Ann-Sophie Claus (26, links) und Sinja Stadelmaier (24) vor ihrer Tampon-Dose (links im Bild)– mit Brust-Aufdruck.

Dass Blut in die Isolation zwingen kann, lernten Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier in Indien. Mit ihren Rucksäcken reisten die beiden durch das Land, in dem Frauen während ihrer Periode als „unrein“ gelten. „Mädchen gehen in dieser Zeit teilweise nicht in die Schule. Das hat uns mitgenommen“, erzählt Claus im Gespräch mit Gründerszene. „Zuhause haben wir dann gemerkt, dass der Umgang mit dem Thema auch in Deutschland noch sehr steif ist.“

Anfang 2017 begannen Claus und Stadelmaier, ihr Startup The Female Company aufzubauen, das Tampons aus Bio-Baumwolle im Abo verschickt. „Wir hätten es toll gefunden, nach Indien zu gehen. Aber man vergisst häufig, dass vor der Tür auch viel zu tun ist“, sagt Claus. Was sie damit meint: Vielen Frauen ist ihre Periode auch Jahre nach ihrer ersten Monatsblutung noch peinlich. Im Büro fragen sie Kolleginnen deshalb mit gesenkter Stimme nach Tampons. Für manche Frauen werden Schwimmbäder monatlich zur Sperrzone, aus Angst, der Rückholfaden könnte aus der Bikinihose herausschauen.

Nackte Brüste als Marketingmotiv

Dass sich aber gerade aus Tabuthemen prominente Unternehmen aufbauen lassen, haben Firmen wie Amorelie oder Einhorn gezeigt. In den vergangenen Monaten sind in Deutschland gleich drei Startups an den Start gegangen, die sich mit der Menstruation ein weiteres dieser Themen vorknöpfen. Alle verarbeiten in ihren Tampons ausschließlich Bio-Baumwolle, bieten Abonnements an und werben damit, im Gegensatz zu etablierten Herstellern auf Zusätze wie Chlor, Parfum oder Kunststoffe zu verzichten. Sie wollen Transparenz herstellen. Denn: Auf Tampon-Packungen steht meist nicht drauf, was drin ist. Weil Hersteller es schlicht nicht angeben müssen.

Optisch unterscheiden sich die Bio-Tampons nicht von handelsüblichen Produkten, sie sind unscheinbar weiß und in Plastikfolie verpackt. Für die Startups bedeutet das, dass sie auf die Werbetrommel hauen müssen, um aufzufallen. „Wir wollen eine laute, auffällige Marke sein“, sagt Female Company-Mitgründerin Claus. „Läuft bei dir?“, werden Kundinnen etwa auf der der Webseite des Startups gefragt. Die Gründerinnen tragen auf Fotos T-Shirts mit stilisierten, nackten Brüsten. Juno & Me aus Mainz und der Hamburger Anbieter Mylily sind da etwas zurückhaltender, versenden ihre Tampons aber auch in hippen Boxen. Ihre Botschaft: Es ist okay, seine Tage zu haben. Und ein bisschen cool ist es auch.

Die Mylily-Box landet zum Beispiel monatlich oder zweimonatlich im Briefkasten der Kundinnen, die bei der Bestellung selbst über Lieferturnus und Tampon-Größen in den Boxen entscheiden. Eine Box enthält 16 Tampons. Die Abos von The Female Company und Juno & Me funktionieren ganz ähnlich.

Julia Steigerwald (32, zweite von links) leitet den Mainzer Bio-Tampon-Versand Juno & Me.

Bis zu 38 Cent pro Tampon

Die Startup-Tampons sind teurer als Ware aus dem Drogerie-Regal. Bei Mylily kostet ein Tampon beispielsweise knapp 28 Cent, bei The Female Company werden – Versandkosten eingerechnet – knapp 30 Cent pro Stück fällig, bei Juno & Me sind es 38 Cent. Zum Vergleich: Tampons des europäischen Marktführers o.b., der zum US-Konzern Johnson & Johnson gehört, kosten zwischen neun und 16 Cent pro Stück.

„Die Zahlungsbereitschaft ist da“, kommentiert Juno & Me-Gründerin Julia Steigerwald die Preise gegenüber Gründerszene. Die studierte Publizistin verkauft seit etwa drei Monaten Bio-Tampons, die sie in Deutschland produzieren lässt. The Female Company setzt auf einen Hersteller in Spanien, Mylily auf einen slowenischen Produzenten. Alle drei Startups versprechen, dass ihre Produkte so viel Blut aufnehmen wie normale Tampons und sich nicht schlechter anfühlen.

Konkrete Kennzahlen zu Juno & Me will Steigerwald zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht nennen. Dazu sei es nach drei Monaten zu früh, sagt sie. Die Kunden- und Abonnentenzahlen hätten sich aber „krass entwickelt“ und viele Frauen seien direkt ins Abo eingestiegen, ohne vorher eine Box gesehen zu haben. „Über Zahlen sprechen wir nicht so gerne“, sagt auch Claus von The Female Company. Ziel des Startups sei es, bis Ende dieses Jahres 3.000 Abonnentinnen zu gewinnen. Mylily-Mitgründerin Heide Peuckert spricht von „1.000 Kundinnen“ seit dem Start des Versands im März. In Amsterdam sitzt mit Yoni ein weiterer Bio-Tampon-Versender, der auch nach Deutschland liefert.

US-Startups sind bei Finanzierung schon weiter

Stattliche Finanzierungen gab es für die Anbieter noch nicht. Steigerwald berichtet, sie habe für ihr Unternehmen Geld von Familie und Freunden sowie ein kleines Seed-Investment eines Business Angels zum Start bekommen. Eine größere Runde würde nun anvisiert. Mylily habe eine „niedrige sechsstellige Summe von drei Business Angels“, eingesammelt, so Gründerin Peuckert. In The Female Company sind bislang die Ersparnisse der Gründerinnen geflossen. Claus: „Eine Finanzierungsrunde ist in Planung. Investoren werden wir aber sorgfältig aussuchen. Sie müssen verstehen, was wir erreichen wollen. Wir machen das, weil wir wirklich hinter der Idee stehen und den eingestaubten Markt mit unserer Marke aufrütteln wollen“, so die 26-Jährige. Die US-Amerikaner sind in Sachen Finanzierung – wie so oft – schon weiter.

Die beiden US-Startups Lola und Cora, 2014 und 2015 gegründet, haben ein breiteres Produktspektrum als ihre deutschen Mitstreiter: Sie verkaufen neben Tampons etwa Binden und Multivitamin-Tabletten gegen Regelbeschwerden. Auch der Investoren-Geldbeutel scheint in dem Segment jenseits des Atlantiks bislang lockerer zu sitzen: Lola hat in einer Series B erst vor wenigen Tagen 24 Millionen Dollar eingesammelt, über elf Millionen hatte die Firma davor bereits von Investoren eingeworben. In Coras Funding-Topf sind bis heute sechs Millionen Dollar geflossen.

Die US-Startups wollen aus der Regelblutung ein Statement machen. Im Cora-Sortiment findet sich beispielsweise eine goldene Kette mit dickem Tampon-Anhänger. Für jede verkaufte Kette spendet das Startup eigenen Angaben zufolge einen Jahresvorrat an Binden an ein kenianisches Mädchen. Ein Prinzip, das die deutschen Anbieter über Partnerschaften und Spenden in ähnlicher Weise verfolgen.

Ein überschaubarer Markt

„Momentan ist der Bio-Tampon-Markt noch überschaubar, eine spitze Nische“, sagt Steigerwald. Die Zahlen aus den USA stimmten sie aber sehr zuversichtlich, sagt sie: „Da ist ein großes Potenzial.“ Female Company-Macherin Claus ist ähnlich optimistisch: „Ich hoffe, dass Bio-Ware einmal 50 Prozent des Tampon-Markts ausmachen wird.“

Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass Marken wie o.b. künftig mit eigenen, billigeren Bio-Pendants an den Start gehen – und den Startups die Kundinnen wegschnappen. „Die größeren Hersteller werden es aber schwieriger haben, sich gegen ihre eigenen Produkte zu positionieren“, meint Steigerwald. Sie arbeitet neben ihrem Startup noch in Teilzeit beim Mainzer Online-Weinhändler Vicampo. „Meine Erfahrungen im Marketing und CRM bei Vicampo will ich jetzt nutzen und auf den Tamponmarkt übertragen. Die Tampon-Marke wechselt man ja nicht jeden Monat, von daher bin ich überzeugt, dass es sich lohnt, in eine starke Kundenbindung zu investieren“, glaubt die 32-Jährige.

Auch Windeln und Rasierklingen gibt es im Abo

Damenhygiene ist in Deutschland ein Millionenmarkt. Im laufenden Jahr wird er den Herstellern von Tampons, Binden und Einlagen Schätzungen zufolge Umsätze von 353 Millionen Euro bescheren. Noch wird erst ein kleiner Prozentsatz dieses Umsatzes online erwirtschaftet. Ob sich das in absehbarer Zeit ändern wird, hängt sicherlich auch davon ab, wie viel Aufmerksamkeit die Abo-Startups in Zukunft auf sich und ihr Geschäftsmodell ziehen können.

Abo-Produkte zur Körperpflege sind dabei nichts grundlegend Neues. Der kalifornische Dollar Shave Club verschickt beispielsweise seit 2011 Rasierklingen auf Monatsbasis – und schöpfte Procter & Gamble ordentlich Marktanteile ab. Für diesen Erfolg wurde das Unternehmen fünf Jahre nach seiner Gründung für eine Milliarde Dollar von Unilever übernommen. Das deutsche Gegenstück zum Dollar Shave Club ist Mornin’ Glory. Windeln im Abo verschickt beispielsweise das Frankfurter Startup Lillydoo.

Auch mit Tampons versuchte es ein Startup schon einmal: Tampons For You. Es bot über seinen Onlineshop werbegesponserte und kostenlose Tampons an, die monatlich nach Hause geliefert wurden. Die Verpackung war dabei jeweils im Design der werbenden Unternehmen gehalten. Mitte 2014 wurde das Crowd-finanzierte Unternehmen liquidiert.

Damit es ihnen nicht genauso ergeht, haben die neuen Bio-Tampon-Startups ihre ganz eigenen Wachstumsstrategien. The Female Company will bis spätestens Ende 2019 auch Firmen beliefern. Arbeitgeber sollen dafür zahlen, dass in den Damentoiletten im Büro genügend Tampons stehen. Ein größeres Sortiment, ähnlich dem der US-Vorbilder, sei bei allen Startups geplant, heißt es.

In den Einzelhandel hat es bislang noch keins der genannten deutschen Startups geschafft. Dafür sind sie noch nicht lange genug am Markt. Immerhin: Kondome und Sexspielzeug von Berliner Jungunternehmen gibt es inzwischen in einschlägigen Drogeriemärkten. Und bei Tampons dürfte die Tabu-Hemmschwelle seitens des Handels sicherlich deutlich niedriger sein.

Bild: © Linda Ambrosius