Steve Jobs war Mitgründer und CEO von Apple.
Steve Jobs war Mitgründer und CEO von Apple.

Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch „Management: Die Top-Tools der Besten“ von Frank Arnold. Der Unternehmensberater aus Zürich will mit seinem Buch Managementwissen vermitteln – und zwar am Beispiel der „Besten ihres Fachs“. Er erklärt, wie Elon Musk, Richard Branson, Steve Jobs und Co. erfolgreich geworden sind und was Unternehmer davon lernen können. 

„The Magician“ titelte die Zeitschrift The Economist am 8. Oktober 2011. Eine tiefe Verbeugung dieser renommierten Wochenzeitung vor einem der einflussreichsten Menschen unserer Zeit. Steve Jobs (1955–2011) veränderte unsere Welt, unsere Gewohnheiten, unseren Anspruch – nichts Geringeres als das. Er war ein Pionier, den man schon zu Lebzeiten auf eine Stufe mit Genies wie Thomas Alva Edison, Henry Ford, Walt Disney oder Albert Einstein stell- te. Er selbst sah sich als Revolutionär gegen die großen Unternehmen dieser Welt und wurde seinerseits aber von vielen Unternehmenslenkern als einer der größten Chief Executives unserer Zeit gepriesen. Er war ein verschlossener Mensch, gab praktisch nie Interviews über Persönliches. Wenn es allerdings darum ging, eines der neuen Apple-Produkte zu präsentieren, lieferte er immer eine fulminante Show. In dieser Hinsicht konnte ihm niemand das Wasser reichen. Seine Produkteinführungen, bei denen er allein, wie gewohnt im schwarzen Rollkragenpulli, auf einer schwarzen Bühne das nächste „unglaubliche“ Apple-Produkt inszenierte und voller Enthusiasmus vorstellte, waren Meisterleistungen eines echten Showmans. 

Doch nicht nur Steve Jobs’ Produkteinführungen haben Kultstatus erlangt. Auch junge Menschen konnte der Unternehmer mit seiner Persönlichkeit begeistern. Im Sommer 2005 hielt Jobs an der Stanford University eine legendäre Ansprache. Er erzählte den Studenten, dass er als junger Mann einmal ein Zitat gelesen habe: „Wenn du jeden Tag lebst, als sei er dein letzter, wirst du irgendwann recht haben.“ Jobs fuhr fort, dass er sich seit jenem Tag frage, ob er das tue, was er wirklich tun wolle, wenn heute sein letzter Tag wäre – und falls die Antwort Nein laute, ändere er seinen Plan. „Eure Zeit ist begrenzt. Vergeudet sie nicht damit, das Leben eines anderen zu leben. Lasst euch nicht von Dogmen einengen – dem Resultat des Denkens anderer. Lasst den Lärm der Stimmen anderer nicht eure innere Stimme ersticken. Das Wichtigste: Folgt eurem Herzen und eurer Intuition, sie wissen bereits, was ihr wirklich werden wollt“, gab er den Studenten mit auf den Weg. Und er schloss mit einem Leitspruch, der sein gesamtes Leben geprägt hat: „Stay hungry, stay foolish.“ 

Ganze Bücher wurden darüber geschrieben, was man alles von Steve Jobs lernen kann. An dieser Stelle möchte ich den Blick auf einen ganz kleinen, für das Management aber ganz besonders wichtigen Aspekt lenken: Steve Jobs war nicht deswegen innovativ, weil er als Erster die Idee hatte,

  • den ersten erschwinglichen Computer für den Durchschnittshaushalt zu entwickeln und damit den Massenmarkt zu erschließen,
  • einen wirklich benutzerfreundlichen Computer mit mausgesteuerter, in- tuitiv verständlicher Benutzeroberfläche für alle Anwender zu entwickeln,
  • den ersten komplett digital animierten Kinofilm zu erstellen und diesen
    zu einem Welthit zu machen,
  • den ersten Computer mit einem Maßstäbe setzenden Design zu entwickeln,
    eine neue Generation von Musikabspielgeräten zu entwickeln, deren welt-
    weiter Erfolg den des Walkman um ein Vielfaches übertreffen sollte,
  • ein Mobiltelefon zu entwickeln, das zum Inbegriff einer neuen Generation
    werden sollte,
  • und letztlich mit Produkten des Digital Lifestyle wie iPod, iTunes, iPhone
    und iPad einen gänzlich neuen Weltmarkt zu begründen.

Steve Jobs war innovativ, weil er als Erster diese Ideen umsetzte! Apple 1, Apple 2, Apple Macintosh, Toy Story und A Bug’s Life, iMac, iPod, iTunes, iPhone und iPad sind Meilensteine, was Umsetzungskraft und wirksame Innovation anbelangt. Die Frage, was wirkliche Spitzenleute auszeichnet, hat eine klare Antwort: „They are getting the right things done.“ Die Umsetzung, das ist es, worum es geht. Denn Ideen zu haben, ist relativ leicht, Ideen umzusetzen, ist etwas ganz anderes.

Eine Kernkompetenz braucht jede Organisation: Innovation. Und dies gilt für alle Organisationen, für Regierungsorganisationen und Nichtregierungs- organisationen, für Unternehmen der Wirtschaft und für Non-Profit-Organisationen. Damit eine Organisation diese Kernkompetenz entwickeln kann, muss an erster Stelle das richtige Verständnis von Innovation stehen, und dafür gibt es einen eindeutigen, kompromisslosen Maßstab: das Ausmaß, in dem Nutzen und Zufriedenheit am Markt und für die Kunden geschaffen werden. Die Bewertung der Innovation kann also nicht innerhalb der Organisation stattfinden, sondern richtet sich ausschließlich danach, was der Kunde will und ob er bereit ist, dafür zu zahlen. Weder der technologische oder wissenschaftliche Wert einer Innovation ist ausschlaggebend noch ist es ihre Originalität, Schönheit oder Qualität oder gar die Meinung der Führungskräfte über die Innovation. Entscheidend ist das Urteil des Kunden im Markt – das ist der Test.

Steve Jobs war Mitgründer und CEO von Apple.
Er hat die Welt durch Innovationen geprägt und dafür sein Privatleben vernachlässigt: Steve Jobs war Mitgründer und CEO von Apple.

Gut geführte Organisationen messen ihre Innovationsleistung systematisch. Dabei sollte der Anfangspunkt nicht die Leistung des Unternehmens sein, sondern die Beobachtung des Marktes: 

  • Welche Innovationen sind in der von uns definierten Periode auf unseren Markt gekommen?
  • Wer hat diese Innovationen auf den Markt gebracht und welche waren be- sonders erfolgreich?
  • Welche Innovationen in anderen Branchen können unseren Markt beein- flussen?
  • Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für uns? 

Es ist das profunde Verständnis des Umfelds, auf dessen Basis Innovationen zu diskutieren sind. Hierauf aufbauend wird dann die eigene Leistung erörtert:

  • Wie viele und welche Innovationen haben wir erfolgreich eingeführt?
  • Stärken diese Innovationen unsere Marktposition? Wenn ja, wo? In bestehenden Märkten, auf denen wir bereits etabliert sind, oder in Märkten mit großem Wachstum, die für uns vielleicht die Zukunft darstellen?
  • Welchen Umsatzanteil erwirtschaften wir mit welchen Produkten?
  • Wie lange gibt es diese Produkte bereits?
  • Ergibt das insgesamt eine gesunde Struktur?

Zu diskutieren ist aber nicht nur die Leistung, sondern auch die Nicht-Leistung, die verpasste Chance, das Versagen und die Fehler, die Dinge, die wir übersehen haben, die Entwicklungen, auf die wir zu spät oder gar nicht reagiert haben. Und auch die Frage: Warum ist uns das passiert? Die Antworten auf diese Fragen sind streng genommen keine Messung von Innovationsleistung, sondern eher eine Beurteilung. Nichtsdestoweniger sind es diese Einschätzungen, die die Basis guter Entscheidungen bilden. Sich in der Führung nur auf Dinge zu verlassen, die man messen und objektiv quantifizieren kann, wäre ein großer Fehler. Wer wie oben skizziert an das Thema Innovation herangeht, ruft zunächst mehr Fragen hervor als Antworten, aber es sind die richtigen und unbedingt notwendigen Fragen. 

Kommen wir zum Abschluss noch einmal auf den Menschen Steve Jobs zurück. Er hat die Welt durch Innovationen geprägt und dafür sein Privatleben oft vernachlässigt. Als Jugendlicher sagte er einmal, er habe einen Wunsch: „to put a ding in the universe“ – und genau das hat er mit dem Kultkonzern Apple und all den innovativen Geräten mehrfach getan. Die Medienwelt vermittelt uns gerne die glänzenden Erfolge solcher Persönlichkeiten. Worüber man weit weniger liest, ist die Kehrseite. Es sind die Entbehrungen und Kompromisse im Privaten, da Zeit immer nur begrenzt zur Verfügung steht. Viele der Großen unserer Welt wissen und wussten, dass sie ihre hochgesteckten Ziele nur erreichen können, wenn sie bereit sind, ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse für ihre gewählte Mission zurückzustellen. Man kann nur den allergrößten Respekt für diese Menschen empfinden, wenn man sich klarmacht, wie weitreichend die Konsequenzen sein können. 

Doch in Steve Jobs regte sich augenscheinlich der Wunsch, mehr zu hinterlassen als eine Kultmarke, vor allen Dingen für seine Familie, die oft außen vor geblieben war. Der an sich verschlossene Steve Jobs bat im Frühsommer 2004 Walter Isaacson, einen der namhaftesten Biografen der Vereinigten Staaten, um ein persönliches Gespräch. Isaacson leitete zu der Zeit das renommierte Aspen Institute in Washington, zuvor war er CEO von CNN und Chefredakteur des Time Magazine gewesen. Jobs wollte wissen, ob er seine Biografie schreiben wolle. Damals war der Apple-Gründer gerade einmal Ende 40. Isaacson fühlte sich zwar geehrt, sagte ihm aber, dass man das Projekt in ein oder zwei Jahrzehnten angehen könne.

Zu diesem Zeitpunkt wusste Isaacson nicht, dass Jobs schwer krank war. Als einige Jahre später Jobs’ Kampf gegen die Krebserkrankung offensichtlich wurde, entschloss Isaacson sich zum Verfassen der Biografie. Die beiden arbeiteten über zwei Jahre miteinander, in über 50 Gesprächen trug Isaacson Steve Jobs’ Leben und Lebenswerk zusammen. Das letzte Interview fand wenige Wochen vor seinem Tod statt. Erst in diesem letzten Gespräch traute sich Isaacson, Jobs die eine Frage zu stellen, die ihm die ganze Zeit über auf den Lippen gelegen hatte: die Frage nach dem Grund, warum sich der sonst so verschlossene Mann für dieses Buch geöffnet habe. „Ich wollte, dass meine Kinder mich kennen“, lautete die Antwort. „Ich war nicht immer für sie da, und ich wollte, dass sie die Gründe erfahren und verstehen, was ich getan habe.“

Aufgaben und Denkanstöße:

  • Führen Sie genaue Aufzeichnungen über die Innovationen in Ihrem Markt.
  • Welche Innovationen Ihrer Organisation schaffen wirklich Kundennutzen, welche waren einfach nur neue Produkte oder Dienstleistungen? Was ist zu tun, damit Sie in engerem Kontakt mit Ihrer Zielgruppe stehen?
  • Haben Sie einen regelmäßigen Rhythmus, in dem in Ihrer Organisation die richtigen Fragen zum Thema Innovation gestellt werden?
  • Was können Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen tun, um die Innovationskraft Ihrer Organisation zu stärken?
  • „Stay hungry, stay foolish.“ Streben Sie ruhig nach Ihren hochgesteckten Zielen, vielleicht verändern Sie sogar die Welt, aber sorgen Sie auch für eine ausgewogene Balance zwischen Ihrem Berufs- und Privatleben.

„Management: Die Top-Tools der Besten“ von Frank Arnold ist im September 2018 beim Redline Verlag erschienen. Taschenbuch, 288 Seiten, 19,99 Euro. 

Bild: Getty Images / Justin Sullivan / Staff