SK-Gaming-Trainer Benjamin Kugel – hier noch als Fußball-Athletik-Coach.
SK-Gaming-Trainer Benjamin Kugel – hier noch als Fußball-Athletik-Coach.

E-Sport-Turniere holen zehntausende Zuschauer in riesige Hallen, weitere Millionen schauen von zuhause aus die Live-Übertragungen an und am Ende gibt es für die Sieger Pokale und Preisgelder. Das alles klingt ähnlich wie bei Fußballspielen oder Tennismatches. Dennoch: E-Sport ist kein Sport, sagt der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB).

Sport sei „durch die langjährige Rechtsprechung im traditionellen Sinne der Anforderungen an die Körperlichkeit konkretisiert“, heißt es in einem Gutachten, das der DOSB hat erstellen lassen und aus dem Spiegel Online zitiert. Spiele an der Konsole fielen nicht unter diese Definition, heißt es in dem Schreiben weiter. Auch in der Bevölkerung geht die Meinung in diese Richtung: Nur rund 30 Prozent der Menschen finden laut einer aktuellen Bitkom-Umfrage, dass E-Sport eine „richtige Sportart“ ist.

Der Sportbund und der Großteil der Normalbevölkerung mögen E-Sport kritisch sehen, andere machen in der Branche erfolgreich Geschäfte. Längst sponsern zahlreiche Unternehmen wie Porsche und Mercedes E-Sport-Teams und -Turniere. Auch Fußballclubs wie der 1. FC Köln und der VfL Wolfsburg haben den digitalen Sport als neuen Geschäftszweig entdeckt.

Seit Kurzem hat der E-Sport einen weiteren prominenten Unterstützer: Benjamin Kugel, acht Jahre lang Athletiktrainer der deutschen Fußballnationalmannschaft, macht jetzt Gamer statt Fußballer fit. Vor wenigen Wochen heuerte ihn das E-Sport-Team SK Gaming als Athletiktrainer an. Für Kugel ist klar: E-Sport ist Sport, gar keine Frage. Das machte er im Gespräch mit Gründerszene auf der Konferenz „Spobis Gaming & Media“ deutlich. Außerdem sprach er von der überraschenden Ähnlichkeit zwischen Fußballern und E-Sportlern – und darüber, wieso er Gamern zwischendurch Augenklappen aufsetzt.

Benjamin, laut des DOSB soll E-Sport kein Sport sein. Das siehst du anders: Dein Slogan als E-Sport-Athletiktrainer ist „Gaming gets physical“. Wieso?

Für mich ist diese Diskussion längst ad acta gelegt. E-Sportler sind Athleten, die vor ihrem Bildschirm performen. Sie haben unglaublich hohe Trainingsanforderungen, sowohl mental als auch physisch. Diese Anforderungen schaue ich mir genau an und erstelle anhand dessen mit meinem Team Trainingspläne. Das heißt nicht, dass ein E-Sportler pro Stunde am Bildschirm 60 Minuten um den Block laufen muss, sondern wir wollen eher langfristigen Problemen vorbeugen.

Welche sind das?

Chronische Unterarmschmerzen und Schulterprobleme zum Beispiel, weil die E-Sportler nunmal viele Stunden am Tag sitzend trainieren. Dafür entwickeln wir auf die Sportler zugeschnittene Präventionsprogramme. Wir sind außerdem überzeugt, dass nur in einem gesunden Körper ein gesunder Geist steckt. Und der Geist ist das, was beim E-Sport in erster Linie gefordert wird. E-Sportler müssen also physisch fit sein, um mental eine gute Leistung erbringen zu können.

Lest auch

Du sprichst viel davon, dass Gaming mental anspruchsvoll ist. Was macht es körperlich anstrengend?

Eine Studie hat gezeigt, dass E-Sportler während eines Spiels teils mehr Stresshormone ausschütten als klassische Sportler bei einem Wettkampf. Außerdem geht die Herzfrequenz hoch. Das heißt, auch wenn die Gamer sitzen, passiert auf physischer Ebene etwas. Natürlich darf man es nicht eins zu eins mit klassischem Sport vergleichen.

Wieso nicht?

Ein E-Sportler muss nicht wie ein Fußballer sprinten können. Trotzdem sehen wir ihn als Athleten. Er muss körperlich so fit sein, dass er seine maximale Konzentrations- und Gehirnleistung abrufen kann. Natürlich haben fitte E-Sportler auch einen Role-Model-Charakter. Es gibt unglaublich viele Kids, die den Sportlern auf sozialen Medien folgen. Für die ist ein Spieler, der nicht nur zockt, sondern auch läuft und sich gesund ernährt, ein besseres Vorbild. Wir sehen da auch einen sozialen Auftrag.

Verzeichnen die E-Sportler, die du schon begleitet hast, Leistungssteigerungen?

Ja, auf jeden Fall. Sie sagen, dass sie weniger Schmerzen haben. Und, dass sie sich besser konzentrieren können, wenn sie in der Zehn-Minuten-Pause nicht rauchen, sondern ein paar Rückenübungen machen.

Wie sieht ein typischer Trainingstag von einem eurer E-Sportler aus?

Sie kommen morgens in unser Trainingszentrum in Köln oder Berlin. Da bekommen sie ein Frühstück, das von unserem Ernährungswissenschaftler persönlich auf die Jungs abgestimmt wurde. Dazu haben wir vorher Bluttests mit ihnen gemacht. Dann haben sie ihre erste Trainingssession an den Rechnern, begleitet von einem Coach und einem Analysten. Für die Pausen gibt es einen meditativen Bereich, wo sich die Spieler auf Massagesitzen ausruhen können – wer möchte, auch mit Augenklappen. Wenn man die ganze Zeit auf einen Bildschirm guckt, werden gewisse Gehirnareale nicht mehr aktiviert, weil man keinen Weitblick hat. Daher sollen die Spieler in den Pausen weit rausgucken. Nach dem gemeinsamen Mittagessen trainieren die Jungs in unserem Fitnessraum. Danach werden sie nach Hause geschickt. Das ist alles in allem genauso wie beim Profifußballer oder -Handballer.

Bei all den Gemeinsamkeiten: Welche Unterschiede stellst du zwischen E-Sportlern und Profifußballern fest?

Ehrlich gesagt keine. Grundsätzlich kann man sagen, E-Sportler sind genau wie andere Leistungssportler extrem fokussiert und professionell und deswegen sehr offen dafür, alles zu tun, was ihnen hilft, in ihrem Sport besser zu performen. Klar, es gibt die, die nur zocken wollen. Die muss man dann ein bisschen stärker animieren, in den Kraftraum zu gehen. Das gibt es aber im Profifußball genauso.

Bild: Getty Images / TF-Images / Kontributor