Zahlreiche Geschäfte müssen aufgrund der Ausgangsbeschränkungen schließen.

Die Corona-Krise trifft jede Branche – besonders hart aber Unternehmen, die ihren Umsatz bisher komplett stationär machen: Restaurants, Cafés, Bars, aber auch unabhängige kleine Läden in den Innenstädten. Wer keinen Onlineshop hat, muss derzeit schnell Möglichkeiten finden, den Umsatzeinbruch zumindest abzumildern. Wir zeigen, wie das verschiedene Einzelhändler gerade über Verkäufe direkt auf Instagram schaffen.

Der Staat schnürt aktuell ein 40-Milliarden-Hilfspaket für Solo-Unternehmer und Kleinstunternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern. Viele Städte planen zusätzliche Rettungsschirme. Inwiefern das den Betreibern kleiner Läden in den Innenstädten am Ende hilft, wird sich zeigen. Die Schließungen kamen plötzlich, es blieb kaum Zeit, sich auf die Schnelle ein Digital-Konzept zu überlegen. Trotzdem sind uns einige stationäre Händler aufgefallen, die ihr Geschäft kurzfristig auf Instagram übertragen haben. Und auf dem Portal ihre Produkte über Kommentare oder Direktnachrichten an die Kunden bringen.

Ein eigener Kanal für den Corona-Sale

Eines dieser Beispiele ist Liv aus Hamburg. Geschäftsführerin Mareike Reimers betreibt gemeinsam mit ihrem Mann Sven zwei Stores in der Stadt – bald soll ein dritter in Lüneburg folgen. Im Angebot sind Klamotten für Männer, Frauen, Kinder, dazu gibt es Wohn-Accessoires. Die Stores erwirtschaften 100 Prozent des Umsatzes. Einen Onlineshop hat Liv nicht. „Unser Herz schlägt für den stationären Handel, daran glauben wir“, sagt Nina Wolf, Assistentin der Geschäftsführung gegenüber OMR. „Wir sind in unserer Nachbarschaft stark verwurzelt und innerhalb des Viertels gut vernetzt und sehen da unsere Stärke. Wir möchten unsere Kunden persönlich kennen, was einer der Gründe dafür ist, dass wir nie in Erwägung gezogen haben, parallel zu unseren Läden auch einen Online-Shop zu betreiben.“

Umso schneller musste nach der Corona-bedingten Schließung der Läden eine Lösung her. Bei Liv heißt die „Insta Sale“. „Der Insta Sale funktioniert wie ein virtueller Flohmarkt, es wird gekauft wie auf Instagram gesehen. Ein Umtausch der Ware ist nicht möglich. Die Kunden zahlen ausschließlich per Paypal oder Überweisung und wir verschicken die Ware nach Zahlungseingang kostenlos innerhalb Deutschlands“, so Nina Wolf. Dafür hat das Team extra einen eigenen Instagram-Kanal eingerichtet – neben dem bestehenden Hauptkanal mit über 10.000 Followern. „Wir freuen uns sehr darüber, dass viele unserer Instagram Follower uns auch auf diesen zweiten Kanal gefolgt sind. Innerhalb von 24 Stunden haben wir bereits über 1.000 Abonnenten. Das Interesse ist groß und wir bekommen sehr viel positives Feedback“, sagt Wolf.

Verkauf wie an „normalen“ Tagen

Und der Flohmarkt auf dem eigenen Instagram-Account scheint zu funktionieren. Bisher hat Liv über 80 Beiträge mit Produkten gepostet. Zu vielen gibt es bereits Kommentare mit einem „Hier“. „Da wir erst am 17. März mit dem Sale begonnen haben, gibt es noch keine klaren Auswertungen, allerdings können wir sagen, dass wir 60 Prozent der bisher von uns auf diesem Weg angebotenen Ware verkauft haben“, sagt Wolf. „Schon am ersten Tag konnten wir so einen durchschnittlichen Tagesumsatz einer Filiale während der Ferienzeit erzielen.“

 

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Um überhaupt Interesse der Nutzer zu wecken, startet Liv den Insta Sale, wie der Name schon sagt, mit vergünstigten Produkten. Gleichzeitig hat das kleine Unternehmen auch auf seiner Instagram-Seite mit Posts und Stories für das Projekt getrommelt. „Besonders schön: Die meisten Bestellungen kommen aus der direkten Nachbarschaft“, sagt Nina Wolf. Es soll aber nicht dabei bleiben, dass nur vergünstigte Ware über diesen Weg angeboten wird. „Wir werden die kommenden Wochen auf Hochtouren laufen und auch reguläre Ware, welche kurz vor der Schließung erst eingetroffen ist, auf diesem Wege in den Umlauf bringen“, sagt die Liv-Mitarbeiterin.

Pflanzenberatung über Facetime

Ein ähnliches Prinzip nutzt das Pflanzengeschäft Winkel van Sinkel aus Hamburg. „Die Schließung kam für uns so kurzfristig, dass wir jetzt noch 800 Pflanzen in unserem Laden haben“, sagt Inhaberin Zelda Czok gegenüber OMR. Sie habe – ohne Onlineshop – nach einer Möglichkeit gesucht, diesen verderblichen Bestand zumindest noch unter die Leute zu bekommen. Die Idee: Ein Pflanzen-Sale auf Instagram mit den vorhandenen Produkten. Auf dem eigenen Account hat Winkel van Sinkel über 15.000 Follower, für den Sale starten Zelda Czok und ihr Team wie Liv einen eigenen Kanal. „In weniger als 24 Stunden hatten wir über 900 Leute auf dem neuen Instagram-Kanal, was für ein Unternehmen unserer Größe gar nicht schlecht ist“, sagt Czok. Kunden können per Direktnachricht oder E-Mail Produkte bestellen und sich diese entweder schicken lassen oder sie nach Absprache im Hamburger Geschäft abholen.

In den kommenden Tagen wolle Czok viele weitere Pflanzen auf den Sales-Kanal stellen. „Für uns gibt es aktuell drei Prioritäten: Warenbestand runterfahren, um den Verlust zu minimieren, Liquiditätsüberbrückung schaffen und ein Zukunfts-Setting aufbauen“, sagt sie. „Wir müssen überlegen: Wer sind wir? Was machen wir? Und was braucht der Kunde von uns? Entsprechend müssen wir unser Geschäftsmodell anpassen.“ Winkel van Sinkel geht deshalb noch einen Schritt weiter, als „nur“ einen Sale zu veranstalten. Potenzielle Kunden können dem Team Bilder der Stellen schicken, wo neue Pflanzen einen Platz finden sollen. Auf Wunsch gibt’s dazu einen Videocall über Facetime oder die Videokonferenz-Software Zoom. „Es trudeln ständig Bestellungen ein und wir haben nächste Woche schon verschiedene Termine für Online-Beratungen gemacht“, sagt die Winkel-van-Sinkel-Chefin. 

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„Der Schlüssel bleibt, flexibel zu sein. Kaum einer von uns wird ohne Kredite durchkommen“, sagt sie. Deshalb denke sie auch schon über die Strategie bei einer möglichen Ausgangssperre nach, die Lieferungen oder Abholungen erschweren könnte. „Wenn die Ausgangssperre kommt, müssen wir noch stärker auf Gutscheine setzen. So finanzieren die Kunden unsere Zukunft.“ Schon jetzt würden viele Stammkunden Gutscheine kaufen, um die kleine Firma zu unterstützen. Das Versprechen: Wer mit Gutschein einkauft, bekommt – wenn das Geschäft wieder normal läuft – zehn Prozent Rabatt. Auch wenn die beschriebenen schnellen Lösungen aktuell noch gut funktionieren, wolle Czok jetzt langfristig doch einen Online-Shop als zweites Standbein aufbauen. Der soll Ende nächster Woche schon fertig sein und dann die kurzfristige Lösung Insta-Sale ersetzen.

Klamotten im Feed verkaufen

Ein anderer Hamburger fährt Lieferungen an Kunden gerade persönlich mit dem Fahrrad aus. Özgür Aylikci führt mit Mono Room, Mono Concept Store und dem Mono Outlet gleich drei Klamottenläden für Männer. „Wir sind in der Tat von dem Shutdown extremst betroffen, weil wir unsere drei Shops hier im Schanzenviertel schliessen müssen und wir keinen Onlineshop haben“, sagt er gegenüber OMR. Er setzt deshalb jetzt auch auf das Thema Insta-Sale – allerdings über seine beiden bestehenden Kanäle mit knapp über 1.100 und über 1.500 Abonnenten. Jeden Tag landen Posts mit aktuell in den Stores verfügbaren Produkten im Feed, Kunden können per Direktnachricht oder per Mail bestellen. Geliefert wird in Hamburg wie beschrieben vom Chef selbst. „Instagram-Shopping ist ein sehr spannendes Thema und darauf werden wir unseren Fokus jetzt richten“, so Aylikci. „In den letzten acht Monaten haben wir bereits sehr viele Bestellungen von Produkten, die wir in unseren Stories und Posts gezeigt haben, abgewickelt (ohne einen bereits vorhandenen Onlineshop) mit einer ,gefühlten‘ Retourenquote von Null Prozent!“

 

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Wie auch schon bei den anderen Shop-Betreibern rausgehört, geht es Aylikci derzeit um mehr als den reinen Umsatz oder den schnellen Aufbau eines Onlineshops. „Durch den Instagram-Verkauf erhoffen wir uns natürlich in erster Linie, ein wenig Umsatz zu generieren, aber auch gleichzeitig im Kontakt und Dialog mit unseren Kunden zu bleiben. Wir haben einen unglaublich hohen Stammkunden-Anteil“, sagt er. Und die nehmen sein derzeitiges Angebot offenbar gut an. „Wir haben viel Zuspruch erhalten von Kunden in Form von Mails, Direktnachrichten und Bestellungen. Was uns sehr freut, glücklich macht und bestätigt, in dem was wir tun“, so Aylikci. „Sicherlich werden wir nicht ansatzweise so viel absetzen wie sonst. Aber darum geht es uns im Augenblick nicht. Wir werden auch nicht in Panik verfallen und auf Teufel komm raus Sachen verscherbeln, nur um die Waren loszuwerden.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei OMR Daily.

Bild: Sean Gallup / Getty Images