Trotz der Corona-Krise haben mehr Menschen einen batteriebetriebenen PKW oder einen Plug-in-Hybrid neu zugelassen. Durch die Krise sind in der Summer aber deutlich weniger Fahrzeuge angemeldet worden.

Die erste Station von Aral mit einer Schnellladesäule für Elektroautos steht seit Ende vergangenen Jahres an einer viel befahrenen Ausfallstraße in Bochum. Ein Dach darüber hatte der Tankstellenkonzern jedoch nicht spendiert. Mancher Kunde musste im Regen den Stecker anschließen.

Doch nun entdeckt die BP-Tochtergesellschaft ihr Herz für die Fahrer eines E-Autos. „Wir werden die Verkehrsführung auf dem Tankstellengelände verbessern und für unsere Kunden wo möglich eine Überdachung bauen“, sagt Aral-Chef Patrick Wendeler.

Lange Zeit haben die Ölkonzerne die Elektromobilität nicht zu ihrem Geschäft gezählt. Noch machen Aral, Shell und Co. mit ihren rund 14.500 Tankstellen im Land ein wachsendes Milliarden-Geschäft mit dem Verkauf von Benzin und Diesel bei verlässlichen Gewinnmargen.

Doch diese Haltung ändert sich gerade. Deutschlands Tankstellen-Marktführer Aral will binnen zwölf Monaten 30 Ladestationen mit jeweils zwei Säulen und wiederum je zwei Ladepunkten sowie einer Leistung von 350 Kilowatt (kW) errichten.

Zunächst betrifft dies Benzinstationen vorwiegend an Autobahnen, Bundesstraßen und in Großstädten. Das Besondere daran ist der schnelle Ladevorgang. Aral verspricht das Nachladen von 350 Kilometern Reichweite innerhalb von zehn Minuten. Hintergrund der Aktivitäten dürfte die steigende Zahl der Fahrzeuge sein: Im Monat Juli haben so viele Deutsche eine Kaufprämie für ein E-Auto beantragt wie noch nie seit Einführung der Förderung vor vier Jahren.

Lest auch

Doch der Schwenk der Ölkonzerne hat noch einen anderen Grund: BP wie auch Shell kündigen gerade groß angelegte Umstrukturierungen an, die mit einem Stellenabbau von jeweils 10.000 Arbeitsplätzen verbunden sind. Ausgelöst wird dies durch einen Rollentausch: Nicht mehr das Geschäft der Öl- und Gasförderung, sondern der Verkauf von Energie an die Kundschaft steht in den Konzernen jetzt im Mittelpunkt.

Lange Jahre galt dieses sogenannte Downstream-Geschäft als lästiges Anhängsel der äußerst lukrativen Förderanlagen. Das ist nun vorbei. Die Zukunft soll laut den Konzernstrategen dem Absatz von Wasserstoff, Flüssiggas oder Strom und für eine Zeit noch Benzin und Diesel gehören.

Tankstelle soll auch für E-Autos zum Anlaufpunkt werden

Der natürliche Ort für Autofahrer zum Auftanken – die Tankstelle – soll auch für Elektroautos zur wichtigsten Anlaufstelle werden. Aral will gar zum „führenden Anbieter von ultraschnellen Ladestationen“ werden und das zu einer Zeit, in der in Deutschland rund 29.000 öffentlich zugängliche Ladestellen existieren. Die allermeisten Stromtankstellen werden von Parkhäusern, Stromversorgern, Hotels oder Supermärkten betrieben. Die Autokonzerne BMW, Daimler, Ford und Volkswagen planen eigene Netze.

Langfristig will Aral nach eigenen Angaben Schnellladesäulen an mehreren hundert Standorten errichten – wenn sich „ein wirtschaftlich tragfähiges Geschäftsmodell realisieren lässt“, wie es heißt. Zuvor hatten bereits Shell und Total als Nummer zwei und vier im deutschen Benzinmarkt den Bau von zusammen weiteren 160 Elektroladeanlagen angekündigt.

Überwiegend verfügen diese Anlagen über eine Leistung von 150 Kilowatt. Die Billigmarke Jet als Branchendritter im Benzinmarkt prüft nach eigenen Angaben noch die Optionen.

Für Bewegung bei dem Thema sorgte zuletzt die Bundesregierung mit der Einführung einer sogenannten Versorgungsauflage, die Tankstellen den Verkauf von Strom vorschreiben soll. Auch wenn Details und Zeitplan noch unklar sind, dürfte dies die Ölkonzerne aufschrecken und zum Handeln antreiben.

Lest auch

Allerdings nähern sich die Tankstellenketten dem Thema ganz unterschiedlich. So setzt Aral ausschließlich auf jene Turbo-Ladesäulen. Deren Kosten sind laut Branchenangaben mit rund einer halben Million Euro vergleichsweise hoch. Eine einfache E-Ladesäule ist dagegen schon für weniger als 100.000 Euro zu haben. Besonders aufwendig ist der Stromanschluss für eine derart hohe Kilowatt-Leistung beim Stromladen.

Dahinter steht bei Aral die Überzeugung, dass das Energieladen so schnell funktionieren soll wie der Tankvorgang beim Benzin samt Wartezeit und Bezahlen. Immerhin lauten die drei Entscheidungskriterien der Deutschen bei einem E-Auto Reichweite, Preis und nicht zuletzt Ladezeit. Nach einer repräsentativen Umfrage halten 58 Prozent der deutschen Autofahrer nur dann ein E-Auto für eine Kaufoption, wenn die Ladezeit maximal 30 Minuten dauert.

Lest auch

Neben dem Verkauf von Benzin und Diesel weiten die Tankstellenkonzerne permanent ihr Geschäft an den Stationen aus. Laut einer Branchenstudie des Marktforschungsunternehmens Scope ist der Umsatz in den Tankstellenshops durch den Verkauf etwa von Tabak, Alkohol und Lebensmitteln in den vergangenen zehn Jahren von 800.000 Euro im Durchschnitt auf fast eine Million Euro pro Tankstelle und Jahr gestiegen.

Der Tankstellenpächter bezieht seinen Unternehmensgewinn zu rund zwei Dritteln aus dem Shopgeschäft sowie aus Dienstleistungen wie der Autowäsche. Ob der Stromverkauf als weitere Gewinnquelle taugt, wird sich wohl erst in einigen Jahren zeigen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de.

Bild: Westend61 / Getty Images