Die großen Online-Konzerne nehmen mehr und mehr das Gepräge eigener Gesellschaften an. Facebook hat mit 2,2 Milliarden fast so viele Mitglieder wie China und Indien Einwohner, die bevölkerungsreichsten Staaten der Erde. Der verspielte Schriftzug von Google erscheint auf Smartphones und Computern in jedem Winkel der Welt. Er fungiert als steter Begleiter, der das Leben mit allerlei Diensten organisiert.

Ähnliches gilt für Amazon, das allgegenwärtige Arsenal der Konsumgesellschaft. Nur eines haben die Internetriesen noch nicht geschafft: Ihr Firmenwert misst sich noch nicht in Dimensionen von einer Billion Dollar oder mehr. Unter den Staaten bringen es immerhin 15 auf eine Wirtschaftsleistung in dreizehnstelliger Höhe. Von den USA über China, Japan und Deutschland bis hin zu Mexiko erzeugen diese Ökonomien Güter und Dienstleistungen, die den Wert von einer Billion Dollar übersteigen.

Unaufhaltsamer Aufstieg der US-Tech-Konzerne

Das Jahr 2018 dürfte dieses Verhältnis ändern: Die Giganten der Unternehmenswelt könnten die Schallmauer bald durchbrechen. Vier Technologiekonzerne aus den USA stehen davor, nach der Billion zu greifen. Die laufende Berichtssaison hat signalisiert, dass die Zahl vermutlich schon bald erreicht wird: Teilweise haben Börsenanalysten schon Kursziele ausgegeben, die den Gesamtwert über die Billion hieven könnten.

Damit wird ein neues Kapitel in der Wirtschaftsgeschichte aufgeschlagen. Die Billion ist das Signum eines Zeitalters, in dem Technologie alles durchdringt und die Plattformen alte Branchen mitsamt ihren Arbeits- und Konsumformen ablösen. „Im Aufstieg der Unternehmen spiegelt sich ein langfristiger Trend, nämlich dass technische Innovation ganze Industrien zerstört und einen immer größeren Teil der globalen Wirtschaft für sich beansprucht“, sagt Richard Clode, Technologieexperte bei der Fondsgesellschaft Janus Henderson in London.

Die besten Chancen auf den Billionenthron scheinen Apple und Amazon zu haben. Noch hat Apple die Nase vorn: Aktuell trauen 16 Analysten dem iPhone-Hersteller einen Aktienkurs von 200 Dollar oder mehr zu, der den Gesamtwert der Firma aus Cupertino auf über die Billion schieben würde.

Warren Buffett setzt auf Apples Erfolg

Auch der legendäre Investor Warren Buffett setzt darauf; er schwärmt schon lange vom iPhone. Kürzlich verkündete er, dass er für 12,5 Milliarden Dollar Apple-Aktien gekauft habe und nun einer der größten Anteilseigner sei. Das bescherte Apple einen kräftigen Kurssprung. Buffetts Gesellschaft Berkshire Hathaway hält nun etwa fünf Prozent aller Anteile. „Ich würde mir wünschen, uns würde mehr davon gehören“, sagte Berkshire-Vize-Chairman Charlie Munger.

Zuletzt stand die von Steve Jobs gegründete Firma bei 925 Milliarden Dollar Marktkapitalisierung. Lediglich 75 Milliarden fehlen noch, um Legende zu werden. Verfolger Amazon ist mit 777 Milliarden Dollar Börsenwert ein Stück weiter entfernt. Allerdings herrscht auch bei dem Handels- und Technologieriesen jede Menge Dynamik.

Die Notierungen der Firma von Jeff Bezos haben sich in den vergangenen zwei Jahren annähernd verdoppelt. In diesem Jahr hat Amazon an der Börse bereits Google hinter sich gelassen. Die jüngsten Geschäftszahlen, teils als bombastisch beschrieben, haben drei Analysten dazu animiert, ihre Kursziele über den magischen Preis von 2060 Dollar zu schrauben.

In Wahrheit ist das Rennen sogar noch spannender. Aus dem Hintergrund arbeitet sich eine Firma in die Spitzengruppe vor, die viele schon abgeschrieben hatten: Microsoft. Dem Anbieter des Windows-Betriebssystems, von Office-Software und diversen Cloud-Anwendungen traut die Investmentbank Morgan Stanley einen Spurt an die Spitze zu.

Sollte Microsoft das angepeilte Kursziel von 130 Dollar erreichen, wäre die Billion perfekt. Aber auch die Google-Mutter Alphabet hat noch Chancen auf den Thron. Allerdings müsste dafür die Aktie von aktuell knapp 1100 Dollar auf 1440 Dollar klettern. Kein Analyst will sich derzeit so weit aus dem Fenster lehnen.

Facebook bleibt weit abgeschlagen

Facebook hat sich an der Börse zwar vom Datenskandal erholt, rangiert mit 540 Milliarden Dollar aber weit von der Billionengrenze entfernt. Es folgt der chinesische Internettitan Alibaba, der eine halbe Billion Dollar auf die Börsenwaage bringt. Der Ölkonzern ExxonMobil, das Flaggschiff der US-Industrie im 20. Jahrhundert, liegt mit 346 Milliarden weit abgeschlagen zurück.

Dass ein Technologieunternehmen die Trophäe der Billion erobern wird, gilt als sicher. Firmen wie Amazon, Google oder Apple prägen unsere Zeit, sie sind die Datenbarone, die als Einzige Wachstumsraten aufweisen, die nötig sind, um in die Dreizehnstelligkeit aufzusteigen.

Die Tech-Giganten investieren Milliarden: In den vergangenen zwölf Monaten haben allein die großen vier gut 60 Milliarden Dollar in Zukunftsprojekte gesteckt. Sie profitieren davon, dass Menschen immer mehr Zeit mit Smartphones, Tablets und digitalen Assistenten verbringen, und fördern diese Bewegung. Die Technologie nährt die Technologie.

So erklärt sich das rasante Wachstum von Big Tech nicht etwa mit aufgeblähten Bewertungen wie zur Jahrtausendwende im Neuen Markt, sondern mit dem Umbruch zur digitalen Gesellschaft, der ihnen rasant steigende Umsätze beschert: Amazon dürfte dieses Jahr ein Wachstumsplus von einem Drittel verbuchen, Google könnte den Prognosen zufolge 22 Prozent mehr umsetzen.

Um das in Relation zu setzen: Viele Firmen aus traditionellen Zweigen der Wirtschaft haben Mühe, ihren Umsatz zu halten. Die amerikanische Getränke-Ikone Coca-Cola muss dieses Jahr wohl einen Erlösrückgang von 35 auf 32 Milliarden Dollar hinnehmen.

Microsoft arbeitet sich aus dem Hintergrund vor

Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der Tech-Giganten die Billion schon dieses Jahr erobert, ist folglich groß. „Wenn sich das wirtschaftliche Umfeld weiterhin positiv entwickelt, sehen wir gute Chancen, dass Amazon bereits 2018 die Schallgrenze von einer Billion Dollar Marktkapitalisierung durchstoßen wird“, sagt Titus C. Schlösser von Portfolio Concept Vermögensmanagement in Köln.

Auch bei Microsoft ist es seiner Meinung nach lediglich eine Frage der Zeit, wann der Unternehmenswert dreizehnstellig wird. „Dominante Marktpositionierung, geringe Konkurrenz, stabiles Wachstum und attraktive Marge. Microsoft wird mittelfristig und dann auch nachhaltig über die eine Billion Marktkapitalisierung kommen“, erwartet Schlösser.

Frank Wieser von der PMP Vermögensmanagement Donner & Reuschel in Luxemburg betont, dass es aus Anlegersicht selbst jetzt nicht zu spät sei, in die Tech-Giganten zu investieren. „Schaut man auf die erwarteten Bewertungsrelationen für 2019, so sind Microsoft oder Alphabet noch nicht zu teuer. Wenn die Wachstumsprognosen eintreffen, können sich auch weitere Kurssteigerungen ergeben.“

Die Apple-Aktie ist aus seiner Sicht sogar relativ günstig. Zudem zahlt der iPhone-Hersteller als eines der wenigen Tech-Unternehmen eine ordentliche Dividende. Wegen der Abhängigkeit von Hardwareverkäufen sind Analysten etwas zurückhaltend, was die Wachstumsaussichten anbelangt. Doch verwandelt sich die 1974 gegründete Firma immer mehr zu einem Anbieter von Inhalten und Dienstleistungen. Der jüngste Coup war die Ankündigung, zusammen mit Goldman Sachs eine Kreditkarte ganz neuen Typs herauszugeben.

Datenschutz bleibt für die Konzerne das größte Risiko

Mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis von fast 100 scheint Amazon exorbitant hoch bewertet, um nicht zu sagen überteuert. „Um das zu rechtfertigen, müsste Amazon schon jedes Jahr seine Gewinne vervielfachen. Die jüngsten Quartalszahlen zeigen aber, dass das nicht unmöglich ist“, sagt Wieser. Für das Gesamtjahr 2018 wird locker eine Verdopplung des Ertrags erwartet.

Doch es gibt auch Skeptiker. Denn ein Faktor könnte den Plattformen zumindest theoretisch das Leben schwer machen: der Datenschutz. „Die Datensammelunternehmen haben in der Vergangenheit von Lücken in der Regulierung profitiert, bei denen der Gesetzgeber den rasanten Entwicklungen in der Plattformökonomie hinterhergehinkt ist“, sagt Thomas Wüst von Valorvest.

Werde diese Regulierung im Sinne des Datenschutzes nachgeholt, könnten die Geschäftsmodelle der Plattformgiganten geradezu zerstört werden: „Interessant ist, dass Internetkonzerne wie Facebook in ihren Quartalsberichten ihre Anleger insbesondere vor diesen Regulierungsrisiken warnen, die ihre Geschäftsmodelle gefährden.“

Dieses real existierende politische Risiko sollten Anleger bei allen Investments in die Aktien der Internetgiganten im Auge haben. Wenn der Grundsatz für die Bewertung von Immobilien „Lage, Lage, Lage“ heiße, gelte für die Bewertung von US-Plattformunternehmen das Motto: „Regulierung, Regulierung, Regulierung“.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

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