„Viele nutzen die Zeit, um eigene Ideen voranzutreiben“, sagt Code-Gründer Thomas Bachem über seine Studierenden.
„Viele nutzen die Zeit, um eigene Ideen voranzutreiben“, sagt Code-Gründer Thomas Bachem über seine Studierenden.

Das größte Problem, das Thomas Bachem derzeit beschäftigt, hat nichts mit einem winzig kleinen Virus zu tun. Oder mit der Frage, wie er den Alltag an der von ihm mit gegründeten Code-University trotz der Pandemie aufrecht erhalten kann – das ist im digitalen Zeitalter an einer Hochschule wie seiner keine Schwierigkeit.

Vielmehr „frustriert“ den Kanzler noch immer die Tatsache, dass an der Code nach wie vor weniger als 20 Prozent der Studierenden Frauen sind. „Alles unter 30 Prozent ist inakzeptabel“, lässt Bachem Gründerszene wissen. „Wir müssen Mädchen bereits in der Jugend abholen und für Berufe in der Digitalbranche begeistern.“ Leichter gesagt als getan.

Alles andere scheint – wenn man den Worten Bachems glaubt – aber gut an der Code zu funktionieren; Corona zum Trotz. Zwar setzt die 2017 gegründete Einrichtung besonders auf das Arbeiten in Projektteams, also auf das Beieinandersitzen in den Räumlichkeiten im Berliner Stadtteil Kreuzberg. „Alle unsere Studierenden sind aber so aufgestellt, dass sie eigenständig zu Hause weiterarbeiten und wir uns regelmäßig über Zoom austauschen“, so Bachem.

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Auch wenn Einzelne zwischenzeitlich – „sehr wahrscheinlich verunsichert durch die Gesamtsituation“ – vom Radar verschwunden waren. Trotz der Semesterferien, die noch bis Ende August dauern, ist sich der 34-Jährige sicher, dass viele Studentinnen und Studenten eher über einem Projekt als am Badesee brüten. „Viele nutzen die Zeit, um eigene Ideen oder Projekte zu verwirklichen beziehungsweise voranzutreiben.“ 

Die Code 365 Studierende aus 65 Ländern sind aktuell an der Code („Curiosity Driven Education“) in den drei Studienfächern Software Engineering, Interaction Desig  und Product Management eingeschrieben. Thomas Bachem gründete die Hochschule gemeinsam mit Jonathan Rüth und Manuel Dolderer.

Die Einrichtung versteht sich weniger als klassische Hochschule sondern als Ort, an dem Professoren und Dozenten als Lernbegleiter und Mentoren denn primär als Wissensvermittler fungieren. Studenten müssen während Studiums nichts zahlen; sie können im Anschluss einen Prozentsatz ihres Gehalts an die Uni zurückgeben. Als Wettbewerber der Code bezeichnet Bachem das klassische Bildungssystem sowie staatliche Hochschulen.

Das Herbstsemester wird erstmals komplett remote angeboten, was möglich sei, da die Zahl der Studenten mit dann rund 500 immer noch überschaubar sei. Ein Umstand, der sich auch auf absehbare Zeit nicht ändern soll, meint Thomas Bachem. „Wir wollen keine Hochschule mit Zehntausenden Studierenden sein“, sagt er. Selbst wenn es Anfragen von Ministern und Bundesländern für Kooperationen gäbe, möchte die Code in absehbarer Zukunft erstmal weiter in Berlin wachsen. 

Diese Startups gingen bisher aus der Code-University hervor

Doch welche Projekte entstehen an der Hochschule eigentlich? Einer internen Umfrage zufolge würden 60 Prozent der Studentinnen und Studenten überlegen, nach ihrem Studium zu gründen. Aktuell sind aus Projekten an der Code mehr als 20 Startups und Organisationen hervorgegangen, eines erst kürzlich während der Corona-Krise. Vier Beispiele:

  • Blair Ein Hochschul-übergreifendes Projekt ist das Startup, das sich auf den US-Markt konzentriert: Die drei Gründer haben an der Code, der European Business School sowie der WHU studiert. Ihr Studienfinanzierungsmodell richtet sich an College-Studenten. Das Angebot ist mit dem umgekehrten Generationenvertrag vergleichbar, der unter anderem auch an der Code (siehe Infokasten oben) angeboten wird. Seit vergangenem Jahr gehört das Startup zum prestigeträchtigen Y Combinator.

  • Keeet Die User-Testing-Plattform Keeet überzeugte vor zwei Jahren APX, den Accelerator von Porsche und Axel Springer (wozu auch das Verlagshaus hinter Gründerszene, Vertical Media, gehört, d. Red.); seit vergangenem Jahr ist das Berliner Startup von Henrik Engelbrink, Mika Hally und Yilmaz Köknar zudem Teil des German-Accelerator-Programms.

  • MySoftwareScout Auch die Die Vergleichsplattform geht aus einem Projekt der Code hervor. Sie unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen kostenlos bei der Suche nach dem passenden Software-Anbieter und wird ebenfalls von APX gefördert. 

  • Timeo Das Startup ist während der Corona-Krise an den Markt gegangen. Auf der Plattform können die Teilnehmer verschiedenste Dienste offerieren und mit dem Erlös die Unterstützung anderer User einkaufen. Bei der Währung der Plattform setzen die MacherInnen dabei auf Zeit in Form von Stunden. 

Dass Startups wie Timeo entstehen könnten, habe auch mit dem „Teamspirit“ zu tun, den die Hochschule während der Pandemie so gut es geht hochhalten wolle. „Ich glaube, dass sehr positive Nachwirkungen durch Corona bestehen bleiben“, so Thomas Bachem. „Wir wollten zeigen, dass es beim Lernen und Arbeiten funktionieren muss mit dem Digitalen, vor allem aber mit der Community.“

Dafür gebe es unter anderem den „Code Spirits Day“, an dem Studierende Gitarre spielen, den Komiker geben oder sich sonst wie kreativ entfalten. Es sei bedeutsam, dass sich die Studierenden zu Persönlichkeiten entwickeln können, so der Code-Gründer. „Das ist, glaube ich, wichtiger als das Studium an sich.“ 

Ob das auch bei angehenden Studieren ankommt, wird sich einmal mehr im Herbst zeigen. Das Bewerbungsverhalten habe sich verändert, war zu Beginn der Krise um ein Viertel zurückgegangen, lässt Bachem wissen. „Wobei wir mittlerweile die gleichen Zahlen wie im vergangenen Jahr zählen, sogar mit Bewerbungen von besserer Qualität.“ Nichtsdestotrotz wüssten viele junge Menschen nicht, wie sinnvoll es ist, in einem Jahr voller Unsicherheiten umzuziehen, und sei es nur innerhalb Deutschlands in eine große Stadt wie Berlin. „Nichtsdestoweniger könnten wir allein aufgrund unserer Räumlichkeiten und dem Anspruch – jedem Studierenden einen Mentor zur Seite zu stellen – im kommenden Jahr nicht die Bewerber mehr aufnehmen, die dieses Jahr fehlen.“ 

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Auch wie es den Unternehmenspartnern geht, die die Hochschule unterstützen, müssten sie verfolgen. „Wir werden sehen, ob sie weitsichtig genug sind zu erkennen, dass sich die Investition in Bildungsförderung lohnt.“ Dann klappt es vielleicht auch damit, das „dicke Brett“ loszuwerden, das die Gesellschaft noch immer vor dem Kopf trage, wenn es um Mädchen in klassisch technischen Berufen geht. Denn das Problem dürfte Bachem noch eine Weile verfolgen.

Bild: Code University