Celonis-Mitgründer und Co-CEO Bastian Nominacher
Celonis-Mitgründer und Co-CEO Bastian Nominacher

Nach der jüngsten 260-Millionen-Finanzierung wird das Münchener Prozessanalysestartup Celonis aus München mit rund 2,3 Milliarden Euro bewertet. Weil die Gründer zu Beginn ohne eigenes Kapital auskamen, halten sie immer noch einen Großteil der Anteile.

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Wir haben mit Celonis-Mitgründer und Co-CEO Bastian Nominacher darüber gesprochen, was mit dem neuen Kapital passieren soll, wie sich sein Startup verändert hat – und wie er und seine zwei Mitgründer Alexander Rinke und Martin Klenk Meinungsverschiedenheiten meistern.

Bastian, Celonis ist als Startup ja durchaus bekannt. Aber mit dem Namen fällt oft auch die Frage: Was machen die eigentlich? Wie funktioniert die Prozessoptimierung, die ihr anbietet?

Wir nutzen die bestehenden Daten von Unternehmen zusammen mit KI-Technologie, um einzelne Prozesse zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu machen. Technisch läuft das so ab: Wir analysieren die Zeitstempel der einzelnen Prozessschritte und schauen nach Ineffizienzen. Oft halten zum Beispiel manuelle Eingriffe alles auf, und das will man natürlich vermeiden.

Kannst du das an einem konkreten Beispiel erklären?

Wir nutzen unsere Software auch selbst, etwa bei Bewerbungen. Dazu werden alle Schritte vom Eingang der Bewerbung über die unterschiedlichen Gespräche bis hin zur Vertragsunterschrift festgehalten. Wenn zwischendrin häufiger einige Tage vergehen, weil zum Beispiel das Feedback eines Managers fehlt, dann merken wir das. Die Lösung kann dann sein, dem Manager nach dem Bewerbungsgespräch gleich etwas Zeit zu blocken, damit er seine Gedanken aufschreiben kann.

Welche Rolle spielt die KI dabei?

Es geht unternehmensweit um gigantische Datenmengen, die wir untersuchen. Die KI findet zum Beispiel Muster und Abhängigkeiten, die man sonst nicht im Blick gehabt hätte.

Zur Finanzierungsrunde: Ihr habt diesmal deutlich mehr Kapital aufgenommen als bei vorhergegangenen Finanzierungen. Wie geht man mit dreistelligen Millionensummen um? Immerhin seid ihr lange ganz ohne externes Kapital ausgekommen.

Ehrlich gesagt, hat sich die Series A sogar größer angefühlt. Das hängt natürlich alles von den gesamten Operations ab. Aber wir gehen mit dem Geld genauso um, wie in den ersten Tagen von Celonis – mit einem Fokus auf operative Exzellenz. Wir wollen die Markterschließung sowohl beim Vertrieb als auch beim Kundenservice vorantreiben und unsere Software weiterentwickeln.

Da ihr seit vielen Jahren „cashflow-positiv“ seid: Wieso nehmt ihr jetzt eine so große Summe auf?

Weil die Opportunity gerade noch einmal sehr viel größer ist als in der Vergangenheit, denn der Markt entwickelt sich. Und da wollen wir proaktiv sein.

Was erwartest du, wie sich Celonis als Firma verändern wird, wenn jetzt noch einmal ein großer Wachstumsschritt kommt? Entsteht jetzt ein ganz neues Unternehmen – oder gibt es nur von allem ein bisschen mehr?

Ich denke, es wird keine fundamentale Veränderung unserer Kultur geben. Ich glaube sogar, dass andere Dinge uns deutlich mehr verändert haben. Zum Beispiel die Einführung unseres Cloud-Angebots. Seitdem haben wir viel engere Beziehungen zu unseren Kunden. Finanzierungen sind für uns keine Meilensteine, auf die wir hinarbeiten. Es muss immer zur jeweiligen Situation passen: 2016 haben wir Kapital aufgenommen, um in die USA zu expandieren, 2018 um noch mehr Geschwindigkeit aufzunehmen.

Was erhofft ihr euch von den Investoren außer Geld?

Das war uns tatsächlich sehr wichtig: Wir wollten unbedingt erfahrene Leute an Bord holen, die schon mal ein großes Technologieunternehmen mit aufgebaut und eine neue Marktkategorie erschaffen haben. Das sind ja noch einmal ganz andere Herausforderungen, als ein Startup zu gründen. Als Gründer muss man immer Neues lernen, und da ist es wichtig, die richtigen Mentoren zu haben.

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Nach der letzten Finanzierungsrunde hattet ihr drei Gründer noch „deutlich mehr als die Hälfte der Anteile“. Ist das immer noch so?

Wir sind weiterhin die Mehrheitseigentümer des Unternehmens. Auch bei Vorstand und Verwaltungsrat haben sich durch die neuen Gesellschafter keine Verschiebungen ergeben. 

Ihr betont immer wieder gern, dass ihr ein langfristig erfolgreiches und sich selbst tragendes Unternehmen aufbauen wollt. Welche Szenarien bieten sich da für Tech-Firmen? Börsengänge sind in dem Segment alles andere als einfach, aber die Investoren brauchen ja irgendwann einen Exit.

Es gibt da unterschiedliche Möglichkeiten: IPO oder Übernahme durch einen Strategen oder ein Private-Equity-Haus. Es hängt sehr stark vom Geschäftsmodell ab, welcher Weg der richtige ist. Wir stehen da noch ganz am Anfang, auch wenn Technologie bereits der größte Wirtschaftsfaktor in den USA ist.

Verringern die immer höheren Milliardenbewertungen bei Tech-Firmen aber nicht auch die Zahl der möglichen Käufer?

Auch da möchte ich nicht verallgemeinern. Gute Geschäftsmodelle rechtfertigen natürlich auch hohe Bewertungen. Aber es wird natürlich auch Fälle geben, wo die Rechnung nicht aufgeht.

Zurück zu Celonis. Ihr seid drei Gründer, die recht gleichberechtigt das Unternehmen aufgebaut haben und führen. Alex Rinke und du, ihr seid Co-CEOs. Martin Klenk leitet als CTO die Entwicklung. Wie arrangiert man sich da, wenn es mal Meinungsverschiedenheiten gibt?

Zum einen haben wir noch ein Executive-Team, das wir sorgsam aufgebaut haben und das sich und uns ergänzt. Im Führungsteam sprechen wir uns wöchentlich ab, ganz konkret zu strategischen Fragen. Zum anderen muss man natürlich immer versuchen, ganz nüchtern alle Vorschläge und Ansätze zu diskutieren und die anderen zu überzeugen. Was aber am wichtigsten ist: Am Ende müssen alle hinter der Entscheidung stehen und sie darf nicht mehr in Frage gestellt werden, sonst kann man nichts konsequent umsetzen. Das ist ein ganz wichtiges Prinzip bei uns. Wenn etwas einmal nicht geklappt hat, muss man trotzdem nach vorn blicken und weiterhin mutig agieren.

Bild: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz