Sie hat die Haare schön. Ob es an Gummibärchen lag?

Na, heute auch schon mehrfach in den Spiegel geguckt? Haare gecheckt, Haut überprüft, Falten gezählt? Den Duchschnittsdeutschen ist ihr Aussehen so wichtig, dass sie dafür jeweils durchschnittlich 179,61 Euro im Jahr ausgeben, wie das Statistische Bundesamt feststellte. In diesem Jahr soll der Umsatz auf dem Kosmetikmarkt mehr als 15 Milliarden Euro betragen, Tendenz steigend; das größte Segment Körperpflege erzielt mehr als sieben Milliarden Euro. In diesem Bereich wollen auch die Gründerinnen von Bears with Benefits mitmischen. 

Lena Hien und Laurence Saunier verkaufen seit 2018 Fruchtgummis, die neben schönem Haar auch eine gute Haut sowie ein jugendliches Aussehen versprechen. Dafür sorgen sollen verschiedene Inhaltsstoffe wie Hanföl, Biotin und Kollagen. Sechs Produkte bietet das Münchner Startup aktuell an, die in Zusammenarbeit mit einem Team aus Pharmazeuten und Ernährungsmedizinern entwickelt werden.

Das Vorbild Aus den USA kommen ähnliche Lebensmittel, die ein besseres Aussehen zusichern. Das 2015 gegründete Startup Sugarbear Hair, viele Jahre als bestverkauftes Beauty-Vitamin auf Amazon.com gerankt, konnte Prominente wie Kylie Jenner als Werbeträger gewinnen. Weitere Unternehmen, die Nahrungsergänzungsmittel fürs Haar anbieten, sind unter anderem Ivy Bears aus Las Vegas, Yuicy aus Berlin und Frummi, hergestellt im baden-württembergischen Weissach/Flacht.

Hien (32) und Saunier (43) arbeiteten vor der Gründung von Bears with Benefits in führenden Positionen in einer Werbeagentur. Ihre Produkte verkaufen sie unter anderem bei Douglas, DM und Flaconi. Zwei Mitarbeiter beschäftigen die Gründerinnen, außerdem arbeiten sie mit einer Ernährungsmedizinerin zusammen. Die Produktion der Bärchen, für die die Gründerinnen nach eigenen Angaben ausschließlich natürliche Lebensmittelfarbe und Aromen verwenden, erfolgt in Deutschland. 

Laurence, Lena, wie viele Gummibärchen muss ich eigentlich essen, um tolles Haar zu bekommen? So manche Youtuber haben die Süßigkeiten ein Jahr lang probiert, mal mit mäßigem, mal mit gutem Erfolg.

Laurence: Bei Youtube haben die Nutzer aber wahrscheinlich nicht unsere Gummibärchen gegessen, sondern andere, oder?

Genau.

Laurence: Die meisten Produkte unserer Wettbewerber sind deutlich geringer dosiert als unsere Bärchen. Außerdem enthalten sie oft noch einige Zusatzstoffe. Das Haarwachstum ist am Ende individuell abhängig, jeder Stoffwechsel funktioniert anders und hängt davon ab, wie viel jemand schläft, ob er oder sie sich gesund ernährt oder Stress hat. Das sehr hoch dosierte Biotin, das wir anbieten, wirkt vor allem dann sehr gut, wenn jemand tatsächlich ein Problem mit seinen Haaren hat. Etwa einen Nährstoffmangel. Denn Biotin sorgt dafür, dass die Haare in den Haarfollikeln besser verankert sind. So fallen Haare weniger aus und können länger wachsen.

Was war also das Problem bei den schlechten Testresultaten?

Wenn jemand normale Haare hat, sprich keine nennenswerten Probleme, dann wird die Biotin-Zugabe keine Veränderung bewirken. Das Feedback bekommen wir ehrlicherweise auch. An den Nägeln oder an den Wimpern bemerken aber viele einen Unterschied. Studien zeigen, dass ab fünf Milligramm Biotin Verbesserungen im Haarbild sichtbar sein können. Bei den untersuchten Frauen lag der Haarausfall häufig am Biotin-Mangel. Bei ihnen würde unser Produkt also helfen. Es gibt aber auch Frauen, die an hormonellem oder anlagebedingtem Haarausfall leiden, und da können auch wir dann nichts machen. 

Also müsste jemand vor der Einnahme am besten einen Arzt aufsuchen, um herauszufinden, ob sich die Fruchtgummis für ihn oder sie überhaupt eignen?

Lena: Im Zweifel hilft immer ein Labortest beim Arzt, also ein großes Blutbild. Oder man schaut auf die Symptome: Habe ich brüchige Fingernägel? Fallen mir viele Haare aus? 

Lena Hien (l.) und Laurence Saunier

Zurück zur Eingangsfrage: Wie lange müsste jemand die Bärchen dann nehmen, um einen Effekt zu spüren, sofern er sich mit euren Gummibärchen erzielen lässt?

Lena: Acht bis zwölf Wochen. Denn ein Mangel muss erstmal ausgeglichen werden, um wieder ein Normallevel zu erreichen. Das kann bei regelmäßiger Einnahme bis zu drei Monate dauern. Wir versprechen unseren Kunden insofern auch nicht, dass sich ihre Haare nach zwei Wochen total verändern. Zwar berichten manche, dass das bei ihnen so sei. Aber im Grunde gilt es, die Gummibärchen über mehrere Monate zu nehmen. Es geht hier nicht um eine Behandlung der Symptome, sondern um eine Behandlung der Ursachen. Das Biotin ändert nicht den anlagebedingten Haarwuchs. Es macht aus blonden keine dunklen Haare oder aus dünnen dicke.

Laurence: Was eine Person mit Haarproblemen jedoch schon relativ schnell an Verbesserungen sehen kann, ist, dass weniger Haare in der Bürste bleiben. An den Schläfen bilden sich auch schnell Babyhärchen, also die kurzen, feinen Haare. Aber auch hier kommt es wieder sehr auf den Einzelfall an. Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) kann ein normaler Erwachsener bei gesunder Ernährung auf Nahrungsergänzungsmittel verzichten. Aber die Frage ist doch: Wer ist ein normaler Erwachsener? Ist dieser männlich, weiblich, und wie alt ist er oder sie? Welchen Stress hat er, lebt sie in der Großstadt? Die Bandbreite ist extrem hoch. Und gerade bei jemandem, der seine Haut oder seine Haare verbessern möchte, reicht eine normale Ernährung im Zweifel nicht aus.

 

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24,95 Euro für 150 Gramm euer Gummibärchen, das ist viel Geld. Warum soll ich sie trotzdem kaufen statt zum Beispiel Biotin-Tabletten aus dem Drogeriemarkt, die nur die Hälfte kosten? 

Laurence: Auch hier lässt sich keine Pauschalaussage treffen. Oft sind diese Pillen geringer dosiert oder es steckt nur ein einzelner Inhaltsstoff darin. Wir haben einen kompletten Komplex im Angebot, neben Biotin zum Beispiel auch Folsäure, Zink und Vitamin A. Herunter gerechnet auf die Biotin-Dosis sind wir damit auch gar nicht mehr viel teurer. Zum anderen steckt in weißen Pillen sehr häufig der Farbstoff Titandioxid, der umstritten ist und auf den wir verzichten – ebenso wie auf Füllmittel. Zudem sind die meisten unserer Gummibärchen vegan.

Lena: Je mehr Stoffe ich zu mir nehmen will, desto mehr Pillen müsste ich schlucken.Bei uns stecken in in einem Gummibärchen mit zweieinhalb Gramm gleich etliche Tabletten, das wäre eine Riesenpille. Außerdem verbinden viele Menschen mit dem Schlucken von Pillen das negative Gefühl, dass sie Medizin nehmen. Als wären sie krank. Genauso deswegen wollen wir die Einnahme auch mit etwas Positivem besetzen.

Info: Wie viel bringt die Einnahme der Gummibärchen wirklich? Laut Verbraucherzentrale werden diese Produkte vor ihrer Markteinführung von Behörden weder auf Wirksamkeit noch auf Sicherheit geprüft. Der Verein schreibt auf seiner Webseite, dass es keine Zulassung wie bei Arzneimitteln gebe. Die örtliche Lebensmittelüberwachung ist zwar für die Kontrolle der Einhaltung von Werbeaussagen zuständig, kommt aber kaum hinterher, so Britta Schautz, Projektleitung Ernährung und Lebensmittel der Verbraucherzentrale Berlin, gegenüber Gründerszene. Die Verbraucherzentrale empfiehlt allerdings Höchstmengen für die Inhaltsstoffe, zum Beispiel die Menge an Vitaminen, die pro Tagesdosis enthalten sein sollten, verbindlich sind diese aber ebenso wie eine Zulassung noch nicht.

Warum dann gerade Gummibärchen?

Laurence: Wir haben zwei große Trends gesehen, die unserer Meinung nach noch nicht ausreichend bedient waren. Zum einen der riesige Markt mit Nahrungsergänzungsmitteln, der in den Jahren relativ innovationslos daherkam und auch sehr maskulin und rational getrieben ist. Es geht immer um einen Mangel oder die Optimierung von irgendetwas. Auf der anderen Seite steht ein Riesentrend in der Kosmetikindustrie hin zu natürlicher Schönheit und dem Motto „no make-up, no filter“. Die beiden Trends wollten wir miteinander kombinieren. Wir möchten die Kategorie Beauty Food definieren. Unser Produkt soll neue Zielgruppen erschließen, die sich im Markt der Nahrungsergänzungsmittel bislang nicht wiederfinden. Junge, feminine Millennials. Viele von ihnen gehen in die Apotheke, wissen dort aber eigentlich auch nicht so richtig, was sie eigentlich brauchen für schöne Nägel, Haut und Haare. Dann schauen sie sich bei Douglas nach einem Beauty-Produkt um. 

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Welche Rolle spielen Influencer bei der Vermarktung eures Produkts? 

Lena: Wir arbeiten auf verschiedenen Marketing-Kanälen, Instagram ist ein sehr wichtiger davon. Vor allem, weil dort eine sehr Beauty-bewusste Zielgruppe unterwegs ist. Wir arbeiten mit Influencern aller Größen zusammen. Wir stellen Testpakete zur Verfügung, und wer möchte, berichtet darüber. Zwar handelt es sich um bezahlte Kooperationen, nichtsdestotrotz können auch Influencer die Produkte über mehrere Wochen testen, bis sie eine Aussage treffen wollen. 

Ihr zeigt auf eurer Website anhand einer Grafik, was in den Bärchen steckt: Vitamin C, das auch in Zitronen vorkommt, Vitamin E, das etwa in Mandeln steckt, und Q10 wie in Brokkoli. Warum soll ich das nicht einfach essen, sondern eure Produkte nehmen?

Laurence: Das kann der Kunde natürlich auch machen, das schreiben wir niemanden vor und kommunizieren das auch so auf unserer Webseite. Wir schreiben auch, dass Nahrungsergänzungsmittel immer nur eine Ergänzung sind, niemals ein Ersatz. Sport zu machen, viel zu trinken, frisch zu kochen und auch mit Genuss essen – das sind alles Faktoren, die in den Komplex mit reinspielen. Die Frage ist nur: Was ist, wenn ich das alles nicht schaffe? Als Verbraucher kann ich mich entscheiden, was ich nutzen will – und vielleicht sind es unsere Gummibärchen. Wir möchten eine positive Routine darstellen, die Spaß macht und die sich leicht in den Alltag integrieren lässt.

Wie seid ihr ins Geschäft gestartet?

Laurence: Mit den Gummibärchen haben wir auf Amazon als Testmarkt angefangen, um schnell Kunden-Feedback zu bekommen und zu experimentieren, welche Preisspanne, Keywords und Bilder funktionieren. Uns war es sehr wichtig, ein digitales Paket zu entwickeln – eines, das auf Instagram funktioniert und auf kleinen mobilen Flächen. Wir haben bei Amazon extrem schnell gute Conversion-Rates bekommen. Wir sind gebootstrapped und haben keine großen Marketingbudgets und trotzdem aus dem Stand heraus sehr gut verkauft. Mit diesem Geschäftsmodell sind wir zu Douglas gegangen, dort sind wir seit Januar 2019 gelistet. Dann folgten unter anderem DM, Rossmann und unser eigener Onlineshop. 

Wie viel verdient ihr mit den Fruchtgummis? 

Lena: Das ist sehr unterschiedlich, weil wir auf verschiedenen Kanälen verkaufen, die unterschiedliche Handelsmargen haben. Insgesamt haben wir im vergangenen Jahr einen siebenstelligen Netto-Innenumsatz erwirtschaftet und über 100.000 Produkte verkauft. 2020 wird sich der Umsatz voraussichtlich mehr als verdoppeln, trotz Corona. Wir waren von Anfang an profitabel, auch wenn Investoren das nicht so gerne hören.  

Wärt ihr denn offen für ein Angebot von Investoren?

Laurence: Klar, das würden wir nie ausschließen. Wir sehen, wie viel wir in den ersten zwei Jahren geschafft haben und wie wir organisch wachsen konnten. Jetzt sind wir breit aufgestellt in Deutschland, Österreich und der Schweiz und auch mit unserem eigenen Onlineshop, weswegen der Schritt durchaus in Frage kommt, uns mit Investoren auseinanderzusetzen. Auch ein Exit ist irgendwann denkbar. 

 Bilder: Unsplash/ Averie Woodard; Bears with Benefits