Lächeln für die Kameras: Apple-CEO Tim Cook, Oprah Winfrey und Filmemacher Steven Spielberg (von links).

Es dauert nicht lang, da ahnen die Gäste schon, dass sie Zeugen werden von etwas Besonderem. Denn als Tim Cook am Montag auf die Bühne schreitet, beginnt eine Vorstellung, die sich von allem unterscheidet, was die Zuschauer gewohnt sind. Dieses Mal hält der Apple-Chef keine neuen iPhones in die Luft. Er zeigt auch keine neuen MacBooks oder iPads.

Und es gibt auch kein „One More Thing“, keine Überraschung am Ende der Präsentation, die in der Vergangenheit oftmals ein neues Gadget offenbarte. Nach 110 Minuten ist am Montag im Steve-Jobs-Theater am Konzernsitz in Cupertino im US-Bundesstaat Kalifornien klar: Es ist Zeit für Veränderung. Apple steckt mitten in einem Strategieschwenk.

Statt Daten zu Gigabyte und Pixel zeigt Apple auf der Bühne, wo der Konzern einen wichtigen Teil seiner Zukunft sieht: in Hollywood. Nie zuvor hat es bei eine Apple-Präsentation so viel Prominenz aus dem Film- und Show-Business gegeben. Apple wollte unbedingt zeigen, wen der Konzern für eine Zusammenarbeit gewonnen hat. 

Zuschauer konnten im Promi-Stakkato auf der Bühne schnell den Überblick verlieren: Star-Regisseur Steven Spielberg überließ die Bühne Reese Witherspoon und Jennifer Aniston, zu denen Steve Carell stieß, um das gemeinsame Projekt der „Morning Show“ zu promoten.

Dann ging es im Minutentakt weiter. Nach Jason Momoa und Alfre Woodard folgten Kumail Nanjiani und Sesamstraßen-Bibo, um JJ Abrams und Sara Bareilles Platz zu machen. Am Ende zeigte sich noch Oprah Winfrey.

Umsatzschwäche beim iPhone

„Its show time“, stand bereits auf der Einladung für die Apple-Präsentation. Und am Ende lässt der iPhone-Konzern keinen Zweifel: Er will künftig im Showbusiness mitmischen. Er will Serien und Filme produzieren – und sie an die Zuschauer verkaufen. Für mehr als eine Milliarde Dollar hat Apple TV-Shows in Auftrag gegeben und eingekauft. Seit Jahren verhandelt Cook mit TV-Sendern und Inhalte-Produzenten.

Die Video-Flatrate, die Apple-intern nach US-Medienberichten auch „Netflix-Killer“ heißt, soll es ab Herbst in mehr als 100 Ländern geben. Einen Preis für den Dienst mit der Bezeichnung Apple TV+ hat das Unternehmen dafür nicht genannt. „Das ist der Beginn von etwas sehr Aufregendem“, sagte Apple-Chef Cook.

Mitverdienen will Apple aber auch an den Inhalten der anderen. In Flatrate-Häppchen verpackt, will Apple seinen Nutzern nicht nur die Geräte liefern, sondern auch das, was sie darauf verzehren. So präsentierte das Unternehmen seine neu gestaltete TV-App, in der Nutzer Einzel-Flatrates von Diensten wie Cinemax und Sundance Now oder von den US-Sendern HBO, Starz und Showtime buchen können. 26 solche Partner hat Apple präsentiert.

Was ist eigentlich los mit Apple? Die Wandlung des Konzerns hat einen einfachen Grund: Das Geschäft mit dem iPhone ist endlich. Die einstigen Wachstumsraten des Hauptumsatzbringers – das iPhone steht für mehr als 60 Prozent des Geschäftes – sind Vergangenheit. Zum ersten Mal seit mehr als zehn Jahren schrumpfte im vergangenen Weihnachtsquartal der Umsatz und Gewinn des Konzerns. Und zum Jahresbeginn musste Apple zum ersten Mal seit fast 20 Jahren seinen Quartalsausblick senken.

Doch das Geschäft mit Inhalten ist alles andere als eine Verzweiflungstat. Apple ist vielmehr auf den Geschmack gekommen. Kein anderes Segment wächst bei dem Unternehmen so schnell wie die Dienste, zu denen der AppStore ebenso zählt wie Apple Music oder die Cloud-Angebote. Im vergangenen Jahr legte die Sparte um ein Drittel auf fast 40 Milliarden Dollar zu und macht damit inzwischen etwa 15 Prozent des Konzernumsatzes aus.

Allein im jüngsten Quartal waren es knapp elf Milliarden Dollar. Allerdings gehören auch die Zahlungen in dieses Segment, die von Google geleistet werden, damit Apple die Suchmaschine auf seinen Geräten voreinstellt.

Inzwischen weist Apple auch aus, wie profitabel das Dienste-Geschäft ist. Während Apples Hardware-Marge bei 34 Prozent liegt, sind es bei den Diensten zuletzt 63 Prozent gewesen. Bereits vor zwei Jahren hatte Apple-Chef Cook ein ambitioniertes Ziel ausgegeben. Bis 2020 soll der Dienste-Umsatz verdoppelt werden auf dann 50 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Netflix kam im vergangenen Jahr auf einen Umsatz von nicht einmal 16 Milliarden Dollar.

Apple bietet seinen Nutzern gegen eine Monatsgebühr Speicherplatz in der Cloud. Sein Streaming-Dienst Apple Music zählt inzwischen mehr als 50 Millionen Abonnenten. Für alle Dienste zusammen meldete Apple zuletzt 360 Millionen Abonnements, 120 Millionen davon seien innerhalb eines Jahres hinzu gekommen. Bis 2020 will Apple eine halbe Milliarde Abonnements zählen.

Apples neuste Flatrates werden dieses Wachstum befeuern. Daniel Ives, Technologie-Analyst beim US-Investmentunternehmen Wedbush spricht von einem möglichen „Game Changer“. Der neue Streaming-Dienst könne innerhalb von drei Jahren 100 Millionen neue Abonnenten gewinnen. Mit der Zeit könnte er sieben bis zehn Milliarden Dollar zum Umsatz beitragen.

Apple drängt sich auf einen umkämpften Markt

Tatsächlich ist das Potenzial schwer einzuschätzen. Apple verweist auf seine Nutzerzahl. Etwa 1,4 Milliarden iPhones, iPads und Macs seien in Gebrauch, davon mehr als 900 Millionen iPhones. Kein anderer Anbieter kann auf eine solche Reichweite zugreifen.

Ein Durchlaufen wird für Apple kaum möglich sein, zu umkämpft ist der Markt. Im Musik-Streaming liegt Spotify mit 96 Millionen bezahlten Abonnements deutlich vor Apple Music. Und beim Video-Streaming haben Netflix und Amazon Prime einen großen Vorsprung. Netflix zählt weltweit etwa 140 Millionen Nutzer.

Beide Unternehmen sind mit Apple aneinander geraten, ein Zeichen, dass sie zum Abwehrkampf bereit sind. Spotify hat zuletzt sogar eine EU-Kartellbeschwerde gegen Apple eingereicht. Als Plattformbetreiber verschaffe sich Apple „unfaire Vorteile“. Tatsächlich verlangt Apple im ersten Jahr 30 Prozent von den Abo-Gebühren, wenn Spotify seine Kunden direkt auf den Apple-Geräten gewinnt. Im zweiten Jahr sind es dann noch 15 Prozent. Dagegen wehrt sich auch Netflix. Seit Jahresbeginn können daher Netflix-Abos nicht mehr über Apples AppStore abgeschlossen werden.

Auf dem Streaming-Markt für Filme und Serien wird es zunehmend enger. Netflix, Amazon und Hulu kämpfen in den USA um die selben Nutzer. In anderen Märkten wie Deutschland sind auch noch andere Anbieter aktiv, zum Beispiel Sky. Sender und Produzenten haben eigene Streaming-Dienste oder planen sie. Dazu gehört auch HBO Now. Warner Media und Disney wollen noch in diesem Jahr Angebote starten. Disney zieht seine Inhalte, zu denen auch alle Lucas-Arts-Filme und der Pool an Filmen von 21st Century Fox gehören, dann auf die eigene Plattform. 

Es gibt also jede Menge Alternativen, zu den Apple-Diensten. Apples Investitionen von einer Milliarde Dollar für Eigenproduktionen verblassen hinter den Budgets, die beispielsweise Netflix und Amazon für Inhalte ausgeben. In diesem Jahr sollen es allein bei Netflix 15 Milliarden Dollar sein, 80 Prozent davon für eigene Serien und Filme.

Für Netflix lohnen sich so hohe Ausgaben nur, wenn die Inhalte an möglichst viele Nutzer verteilt werden können. In der Vergangenheit war Apple eine solche Philosophie eher fremd, der Konzern hatte vor allem die Nutzer seiner eigenen Geräte im Sinn. Das ändert sich nun langsam. So brachte der Konzern schon im vergangenen Jahr Apple Music in den USA auch auf die Echo-Lautsprecher von Amazon.

Lohnt sich die Kooperation mit Apple für Verlage?

Und während der Consumer Electronics Show (CES) im Januar verkündeten Apple und Samsung, dass künftig iTunes auch auf Samsung-Fernsehern verfügbar sein wird. „Auf unseren Smart TVs sehen wir ein rapides Wachstum bei den Zugriffszahlen auf Streamingdienste“, sagt Samsung-Manager Leif-Erik Lindner. „Die schnelle Verfügbarkeit neuer und populärer Streamingdienste ist mittlerweile ein wichtiges Kaufkriterium – entsprechend sind Partnerschaften mit Streamingdiensten ein Kernelement unserer Strategie.“

Die neue TV App des Konzerns soll bald außer auf Samsung-Fernsehern sogar auf weiteren Geräten verfügbar sein, darunter auch auf Fernsehern von LG, Sony und Vizio und auf Settop-Boxen von Roku und Amazon Fire TV.

Doch Apple belässt es nicht bei Flatrates für TV-Shows und Musik. Künftig soll es auch eine Gaming-Flat geben, die Apple Arcade heißt und ab Herbst in mehr als 150 Ländern verfügbar sein soll.

Zum Start sollen es mehr als 100 neue und exklusive Spiele sein, die Nutzer für eine monatliche Abo-Gebühr spielen dürfen. Den Preis dafür hat Apple jedoch noch nicht genannt.

Im Vergleich zum Video-Streaming ist der Markt für Spiele-Abos noch nicht so umkämpft. Doch auch hier haben mehrere Unternehmen angekündigt, Spiele über die Cloud anbieten zu wollen, in der vergangenen Woche präsentierte Google dafür seine Stadia-Plattform. Microsoft, der Spiele-Entwickler Electronic Arts und der Technologiekonzern Nvidia arbeiten an ähnlichen Diensten oder testen sie bereits. 

Schwer dürfte es Apple auch mit seiner neuen News-Flatrate für monatlich zehn Dollar haben, denn Berichten zufolge will Apple nur 50 Prozent der Abo-Gebühren an die Verlage weitergeben. „New York Times“-Chefredakteur Mark Thompson hat Kollegen davor gewarnt, für den Dienst ihre Inhalte zur Verfügung zu stellen. Es bestehe das Risiko, die Kontrolle über das eigene Produkt zu verlieren. Vorerst wird Apples Flatrate in den USA verfügbar sein, zum Deutschland-Start gibt es keine Angaben.

Auf dem Weg zum zweiten Standbein

Während die „New York Times“ und die „Washington Post“ Berichten zufolge Apple einen Korb gegeben haben, wird das „Wall Street Journal“ (WSJ) und die „Los Angeles Times“ bei dem neuen Angebot mit dem Namen Apple News+ dabei sein. Ohne Risiko ist das nicht. Von seinen Digitalnutzern verlangt das WSJ einen Monatspreis von 39 Dollar. Gut möglich, dass nun diese Kunden zur Apple-Flatrate wechseln, die nur ein Viertel davon kostet.

Dass Apple zum Start die Inhalte von gut 300 Magazinen anbieten kann, liegt vor allem an der Übernahme von Texture aus dem vergangenen Jahr. Das Unternehmen hatte bereits ein ähnliches Angebot für zehn Dollar im Monat. Mit dem Kauf hat Apple nach einem Bericht des „Wall Street Journals“ den Zugriff auf die meisten größeren nordamerikanischen Magazine für einen Zeitraum von fünf bis 20 Jahren bekommen. Apple behält auch dort einen Anteil von 50 Prozent, der in Verträgen mit Verlagen wie Hearst Magazine und Condé Nast festgeschrieben sein soll. 

Das Angebot ist in den USA und Kanada ab sofort verfügbar, in Kanada sind die Zeitung „The Star“ und mehr als 30 kanadische Magazine Bestandteil des Dienstes. Australien soll noch in diesem Jahr folgen, genauso wie Großbritannien. Später sollen weitere europäische Länder hinzukommen. Angaben zur Markteinführung in Deutschland hat Apple nicht gemacht.

Apples Inhalte-Offensive bedeutet natürlich keine Abkehr von bisherigen Geschäften. Die iPhone-Verkäufe sind nach wie vor hochprofitabel. Doch mit den Diensten baut sich Cook ein weiteres Standbein auf, das für eine Streuung des Risikos sorgt. Letztlich werden die Abonnement-Dienste aber auch zu einer größeren Bindung der Nutzer an ihre Apple-Geräte führen. Apple hätte also einen doppelten Nutzen.

Dieser Text erschien zuerst auf Welt Online

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