Ein Beitrag von Philipp Depiereux, Gründer und Geschäftsführer der Berliner Digitalberatung Etventure.

Immer häufiger versuchen etablierte Unternehmen und Konzerne durch Corporate Entrepreneurship ein hausgemachtes Startup-Gefühl zu entwickeln. Die Hoffnung dahinter: Genauso innovativ, ideenreich und dynamisch sein, wie die so lässig wirkenden jungen Startups.

Innovation und Wandel im täglichen Wettbewerb

Durch Workshops und Incentive-Programme werden Mitarbeiter und Führungskräfte in Firmen dazu ermutigt, unternehmerisch zu denken und eigene Ideen zu entwickeln. Denn ein gefestigtes Unternehmen muss sich mit zwei ambivalenten Herausforderungen befassen: Auf der einen Seite sollen bestehende Dienstleistungen und Produkte einen gleichbleibend guten Standard halten, durch gewohnte Routinen und reibungslose Prozesse überzeugen. Auf der anderen Seite versuchen Unternehmen neue Geschäftsfelder zu erschließen und durch Innovation und Wandel im täglichen Wettbewerb agil zu sein.  

Corporate Entrepreneurship und interne Ideenwettbewerbe gelten als Allheilmittel, die Resultate landen jedoch nur zu oft ohne Erfolg in einer Schreibtischschublade. Hinzu kommt: Eine Idee alleine ist nichts wert, es kommt auf die Umsetzung an. Auf die folgenden sechs Herausforderungen sollten sich Unternehmen vorbereiten, damit ihr Corporate Entrepreneurship zum Erfolg wird.

Die größten Herausforderungen und wie man sie lösen kann

1. Die Nutzerzentrierung und Validierung am Markt

Mitarbeiter bringen eigene Ideen ein, anschließend entscheidet dann oft ein zusammengewürfeltes Komitee, welche der vorgelegten Entwürfe weiterverfolgt werden sollen und wie hoch diese budgetiert werden. Eine neue Idee sollte aber nicht in Konferenzen und Meetings, sondern direkt am Nutzer und am Markt validiert werden. Dabei geht es auch darum, sogenannte „Schmerzpunkte“ der Nutzer zu erkennen und Ideen entsprechend daran auszurichten. Nur so kann sich wirklich zeigen, ob es sinnvoll ist, das Projekt weiter zu verfolgen. Es müssen reale Daten generiert werden, die dann zur Ideenvalidierung beitragen.

Tipp: Testet die Ideen immer direkt am Kunden und am Markt, um zu sehen, ob sich eine finale ressourcen-, zeit- und kostenintensive Umsetzung lohnt.

2. Der geschützte Raum

Viele Unternehmen wollen die neuen Ideen direkt im Unternehmen entwickeln und umsetzen. Allerdings sind häufig vorgefundene starre und festgefahrene Strukturen keine gute Grundlage, um den kreativen Entwicklergeist zu wecken. Außerdem ist das Mindset in den Kernorganisationen auf eine Null-Fehlertoleranz und Perfektion getrimmt. Eine gute Idee muss reifen oder darf auch mal verworfen werden. Damit Mitarbeiter ihre Ideen in einer
kreativen Findungsphase ohne Druck von außen und erfolgversprechend entwickeln können, benötigen sie einen geschützten Raum. Hier werden dann Ideen, Services und Produkte, die sich noch im Anfangsstadium befinden, live am Markt getestet. Ob Innovationseinheit oder Digital Innovation Unit, der geschützte Raum ermöglicht es Unternehmen, mit agilen Methoden an Prototypen zu arbeiten, ohne dabei das Kerngeschäft zu gefährden. Darüber hinaus ist die komplette Freistellung der Projektmitarbeiter von besonderer Bedeutung: Wenn jemand zwei Aufgaben gleichzeitig nachgehen muss, also die Kernorganisation beliefern und die eigene Idee weiterentwickeln, wird zwangsläufig einer der Jobs massiv darunter leiden. 

Tipp: Stellt Euren Mitarbeitern einen geschützten Raum zur Verfügung, in dem die neuen Ideen und Geschäftsmodelle in einer frühen Phase außerhalb der Kernorganisation entwickelt werden.

3. Auf die Methodik kommt es an

Um die Ergebnisse eines Ideenwettbewerbs möglichst erfolgreich weiterzuentwickeln, müssen Mitarbeiter die notwendigen Innovationsmethoden an die Hand bekommen. Design Thinking bietet beispielsweise ein enormes Potential, um einen Kundenbedarf zu erkennen, Hintergründe zu verstehen und passgenaue Lösungsmöglichkeiten zu entwerfen. Lean Startup hingegen soll Prozesse schlank halten und dabei helfen, mit wenig Kapital und Ressourcen zu gründen oder ein Minimum Viable Product (MVP) mit starker Nutzerzentrierung iterativ zu testen und zu launchen. Um Schnelligkeit in einem
Entwicklungsprozess sicherzustellen, bieten sich agile Methoden an. Zu Beginn der Prozesse werden anstatt der oft verwendeten Pflichtenhefte Protoypen mit wenigen Basisfunktionalitäten entwickelt. Diesen können dann einfach am Markt getestet und kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Tipp: Stellt den Projektverantwortlichen einen Experten an die Seite, der die notwendigen Innovations- und Umsetzungsmethoden in den Prozess integriert.

4. Die Ideengeber sind passioniert – aber oft betriebsblind

Ideengeber brennen für ihre Ideen und glauben fest daran, dass diese funktionieren werden – das ist auch gut so, denn nur mit dieser Leidenschaft gelingt es ihnen, auch andere Projektverantwortliche und Entscheider im Unternehmen zu überzeugen. Dennoch braucht es manchmal etwas Abstand und Offenheit, um sich auch wieder von einer Idee zu distanzieren, diese zu verwerfen und zu überdenken, wenn sie nicht den gewünschten Erfolg zeigt. Dabei kann es hilfreich sein, die Umsetzung nicht von dem Ideengeber selbst durchführen zu lassen. Durch unabhängige Experten kann objektiv bewertet werden, wann und wie ein Scheitern beziehungsweise eine sofortige Einstellung des Tests oder der Ideenentwicklung sinnvoll ist. Nach dem Motto: Fail fast, fail cheaper.

Tipp: Strukturiert Arbeitsteams. Der Ideengeber sollte nicht gleichzeitig auch hauptverantwortlich in der Umsetzung sein.

5. Die Umsetzung einer Idee

Stellt sich nach dem validierten Produkttest (MVP-Test) heraus, dass ein neues Geschäftsmodell oder ein digitaler Service nicht in die eigentliche Kernorganisation passt, aber dennoch Erfolg verspricht, wird dieses oft als Startup ausgegründet. Im Gegensatz dazu muss eine validierte Idee, die sich gut in das eigentliche Kerngeschäft integrieren lässt, einen schnellen Transfer in die Organisation schaffen. Somit verlässt sie den geschützten
Raum und wird von Mitarbeitern und Führungskräften in der Kernorganisation vorangetrieben. Wichtig dabei ist, die Mitarbeiter frühzeitig an Bord zu holen und ihnen anhand der generierten Daten aufzuzeigen, dass der Kunde von der Lösung profitiert und diese auch wirklich nutzt. Statt „Berater-Powerpoint-Bullshit-Bingo“ schafft man so Begeisterung für das Neue.

Tipp: Überprüft den sinnvollen Einsatz einer Idee und bindet Mitarbeiter und Führungskräfte der Kernorganisaiton rechtzeitig nach der ersten Validierung aktiv in die Umsetzung mit ein. 

6. Die Geschäftsführung muss das Entrepreneurship-Thema verstehen und treiben

Damit die neuen Ideen erfolgreich sein können, muss vor allem die Geschäftsführung das Thema verstehen und aktiv vorantreiben. Denn nur so kann sich ein Verständnis und eine Bereitschaft entwickeln, die dem neuen Thema die notwendige Energie verleiht. Das geschieht, indem die Geschäftsführung versteht, dass Corporate Entrepreneurship nicht nur eine Frage der innovativsten Ideen ist, sondern ebenso sehr die Mitarbeiter in einem Unternehmen betrifft. Entsprechend braucht es neben einer guten Idee einen Wandel der gesamten Unternehmenskultur. Und dieser kann nur gelingen, wenn er von oben vorgelebt
und im positiven Sinne vorangetrieben wird.

Tipp: Stellt sicher, dass die Geschäftsführung das Thema Corporate Entrepreneurship aktiv unterstützt und vorantreibt.

Fest steht: Innovationen sind eine sehr gute Basis für Wachstum und Wandel. Allerdings sollten frische Ideen immer schnell getestet und umgesetzt werden, damit sie nicht wie so häufig in einem „Ideengrab“ versickern. Denn eins haben Startups und Corporate Entrepreneure auf jeden Fall gemeinsam: die Vision und den Wunsch, mit ihren Ideen eine Veränderung zu schaffen.

Bild: Getty Images / Sally Anscombe