Philipp Man ist Mitgründer und CEO des Luxusuhren-Online-Marktplatzes Chronext.

Einige Juweliere sind gerade nicht sehr gut auf Philipp Man und sein Schweizer Startup Chronext zu sprechen. Über das Onlineportal, das er 2013 zusammen mit Ludwig Wurlitzer gegründet hat, können Luxusuhren ge- und verkauft sowie gewartet werden. Die Uhrenmarke Nomos kooperiert seit Kurzem offiziell mit Chronext. Ein Schritt gegen Preisdumping und Fälschungen, sagen die Partner – das Verramschen einer Marke, findet hingegen die Hamburger Kette Wempe. Kurzerhand listetet sie Nomos aus, andere Juweliere drohten es ebenfalls an, es wurde sogar eine entsprechende Petition gestartet.

Was steckt hinter dem Aufstand der Einzelhändler? Wie geht es Chronext? Und was ist an den Gerüchten dran, das Startup wolle an die Börse? Wir haben Mitgründer und CEO Philipp Man gefragt:

Philipp, ihr habt gerade Ärger mit der Juwelierbranche: Die Einzelhandelskette Wempe will die Uhrenmarke Nomos nicht mehr verkaufen, weil diese offiziell mit euch zusammenarbeitet. Wie erklärst du dir das?

Es herrscht sehr viel Angst und Nervosität in der Branche, aber ich würde nicht pauschal sagen, dass wir Ärger haben. Uns gibt es zwar schon seit fast sechs Jahren, aber die Juweliere stellen offenbar erst jetzt fest, dass unser Geschäftsmodell funktioniert. Das sind teilweise Leute, die sind 60, 70 Jahre alt und verstehen das Internet nicht ausreichend. Sie sehen nur, dass ihre Laufkundschaft runtergeht und machen uns dafür verantwortlich – aber das hat mehr mit dem generellen Aussterben der Innenstädte zutun. Wir wurden quasi in den Amazon-Olymp der Disrupter gehoben, obwohl wir uns selbst gar nicht so sehen. Jeder Händler, der online verkaufen will, kann das bei uns tun.

Die Herstellerseite scheint da schon weiter zu sein, der Deal mit Nomos spricht zumindest dafür.

Absolut. Und Nomos ist nicht die einzige Marke, wir haben noch 16 andere als offizielle Partner. Aber nicht alle trauen sich, das aufgrund der kürzlichen Ereignisse öffentlich zu machen.

Ist die ganze Uhrenbranche so undigital oder nur das Luxus-Segment?

Die Uhrenbranche insgesamt ist super digital, aber bei allem über 1.000 Euro sind die Vertriebswege extrem analog. Dabei ist die Realität doch: Wenn du 14 Tage Rückgaberecht hast, du das Produkt nach Hause bekommst, es ausgiebig testen und deiner Freundin oder deinem Freund zeigen kannst – dann ist das doch ein viel persönlicheres Einkaufserlebnis, als wenn du nur mal eine Stunde im Laden sitzt und anprobierst.

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Trotzdem habt ihr auch eigene Filialen. Wie läuft es damit?

Aktuell haben wir einen Laden in London und sechs sogenannte Lounges, in denen Kunden ihre online gekauften Uhren offline abholen können. Davon wird es wahrscheinlich in den kommenden drei bis vier Jahren noch einmal zehn Stück in verschiedenen Ländern geben. Wir werden sicher auch noch ein bis zwei Läden eröffnen. Es geht uns aber nicht darum, wie ein Laden isoliert betrachtet performt, sondern darum, was er für die Online-Umsätze tut. Ein stationäres Geschäft schafft immer mehr Vertrauen beim Endkonsumenten, was wiederum die Conversion steigert.

Nach eurer Finanzierungsrunde im Januar wolltet ihr nach Asien und in die USA expandieren. Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?

Wir werden in beiden Märkten wahrscheinlich innerhalb der kommenden zwei bis drei Monate Büros eröffnen. Was sich als interessant erwiesen hat: Asien funktioniert noch besser als die USA, obwohl wir dort zum Beispiel noch nicht die Sprache lokalisiert haben. Das hat auch damit zu tun, dass Asien einer der wenigen Märkte ist, wo du oft als nicht-lokale Firma im Vorteil bist. Die Leute vertrauen dir einfach mehr, insbesondere bei Produkten wie Uhren, die oft gefälscht werden. Als Schweizer Unternehmen werden wir dort als seriöser wahrgenommen.

Sind die Käuferschichten in Asien andere?

Sie sind viel jünger. In Deutschland sind unsere Kunden im Schnitt zwischen 35 und 50 Jahren alt, in Asien geht es bei 25 los. Und es wird deutlich mehr mobil gekauft.

Was sind eure nächsten Schritte abgesehen von der Internationalisierung?

60 bis 70 Prozent meiner Zeit verbringe ich gerade mit Recruiting. Alle sprechen immer vom Skalieren, aber am Ende des Tages baut man eine Firma. Und die funktioniert nur, wenn du gute Leute und eine starke Governance-Struktur hast. Du musst ein echtes Führungsteam aufbauen und sicherstellen, dass du als Gründer keine Bremse bist. Wenn du den CEO-Job richtig machst, musst du fast keine eigenen Entscheidungen treffen, sondern mehr Kontext schaffen. Wir versuchen gerade, eine echte zweite Ebene einzuführen und ein echtes C-Level. Damit die Firma nicht mehr nur auf den Gründern aufgebaut ist, das Ganze wirklich einen erwachsenen Modus entwickelt und wir es weiter skalieren können.

Wie entwickelt sich euer Umsatz?

Das Ziel ist, uns bei um die 100 Prozent Zuwachs pro Jahr einzupendeln, uns also jedes Jahr zu verdoppeln. Für unser Umsatzziel in 2018 sind wir auch on track.

Im vergangenen Geschäftsjahr sollt ihr einen Nettoverlust im zweistelligen Millionen-Bereich gemacht haben, wie Online Marketing Rockstars berichtete. Woran lag das und hat es sich dieses Jahr gebessert?

Wir befinden uns mit Chronext gerade im Investment-Modus. Das bedeutet auch, dass wir auf kurzfristige Profitabilität verzichten, um zwar maximal schnell, aber gesund zu wachsen. Wir werden weiter stark investieren, der Markt ist noch extrem groß und es wäre falsch unsere Entwicklung jetzt auszubremsen. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht kontinuierlich besser im Marketing und im Einkauf werden, was natürlich unsere operative Profitabilität immer weiter verbessert. Bei Amazon war das nicht anders und ist immer noch so in deren neuen Geschäftsfeldern.

Watchmaster verkauft ebenfalls Luxusuhren im Netz und hat gerade erst 13 Millionen Euro eingesammelt. Chrono24 hat genauso wie ihr einen offiziellen Deal mit Nomos. Was macht ihr besser als diese Konkurrenten?

Der Chrono24-Deal beschränkt sich auf gebrauchte Uhren, die Nomos selbst über die Seite vermarktet. Wir hingegen sind voll autorisierter Händler auch für neue Nomos-Uhren. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass wir ein transaktionaler Marktplatz sind. Anders als Gebrauchtuhrenhändler wie Watchmaster haben wir extrem wenig eigenen Bestand, kontrollieren aber trotzdem die gesamte Wertschöpfungskette: Von der ersten Interaktion über das Telefon, E-Mail oder Livechat machen alles unsere Leute und nicht der Verkäufer. Jede Uhr wird bei uns physisch durch unsere eigenen Uhrmacher auf Echtheit geprüft. Und auch bei der Logistik und Zahlung wickeln wir alles ab. Obwohl der Bestand uns oft nicht gehört, fühlt es sich für den Endkunden wie normales E-Commerce an.

Zuletzt gab es immer wieder das Gerücht, dass Chronext über einen Börsengang nachdenkt. Stimmt das?

Das Gerücht habe ich auch öfter gehört, aber es stimmt nicht. Wir haben einen sehr starken Gesellschafterkreis und sind sehr gut kapitalisiert, haben also momentan keinen Druck. Aber langfristig wäre es denkbar. Chronext ist eine Firma, die gut an der Börse funktionieren könnte. Wir haben ein Geschäftsmodell, das der Public-Market-Investor versteht. Schau dir zum Beispiel den Börsengang von Farfetch an – ein Unternehmen, das uns sehr ähnelt, sie verkaufen Luxusmode online: Der war sehr erfolgreich.

Bild: Chronext