst Entscheidungen treffen zu können, Produkte zu Ende denken zu dürfen, bestimmen zu können, wer mit uns arbeitet. Und einen Job zu haben, der sich regelmäßig ändert. Es ist ein bisschen so wie Super-Mario-Land: Du hast immer neue Level. Mein Job hat sich wahrscheinlich schon fünf, sechs Mal geändert.

Welche Level waren das?

Zum Beispiel die erste Finanzierung durch Business Angels. Da konnte ich zum ersten Mal sagen: Okay, das zahlt uns jetzt die Miete. Wir können es unseren Job nennen und nicht unser Hobby. Oder als wir die erste Person eingestellt haben. Das war schon ziemlich cool. Oder wenn du den ersten Kunden an Bord hast. Als wir unseren allerersten Direktkunden sicher hatten, bin ich durchs Büro gelaufen und habe Hechtsprünge in die Sitzsäcke gemacht. Oder: der erste große Kunde. Ein neues Land. Der Pitch beim Board eines Investors. Die erste Burger-Kette, die mit uns arbeiten will.

Bilder: Chris Marxen / Gründerszene

Harte Arbeit und netter Umgang: Für Hübner das Uberall-Erfolgsrezept

Es heißt ja häufig, der schwierigste Job sei, die allerersten Mitarbeiter einzustellen. Denn damit wird die Kultur des Unternehmens bestimmt.

Das denke ich nicht. Ich glaube, dass es wichtiger ist, sich selbst regelmäßig zu hinterfragen. Dass man sich gegenseitig vertraut. Und dass man respektvoll und nett miteinander umgeht und genug Zeit für Spaß lässt. Das müssen wir Gründer auch vormachen. Dann geht ganz viel von allein. Manchmal hat du natürlich Stress und musst dir dann selbst auf die Finger schauen, dass du nett und gerecht bist – aber das gilt für jeden, nicht nur für uns Gründer.

Wie rettet man die Seele eines Startups aus der Zeit, in der man eine Handvoll Leute hatte, in ein Unternehmen mit bald 100 Mitarbeitern?

Interessant, dass du sagst, sie müsse „gerettet“ werden. Ich weiß gar nicht, ob sie so gefährdet ist. Wir müssen eben unserem Motto treu bleiben: „Work hard and be nice.“

Ist es wirklich so einfach? Denkst du nie: Fuck! Das läuft nicht!

Natürlich beißt du manchmal gedanklich in den Tisch. Aber da muss man eine gewisse Widerstandsfähigkeit entwickeln. Auch einfach akzeptieren, dass vieles nicht steuerbar ist. Wer denkt, dass ich hier als König Florian durch die Gegend laufen und für alles Anweisungen geben kann, der irrt sich. Das würde auf keinen Fall funktionieren.

Habt ihr manchmal das Gefühl, auf bestimmte Situationen nicht richtig vorbereitet zu sein?

Klar, ständig. Aber in viele Sachen wächst man einfach rein. Würde man jetzt den Florian von vor vier Jahren nehmen und in das Uberall von heute stecken, dann wäre er wahrscheinlich relativ verängstigt.

Was ist die aktuell größte Herausforderung?

Es geht jetzt um Wachstum. Wir haben das große Glück, dass wir uns nicht mehr in einer Selbstfindungsphase befinden, sondern wir haben ein Produkt, das funktioniert. Es bringt unseren Kunden wirklich etwas. Die sind teilweise auch sehr anspruchsvoll, weshalb wir stark auf sie eingehen wollen. Es gibt gleichzeitig wahnsinnig viele Sachen, die wir an unserem Produkt noch besser machen wollen.

Und ihr stellt euch auch dem Projekt der Internationalisierung.

Wir haben gerade ein zweites Büro eröffnet, in San Francisco. Wir wollen in Amerika auch physisch präsenter sein.

In den USA dürfte es für euch auch nicht leicht werden. Es ist der Heimatmarkt von Yext.com, eurem stärksten Konkurrenten.

Ja, und die haben viel, viel mehr Funding als wir – fast 50-mal so viel. Aber wir sind da wie die unbeugsamen Gallier. Und in Europa sind wir klarer Marktführer. Ich kann mir gut vorstellen, dass Yext auch gedacht hätte, dass das hier etwas einfacher wäre. Jetzt freue ich mich darauf, in die USA zu gehen. Wir haben ein tolles Produkt und können da gut dagegenhalten.

11 uberall by Chris Marxen
11 uberall by Chris Marxen Freunde und Gründer: David Federhen und Florian Hübner

Denkt ihr auch über die noch weiter entfernte Zukunft nach?

Was meinst du? Ob wir die Bude irgendwann mal verkaufen wollen?

Zum Beispiel.

Ehrlich: Ich denke nicht darüber nach. Natürlich machen wir uns Gedanken über die Firma, darüber, wie das Ganze nachhaltig bleibt und uns nicht aus dem Ruder läuft. Wir machen das ja auch zum ersten Mal. Aber wo das hinführt? Gerade ist es für alle eine ziemlich coole Reise.

Wahrscheinlich müsst ihr auch noch deutlich mehr Geld aufnehmen, wenn ihr die Reise so fortführen wollt, oder?

Müssen? Nein, nicht unbedingt, wir verdienen schon gutes Geld. Es wäre eher eine strategische Überlegung – mehr Kapital als Nachbrenner, um noch schneller wachsen zu können. Ehrlich gesagt ist das eine ziemlich geile Situation, dass nicht gleich die Lichter ausgehen, wenn wir nicht bald Geld aufnehmen.

Für die Verhandlungen mit Geldgebern ist es bestimmt auch komfortabel.

Klar. Aber es geht eher um die Frage: Wo bringt man so eine Firma hin, und wie schnell macht man das. Zum Glück geht es nicht darum, wer die ganzen Leute hier bezahlt, wenn wir das nicht kriegen. Ich meine, das ist ja auch so eine verdammt coole Sache, die einen aber auch etwas demütig machen sollte: Was für mich unser Projekt ist, ist für unsere Mitarbeiter einfach das, wovon sie ihre Miete und Einkäufe und den Familienurlaub zahlen.

Unternimmst du mit David nach all den Jahren noch etwas zusammen?

Auf jeden Fall. Wir haben die gleiche Stammkneipe. Und neulich hat er sich ein neues Auto gekauft, da haben wir das gemacht, was wir auch gemacht haben, als er sein erstes Auto bekommen hatte. Er hat mich nachts um halb eins abgeholt und wir sind zu McDonald’s gefahren.

Was war das für ein Auto?

Ach, nur ein kleiner Audi. Gebraucht!

Bilder: Chris Marxen / Gründerszene