Génica Schäfgen ist Deutschlandchefin der Suchmaschine Ecosia.

Wie geht es der deutschen Startup-Szene nach Monaten der Krise? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, jedes Unternehmen musste in den vergangenen Wochen andere Herausforderungen bewältigen. Einige wuchsen so schnell wie noch nie, andere fürchteten täglich die Pleite.

Um zu erfahren, wie einzelne Startups die Situation bewältigen, haben wir als Gründerszene-Redaktion einen Fragebogen an Unternehmerinnen und Unternehmer geschickt – unter anderem an Génica Schäfgen, Deutschlandchefin von Ecosia. Das Unternehmen finanziert mit den Werbeeinnahmen aus seiner gleichnamigen Suchmaschine Baumpflanzprojekte auf der ganzen Welt. Im vergangenen Jahr wurde es bei den Gründerszene Awards als eines der 50 am schnellsten wachsenden Digitalunternehmen Deutschlands ausgezeichnet. Gerade hat Ecosia verkündet, bislang 100 Millionen Bäume gepflanzt zu haben.

Génica, welche Auswirkungen hatte die Corona-Krise auf euer Unternehmen?

Wir mussten einen ziemlichen Einbruch der Werbeeinnahmen auf unserer Suchmaschine hinnehmen. Während wir vor der Krise jeden Monat einen Anstieg der Einnahmen parallel zum Userwachstum verbuchen konnten, haben wir zwischen Februar und Mai eine Millionen Euro weniger verbucht – obwohl wir mehr Suchanfragen denn je haben. In den USA sind die Einnahmen in der Hochphase sogar um 75 Prozent zurückgegangen. Deshalb und wegen des Lockdowns verlangsamt sich unsere Baumpflanz-Aktivität auch kurzzeitig.

Waren oder sind eure Angestellten in Kurzarbeit?

Glücklicherweise mussten wir niemanden in Kurzarbeit schicken. Auch unsere Baumpflanzpartner konnten weiter bezahlt werden, obwohl sie in ihren Ländern teilweise strenge Lockdowns erlebt haben.

Musstet ihr Teammitglieder entlassen?

Nein, wir haben trotz Corona weiter eingestellt. Wir haben dabei aber die Entwicklung unserer Werbeeinnahmen und die politische Situation in unseren stärksten Märkten beobachtet, um gegebenenfalls Prozesse zu verlangsamen.

Arbeiten eure Angestellten noch im Homeoffice?

Wir sind schon seit Ende Februar im Homeoffice. Wir haben ohnehin immer zwei Homeoffice-Tage die Woche und zusätzlich „Remote Weeks“ um Ostern und Weihnachten herum. Daher ist uns die Umstellung leichtgefallen. Mittlerweile dürfen bis zu 15 Personen unter bestimmten Auflagen zurück ins Büro erlaubt. Wir planen, die Zahl ab August langsam hochzufahren, auch weil wir dann weitere Räume zur Verfügung haben. Uns ist wichtig, dass sich alle sicher fühlen. Daher wird die Option Homeoffice weiter bestehen und kein Druck ausgeübt, wieder ins Büro zu kommen.

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Könnt ihr euch vorstellen, künftig komplett auf ein eigenes Büro zu verzichten?

Wir sind gerade als Corona in Deutschland losging in unser neues Büro gezogen, in das wir viel Arbeit und Herz gesteckt haben. Keiner könnte sich gerade vorstellen, das einfach wieder aufzugeben. Der persönliche Kontakt bleibt wahnsinnig wichtig für unsere Unternehmenskultur – auch wenn wir bewiesen haben, dass Remote-Teamwork für uns sehr gut funktioniert.

Welche Tools und Tricks haben eurem Team in den vergangenen Wochen geholfen?

Neben Slack und Videocalls haben wir ein Tool namens Donut genutzt, um in Kontakt zu bleiben. In den vergangenen Monaten haben wir nämlich viel Zuwachs bekommen, der den Rest des Teams noch nie persönlich getroffen hat. Donut verbindet per Zufallsprinzip Menschen aus verschiedenen Teams zum digitalen Kaffeeklatsch. Eine sehr nette Sache, die wir vielleicht irgendwann auch analog ausprobieren werden.

Was hat in den vergangenen Wochen nicht funktioniert?

Wir konnten unsere Baumpflanzpartner nicht mehr besuchen und uns den Stand der Dinge anschauen. Das ist normalerweise ein essenzieller Teil unserer Arbeit. In den ersten Homeoffice-Wochen waren außerdem die Kalender vollgestopft mit Videocalls. Alles, was man sonst auf Zuruf lösen konnte oder mit einer Begegnung an der Kaffeemaschine, wurde zu einem solchen Anruf. Nach kurzer Zeit wurde uns klar, dass wir das radikal reduzieren müssen weil sonst keiner mehr zu seiner eigentlichen Arbeit kommt.

Viele Menschen haben in den vergangenen Wochen persönliche Krisen erlebt, womöglich auch in eurem Team. Wie seid ihr als Führungskräfte damit umgegangen?

Wir sind ein sehr internationales Team, meine Kollegen und Kolleginnen haben Familie und Freunde in vielen verschiedenen Ländern. Daher war für uns nicht die Situation in Deutschland ausschlaggebend, sondern die globale. Keiner hätte in dieser Zeit Höchstleistungen erwartet und es war absolut okay, wenn Leute sich gerade nicht im Arbeitsmodus gefühlt haben. Neben Gesprächen und Meetings war eine wöchentliche Umfrage hilfreich, bei der alle anonym angeben konnten, wie sich fühlen und welche Unterstützung sie sich wünschen. Gleichzeitig haben wir versucht, ein Gefühl von Zusammenhalt zu stärken, was bei individueller Isolation nicht immer leicht war.

Bild: Ecosia