Ein Gastbeitrag von Eric Weber, Mitgründer und CEO des Accelerator Spinlab

Ende 2015 habe ich fünf Thesen zur Accelerator-Szene in Deutschland aufgestellt. Zweieinhalb Jahre später ziehe ich nun Bilanz, welche sich bestätigt haben – und welche nicht.

    1. Meine erste Aussage lautete, dass es einen Hype um Startup-Acceleratoren gibt – auf den viele bekannte Konzerne aufspringen. Vor drei Jahren gab es etwas mehr als 30 Programme, heute sind es bereits circa 90. Die Zahl hat sich innerhalb von zweieinhalb Jahren also gut verdreifacht. Gleichzeitig haben die Konzerne bekannte Accelerator-Programme angepasst: Axel Springer Plug&Play heißt jetzt APX und hat einen neuen Fokus. Das SpaceLab von MediaSaturn ist jetzt der RetailTech Hub. Immoscout und Sky haben ihre Startup-Programme beendet. Das zeigt, dass die Luft dünner wird. Auch eine Studie des Wirtschaftsministeriums zum Thema spricht von einem massiven Überangebot. Eine eigene Recherche zeigt, dass pro Jahr 1.700 bis 2.300 Startups Platz in einem Accelerator haben.
    2. Die zweite Hypothese sagte ein starkes Wachstum der Zahl der Acceleratoren in ganz Europa voraus – was in diversen Studien und auf mehreren internationalen Gründerplattformen bestätigt wurde.
    3. Meiner dritten These zufolge nehmen Startups viel häufiger an mehreren Acceleratoren teil, was auch daran liegt, dass sie bei vielen Programmen keine Anteile mehr abgeben müssen. Das lässt sich mit eigenen Erfahrungen untermauern. Lex Tan, Gründer von Motionscloud sagte mir etwa: „Wir haben an mehreren Acceleratoren in Deutschland, USA und Asien teilgenommen. Warum? Als Startup im Insurtech-Bereich suchen wir Programme mit starker Vernetzung in der Versicherungsbranche, mit Industrieexperten, Zugang zu etablierten Versicherern und zu Tech-Investoren.“
    4. Gute Mentoren und Investoren sind bei einer steigenden Zahl an Programmen hart umkämpft, lautete meine vierte Hypothese. Daniel Höpfner vom Frühphasen-Investor B10.vc sagt dazu: „Aus Kapazitätsgründen unterstützen wir nur wenige, ausgesuchte Programme als Mentoren und besuchen nur ausgewählte Demo Days.“ Eine generelle Aussage lässt sich aber nur schwer treffen.
    5. Außerdem habe ich eine zunehmende Spezialisierung der Programme vorausgesagt, welche auch tatsächlich eingetroffen ist. Oft zeigt sich, dass die Konzerne entlang ihres Kerngeschäfts nach Geschäftsmodellen suchen oder sich auf regional stark aufgestellte Branchen fokussieren. Die Digital Hub Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums verstärkt diese Tendenz, indem zwölf Regionen mit speziellen Themen ausgesucht wurden, etwa das Thema Smart Systems & Smart Infrastructure Hub in Dresden und Leipzig.
    6. Die letzte Hypothese sagte Berlin als wichtigen Standort der Acceleratoren voraus. Allerdings habe ich prognostiziert, dass die Programme in Deutschland künftig stärker verstreut sind. Während 2015 fast die Hälfte aller Acceleratoren in Berlin saßen, sind es heute nur noch ein Drittel.

Doch wie geht es in der Zukunft weiter?

Erst kürzlich sind neue Startup im Spinlab eingezogen.
Erst kürzlich sind neue Startups im Spinlab eingezogen.

Mehr digitale Accelerator-Programme

Gute Startups finden schon heute extrem viele Angebote in ganz Deutschland. Zeitgleich werden die Gründer immer professioneller und rationaler. Dadurch vergrößert sich ihre Machtposition. Nur noch bei wirklich renommierten Programmen sind sie bereit, ihren Standort temporär zu verlagern. Gerade für Konzerne, die außerhalb der Metropolen sitzen, dürfte dies zum Problem werden. Sie werden künftig digitale Angebote entwickeln, um national und international nach Startups zu suchen.

Vom Beteiligungsmodell zum Zuschussmodell

Früher galt „Fünf Prozent für 25.000 Euro“ als Standardmodell der Acceleratoren. Immer häufiger weichen Programme jedoch davon ab, um im starken Wettbewerb eine weitere Hürde für Gründer abzubauen. Stattdessen wird das Geld als Zuschuss gewährt. Einige Acceleratoren versuchen den Umweg über Wandeldarlehen oder kompliziertere vertragliche Konstrukte wie Optionen, aber auch das werden immer besser informierte Gründer wohl bald nicht mehr akzeptieren.

Ökosystem statt Accelerator

Betreiber von Acceleratoren müssen ihr eigenes Geschäft weiterentwickeln, um langfristig erfolgreich zu bleiben oder zumindest strategische Kooperationen eingehen. Viele werden sich mit dem Betrieb von Coworking-Spaces versuchen, um Startups länger zu halten und Mieteinnahmen zu erzielen. Andere bieten eine Beratung für spätere Startup-Phasen an oder versuchen über eigene VC-Fonds involviert zu bleiben. Die Beziehung zwischen Startup und Accelerator verlängert sich.

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Höherer Marketing-Aufwand und stärkere Vernetzung notwendig

Mehr Wettbewerb um gute Startups erfordert höhere Bekanntheit. Abgesehen von höheren Ausgaben für klassischer Werbung werden kreative Kommunikationswege gefordert sein. Gerade für kleinere und neu aufgesetzte Programme ist dies ein Problem, was auch den erfolgreichen Start neuer Programme schwieriger macht. Hilfreich beim Aufbau einer stärkeren Reichweite könnten aber gezielte Partnerschaften mit Verbänden, Industrienetzwerken oder ähnlichen Institutionen sein. Auch die Zusammenarbeit mit Hochschulen wird zunehmende Bedeutung gewinnen, um Startups für Accelerator-Programme zu akquirieren.

Ketten versus Spezialisten

In vielen Branchen haben sich starke Unternehmensketten mit bekannten Marken durchgesetzt. Wir kaufen seltener in der Boutique und öfter bei H&M – im Tante-Emma-Laden fast gar nicht mehr, dafür häufig bei Lidl und Co. Bei Restaurants machen sich die Systemgastronomen breit. Auch bei den Acceleratoren gibt es diese Tendenz. Weltweite Marken wie Techstars, Startupbootcamp und Plug and Play versuchen, Standorte zu besetzen und Synergien aus ihrer Reichweite zu nutzen. Allein Plug and Play betreibt fünf Acceleratoren in Deutschland.

Gleichzeitig haben aber Spezialisten, die stärker auf lokale oder branchenspezifische Besonderheiten eingehen, gute Chancen sich zu etablieren. Ein Problem haben Anbieter, die sich stark am eigenen Standort orientieren und weder auf Synergien noch auf Originalität aufbauen können.

Alles in allem wird sich die Accelerator-Landschaft genauso stark weiterentwickeln wie in den vergangenen Jahren. Viele Anbieter werden verschwinden oder Angebote umbauen – und neue Anbieter werden hinzukommen. Für Startups bedeutet das vor allem noch mehr Intransparenz und damit auch ein noch stärkerer Zwang, potenzielle Angebote auf Qualität und Nutzen zu prüfen.

Bild: Spinlab