Manche Cannabis-Slogans hätte man vielleicht noch einmal überarbeiten können
Manche Cannabis-Slogans hätte man vielleicht noch mal überarbeiten können.

In den USA nenne man das „den Hippie Speedball“, sagt der Moderator. Er spielt damit auf das an, was gerade auf der Bühne als Megatrend im Marihuana-Wunderland Kanada beschrieben wurde: Cannabis-Präparate zusammen mit Kaffee zu verkaufen. Der Investor aus Amsterdam, der hier auf der International Cannabis Business Conference in Berlin neben mir sitzt, kann sich ein wissendes Lächeln nicht verkneifen.

Dass es im Konferenzsaal recht streng nach Gras riechen würde, war zu erwarten. Die Mischung aus Rastalocken und hartem Business an diesem Morgen in Berlin fühlt sich dann aber doch irgendwie skurril an. Gerade hatte ein Cannabis-Consultant und Investor auf der Bühne gestanden, der mit seinem Auftreten an den jungen Carsten Maschmeyer erinnerte, ohne Schnauzbart, aber mit gut sitzendem Anzug, für amerikanische Verhältnisse jedenfalls. Mit Werbephrasen wie „Opportunity of a Lifetime“ und „Don’t suck“ als Business-Ratschlag hatte der Mann im Anzug für die Cannabis-Szene Werbung gemacht, sein eigenes Geld hat er in viele Unternehmen gesteckt, weil ihm sehr bewusst ist, dass das Geschäft mit der Droge seine Risiken mit sich bringt. 

Dass die Gefahren allerdings die Chancen nicht übertreffen wird beim Zuhören des laufenden Panels allerdings schnell klar. Dort steht man der Droge offener gegenüber als in den meisten anderen Ländern der Welt, bald schon soll der Genuss in der Freizeit legal werden, beim großen Nachbarn im Süden haben immerhin schon mehr als die Hälfte der Bundesstaaten zumindest den medizinischen Gebrauch legalisiert. Entstanden ist ein Wirtschaftszweig, der bereits rund 100 börsengelistete Unternehmen umfasst und in dem sich viele Startups tummeln, auch wenn man von denen auf der Mini-Messe im Vorraum kaum etwas sieht. Mehr als 11.000 Ärzte haben in Kanada Cannabis-Präparate an etwa 400.000 Patienten verschrieben, die Regierung hat 100 Lizenzen für den Vertrieb von entsprechenden Produkten ausgegeben.

Die Versprechen gegenüber den Nutzern und der Gesellschaft sind groß. Weniger Alkoholkonsum soll die Freigabe der Droge bringen, weil das verfügbare Gehalt ja nur einmal ausgegeben werden könne. Und weil Cannabis letztlich ungefährlicher sei, wird das als eine gute Sache dargestellt. Im wohlwollenden Konferenzumfeld, das von Teilnehmern aus den USA und Kanada geprägt ist, stellt das natürlich auch keiner in Frage. Außerdem könne man mit Cannabis ein weiteres Problem lösen, nämlich die immer weiter steigende Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit Opiaten, ein großes und wachsendes Problem im Kanada.

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Hierzulande – gemeint ist Europa – werde Cannabis in fünf bis zehn Jahren sicherlich auch freigegeben sein, ist die vorherrschende Meinung auf der Bühne. Wer früh dabei sei, könne gute Geschäfte machen. In Kanada legt man dabei schon mal den zweiten Gang ein: Weil die Herstellung von Präparaten selbst kaum mehr Gewinne verspricht, geht es mehr um das Drumherum. Die Supportindustrie sei eine Goldgrube für schlaue Startups, heißt es. Zu Zeiten der Goldgräber hätten die findigen Unternehmer ihr Geld ja auch nicht mit der Suche nach Gold gemacht, sondern mit dem Verkauf von Schaufeln, Sieben und so weiter.

Der Blick auf das weitere Konferenzprogramm zeigt gleich, dass es hier keinesfalls um ein Treffen von Hippies geht: Welche Präparate sich wie vermarkten lassen. Was man beachten muss, wenn man mit einem Cannabis-Unternehmen an die Börse gehen will. Und dass der Markt spätestens dann schwieriger wird, wenn die Droge in den USA für den Genuss in der Freizeit freigegeben ist und das aus Business-Sicht mächtige Konkurrenz auf den Plan ruft. Dass die Cannabis-Szene großes Wachstumspotenzial hat und gut bezahlte Jobs schaffen kann, da sind sich hier in Berlin alle genau so einig wie andererseits über die Risiken in einem jungen, von sich pausenlos ändernden Regulierungen beherrschten Markt. „Immer noch weniger volatil als Kryptowährungen“, fasst ein Besucher zusammen. Und zieht damit einen Vergleich, über den es sich aus Business-Sicht wohl nachzudenken lohnt.

Bild: Gründerszene