Alex Tew

Mit 21 Jahren wurde der Brite Alex Tew Millionär. Er hatte eine Million Pixel auf seiner Webseite verkauft, um sich die Uni leisten zu können. Danach ist lange nichts von ihm zu hören. Mittlerweile ist er aber wieder Millionär – nur etwas nachhaltiger. Seine Meditations-App „Calm“ wurde 2017 App des Jahres bei Apple und soll 60 Millionen US-Dollar Jahresumsatz machen.

Alex Tew sitzt 2005 als 21-Jähriger in seinem Kinderzimmer im englischen Wilshire und überlegt, wie er den teuren Business Management Kurs an der Nottingham University bezahlen kann. Statt nebenher als Kellner zu arbeiten, fasst er einen anderen Plan: „Ich hatte überhaupt kein Geld und machte mir um meine Ausbildung sorgen. Ich hab dann einfach über diesen vollkommen verrückten Get-Rich-Quick-Plan nachgedacht, der dann ein Eigenleben entwickelt hat“, sagt Tew zur BBC.

Er sichert sich die URL milliondollarhomepage.com für 50 US-Dollar und baut ein Feld mit 1.000 mal 1.000 Pixeln. Er verkauft jeden Pixel für einen US-Dollar, jeweils als mindestens 10×10-Pixel-Banner (für 100 US-Dollar). Zuerst kaufen Freunde und Familie insgesamt 4.700 Pixel. Von dem so eingesammelten Geld engagiert er eine PR-Agentur. Kurze Zeit später berichten die BBC und der Guardian. Die Seite geht daraufhin viral. Anfang 2006 hat er alle Banner-Plätze verkauft und eine Million US-Dollar verdient. Unter den Werbepartnern ist zu der Zeit etwa die britische Times, größtenteils werben aber Online-Casinos und Webhoster.

Die Leere nach dem Erfolg

„Erfolg kann auch schlecht sein und dich die falschen Dinge lehren“, sagt Tew gegenüber The Hustle. „Ich habe nur über Ideen nachgedacht, die Aufmerksamkeit bringen, statt echtem Mehrwert.“ Zwischen 2006 und 2010 startet er verschiedene Projekte, die ausschließlich von der Bekanntheit der Million Dollar Homepage profitieren sollten. Darunter war zum Beispiel Pixelotto, die nach dem gleichen Prinzip funktionierte, nur das Advertiser zwei statt einen US-Dollar pro Pixel zahlen mussten. Ein Glücklicher Pixel-Käufer sollte dann am Ende die Hälfte des Seitenumsatzes – also eine Million US-Dollar – bekommen. Für Tew sollte die gleiche Summe herausspringen.

Ausschnitt aus der „Million Dollar Homepage“

Pixelotto scheint genauso wie seine weiteren Seiten OneMillionPeople oder PopJam gescheitert zu sein. Nach diesen Misserfolgen zieht Tew 2010 nach San Francisco und arbeitet für den Incubator Monkey Inferno seines Freundes Michael Birch. Nach eigener Aussage schläft Tew zu der Zeit schlecht und kann sich kaum auf seine eigentlich täglichen Meditationen konzentrieren. „Niemand will etwas über den Typen wissen, der mal eine Million verdient hat und am Ende depressiv wurde“, sagt er. Also überlegt Tew, wie er aus seinem Wissen über Meditation ein Geschäftsmodell machen kann.

Aus einfacher Webseite wird App des Jahres

Das Ergebnis ist donothingfor2minutes.com, eine einfache Seite mit einem runterlaufenden 2-Minuten-Timer. Die Nutzer sollen zwei Minuten nichts machen, bewegen sie die Maus, startet der Timer von vorn. Schon in der Zeit rund um 2010 kämpfen viele mit Reizüberflutungen des Internets und suchen gleichzeitig dort nach Pausen für das Hirn. Auch heute noch kommt die Seite laut dem Analyse-Tool Similar Web regelmäßig auf über 160.000 Visits im Monat. 2012 fasst Tew dann den Plan, ein professionelles Business aus der Idee zu machen. Am besten mit einer App.

Die Idee in seinem Kopf nennt er „Calm“ – eine App, die beim Beruhigen helfen sollte. Doch zu Beginn habe kein Investor Interesse gezeigt: „Es war schwer, eine erste Investitionsrunde auf die Beine zu stellen, weil es ein anderes Ding war und auch ein anderes Business. Das Projekt war nicht extrem technisch – obwohl es viele technische Aspekte beinhaltete“, sagt Tew. „Wenn Menschen sagen, die Idee ist irgendwie komisch oder ‚Das versteh ich nicht‘, kann das eine gute Sache sein. Und ich wusste, dass es das Richtige war.“ In zwei Seed-Runden sammeln er und sein Co-Gründer Michael Acton Smith dann bis 2014 knapp 1,5 Millionen US-Dollar ein und starten die App Calm.

60 Millionen Euro Umsatz?

Die App in der heutigen Form (die Webseite funktioniert ähnlich) verspricht gegen Angstzustände, Stress und Schlafstörungen zu helfen und soll den Nutzer beim Aufbau von Selbstwertgefühl, Glück, Fokus und Dankbarkeit unterstützen. Dabei sollen zum Beispiel Meditationsübungen und Schlafgeschichten helfen. Eine tägliche zufällige Übung soll die Nutzer immer wieder in die App ziehen. Spannender als die Funktionen ist aber das Geschäftsmodell: Subscriptions. Nach einer nur siebentägigen Testphase zahlt jeder Nutzer knapp 50 Euro pro Jahr. Wer die Testphase starten will, muss direkt einwilligen, dass das Abo nach den sieben Tagen beginnt.

Im ersten Jahr des Bestehens 2013 macht Calm 100.000 US-Dollar Umsatz. 2015 liegt er bei zwei Millionen. 2016 habe die US-Präsidentenwahl Meditations-Apps einen Schub gegeben und der Umsatz von Calm steigt auf sieben Millionen US-Dollar. Der große Durchbruch gelingt dann aber durch eine Auszeichnung. Apple zeichnet Calm in den USA als App des Jahres 2017 aus – in der schwierigen App-Ökonomie ein Download-Bringer inklusive prominenter Platzierung im App Store. 2017 schnellte der Umsatz deshalb auf etwa 40 Millionen US-Dollar – die Zahl wurde später auf 60 Millionen erhöht. Bei kolportierten 20 Mitarbeitern dürfte das Unternehmen profitabel arbeiten.

Das „Schlaf-Spray“ von Calm

Viel Konkurrenz auf dem Meditations-Markt

Calm hat mittlerweile etwa 600.000 Subscriber und vor Kurzem eine Investition von über 25 Millionen US-Dollar eingesammelt – von der bekannten VC Insight Venture Partners. Damit wäre Calm insgesamt 250 Millionen US-Dollar wert. Der nächste Schritt soll jetzt der Verkauf physischer Produkte über die Webseite und die App sein. Das soll den Weg zu einer riesigen Meditations-Consumer-Brand ebnen. Schon heute verkauft das Unternehmen 30 US-Dollar teures Schlaf-Spray, das auf das Kissen gesprüht werden und einen tieferen Schlaf bringen soll. Auch das Buch „Calm“ gibt es bereits im Handel. Weitere Bücher aber auch Calm-Kleidung, ein Calm-Hotel oder eine Calm-Insel seien geplant.

Und Calm darf sich tatsächlich nicht ausruhen. Auf dem Markt der Meditations-Anwendungen tummeln sich mittlerweile mehrere große Player. Headspace etwa konnte unlängst eine Investitionsrunde über 37 Millionen US-Dollar vermelden. Und war Anfang 2017 so viel Wert wie Calm heute. Dann wäre da noch Simple Habit, ein Unternehmen aus dem bekannten Inkubator Y Combinator, in das gerade 2,5 Millionen US-Dollar investiert wurden. Dazu kommen Apps wie Buddhify, Insight Timer und Digipill. In Deutschland ist vor allem 7Mind bekannt. Es dürfte also nicht so einfach werden, das von Tew und seinem Co-Gründer Michael Acton Smith erdachte Milliarden-Unternehmen inklusive eigener Insel zu verwirklichen.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Online Marketing Rockstars.

Bilder: Calm (Titel), Screenshots (im Artikel)