Gab vor seinen Aktionären zu, dass ihn die Probleme mit dem Produktionsstart mitgenommen: Tesla-Chef Elon Musk.

Dass Elon Musk in der Nacht zum Mittwoch ein Heimspiel bevorstehen würde, wusste der Tesla-Chef schon vor seinem Auftritt. Traditionell sind die Aktionärstreffen bei dem Elektroautobauer eher Fan-Veranstaltungen. An den Saal-Mikrofonen bilden sich stets lange Schlangen von glühenden Musk-Verehrern, die ihrem Idol statt kritischer Fragen zu stellen erst einmal erzählen, seit wann sie schon zu den stolzen Tesla-Besitzern gehören.

Man sah Elon Musk an, dass ihm die Lobhudelei gut tat nach den vergangenen Wochen, in denen die Kritik am schleppenden Produktionsstart des Model 3 und an der finanziell unsicheren Zukunft des Autobauers immer lauter wurde. Der Tesla-Chef suchte die Schuld zuletzt sogar wiederholt bei Medien und Analysten, die es auf sein Unternehmen abgesehen hätten.

Dabei ist die Kritik mehr als berechtigt: Mehrfach musste Musk den Zeitpunkt verschieben, an dem er sein Ziel erreicht haben wollte, 5000 Exemplare des Mittelklasse-E-Autos Model 3 pro Woche zu produzieren. Einen knappen Monat hat er noch Zeit bis zum Ablauf der nächsten selbst gewählten Frist Ende Juni.

Auch wenn Musk keine Neuigkeiten zu den Produktionszahlen des Model 3 verkündete, hatte er trotzdem eine bemerkenswerte Nachricht im Gepäck: Schon im Mai sei das Model 3 in den USA die meistverkaufte Premium-Mittelklasselimousine gewesen. Er ließ dazu eine Grafik zeigen, in der die Entwicklung der Marktanteile von insgesamt fünf Modellen dargestellt war. Demnach liegt das Model 3 in Amerika inzwischen vor der C-Klasse von Mercedes, dem 3er von BMW, dem Audi A4 und dem Lexus IS.

Stimmen die Zahlen?

Allerdings fehlten genaue Zahlen, die das belegen würden, in der Grafik. Lediglich grob ließen sich die Marktanteile ablesen: Demnach käme das Model 3 in dieser Gruppe auf einen Anteil von gut 30 Prozent im Mai, dahinter folgten mit weniger als fünf Prozentpunkten Abstand die C-Klasse, der 3er und der A4 würden jeweils auf etwa 17 Prozent kommen. Hat Elon Musk die deutschen Autobauer in den USA also schon abgehängt? Stimmen diese Zahlen?

Tatsächlich bestätigen auch Experten, dass das Model 3 im Vergleich mit diesen Konkurrenten derzeit tatsächlich vorne liegen könnte. Genau weiß das nur Elon Musk, denn als einzige der genannten Marken veröffentlicht Tesla keine monatlichen Verkaufszahlen. Die C-Klasse wurde im Mai laut den offiziellen Zahlen 5420 Mal in den USA verkauft, der A4 3470 Mal und der 3er 3430 Mal. Teslas Absatz lässt sich nur schätzen.

Im April haben Musks Leute nach Angaben des Unternehmens drei Wochen in Folge mehr als 2000 Exemplare des Model 3 produziert. Diese Zahl dürfte sich im Mai weiter verbessert haben. Verkauft werden diese Autos bislang ausschließlich in den USA und da mehrere Hunderttausend Menschen ein Exemplar vorbestellt haben, kann Tesla alle produzierten Fahrzeuge derzeit auch verkaufen. Daher dürften tatsächlich mehr Model 3 als C-Klassen verkauft worden sein, glaubt Experte Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research (CAR).

Ein Fahrzeug werde es nie geben

Er hält es auch für wahrscheinlich, dass Tesla inzwischen vorn liegt, wenn man das gesamte bisherige Jahr 2018 betrachtet. „Mit seinem Auftragsvorlauf und seiner jetzt scheinbar stabilisierten Produktion wird er es schaffen, auch im Gesamtjahr 2018 das meistverkaufte Fahrzeug der Kategorie zu sein“, prognostiziert Dudenhöffer. „Aber 2019 ist ein größerer Berg der Aufträge dann ausgeliefert und es wird vermutlich dann so wie beim Model S sein, dass man seine Position verliert.“ Zumal dann auch in andere Regionen der Welt geliefert werden muss.

„Selbst mit 5000 Exemplaren pro Wochen würden wir zwei Jahre brauchen um alle Reservierungen abzuarbeiten“, sagte Musk. Zuletzt hatte es allerdings Berichte gegeben, wonach inzwischen rund ein Viertel der ursprünglich rund 500.000 Vorbestellungen storniert worden sein sollen. Laut Musk müsse man sogar in den USA noch drei bis vier Monate warten, wenn man heute ein Model 3 bestellen würde. In anderen Teilen der Welt, in denen die Auslieferung noch gar nicht begonnen hat, betrage die Wartezeit wohl 15 Monate.

Trotzdem schmiedet Musk bereits weitere Pläne: Im März will er Details zum nächsten geplanten Pkw-Modell Y bekannt geben, innerhalb der nächsten fünf Jahre soll auch ein Fahrzeug der Kompaktklasse auf den Markt kommen. Schon in wenigen Tagen werde man den Bau einer zweiten Gigafactory in China verkünden, so Musk. Auch in Europa werde ein Werk geplant, allerdings gebe es noch keinen Standort. Nur ein Fahrzeug werde Tesla nie bauen, sagte er. „Ich bin früher selbst Motorrad gefahren und wäre fast von einem Truck überfahren worden“, erzählt er. „Deshalb werden wir keine Motorräder bauen.“

„Ich habe tatsächlich ein Problem mit der Zeit“

Musk gab vor seinen Aktionären zu, dass ihn die Probleme mit dem Produktionsstart mitgenommen haben. Hinter ihm würden die „höllischsten Monate meines Lebens“ liegen, sagte er. „Es ist wahnsinnig schwer am Leben zu bleiben“, gab er zu. Nur zwei amerikanische Autobauer seien als Folge der Finanzkrise nicht bankrott gegangen: Ford und Tesla. Doch jetzt sei es „ziemlich wahrscheinlich“, dass man das Ziel von 5000 Model 3 pro Woche bis zum Monatsende erreichen könne.

Ein Fan fragte Musk am Schluss, wie es komme, dass er seine Ziele regelmäßig erst mit Verspätung erfüllt. „Ich glaube, ich habe tatsächlich ein Problem mit der Zeit“, gab er zu. „Wenn wir den Schulbus erwischen mussten, hat mein Bruder immer gelogen, dass es schon später wäre, damit wir ihn noch kriegen.“ Er versuche, daran zu arbeiten.

Bild: Getty Images / Bill Pugliano

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt.de