Mitarbeiterbeteiligungen sind für ein erfolgreiches Startup-Ökosystem „unverzichtbar“, glaubt der Startup-Lobbyverband.
Mitarbeiterbeteiligungen sind für ein erfolgreiches Startup-Ökosystem „unverzichtbar“, glaubt der Startup-Lobbyverband.

Raffaela Rein weiß, wie wichtig eine faire Beteiligung von Mitarbeitern an einem Startup sein kann. Als die Gründerin ihre Ausbildungsplattform Careerfoundry startete, fehlte ihr anfangs noch jemand mit Knowhow im Marketing. Mit einem üppigen Gehalt konnte sie zwar nicht locken, dafür aber mit einer finanziellen Beteiligung an ihrem Unternehmen im Verkaufsfall. Rein wurde schnell fündig – doch der Marketingleiter verließ ihr Startup schon nach zwei Jahren wieder. Denn auf die Beteiligung fielen schon Steuern an, obwohl das Unternehmen noch gar nicht verkauft worden war. „Der Mitarbeiter hat dann stattdessen einen gutbezahlten Job in einem etablierten Unternehmen angenommen“, erzählt Rein.

Das soll nach dem Willen des Bundesverbands Deutsche Startups künftig nicht mehr passieren. Seit Jahren setzen sich die Lobbyisten für steuerlich vereinfachte Mitarbeiterbeteiligungsprogramme (Employee Stock Option Plans, kurz: ESOP) in Deutschland ein. Zwar hat die Bundesregierung entsprechende Maßnahmen in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, umgesetzt wurde bisher jedoch nichts.

Nun legt der Startup-Verband nach und fordert von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bessere Bedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen. Dazu hat der Verband am Montag gemeinsam mit den Partnern Boston Consulting Group, BCG Digital Ventures, der Internet Economy Foundation (IEF) und Hengeler Mueller die Ergebnisse einer Umfrage vorgelegt. 1.900 Gründerinnen und Gründer sowie Investoren wurden zu ihrem Umgang mit ESOPs befragt. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Mitarbeiterbeteiligungen sind für ein erfolgreiches Startup-Ökosystem aus Sicht des Lobbyverbands „unverzichtbar“: Für 84 Prozent der Befragten sind Mitarbeiterbeteiligungsprogramme demnach essenziell für den Erfolg von Startups.
  • 77 Prozent der Befragten gaben an, Mitarbeiterbeteiligungen seien „Anerkennung für persönliche Leistungen“. 66 Prozent sehen darin sogar „eine starke Identifikation mit dem Startup“ und seinen Zielen. Für 59 Prozent ist eine Beteiligung eine „finanzielle Kompensation“ von vergleichsweise geringen Gehältern.
  • Aus Sicht des Startup-Verbandes sind Beteiligungen auch deshalb wichtig, weil durch sie langfristig mehr Geld in Neugründungen fließen kann. So gaben 38 Prozent aller Befragten an, die Erlöse aus früheren Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen entweder für die Gründung eigener oder für Investitionen in bestehende Startups zu nutzen.
  • Seit Jahren schaut die Szene neidisch ins Ausland, etwa in die USA, wo Mitarbeiterbeteiligungen namhafte Folgegründungen wie Tesla oder Linkedin hervorgebracht haben. In der Umfrage waren demnach nur 3 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland besser seien als im EU-Ausland oder in den USA.

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Konkrete Forderungen an die Bundesregierung

Die Ergebnisse der Umfrage überraschen kaum, zumal der Startup-Verband die Politik schon 2018 mit seiner Kampagne „Not Optional“ auf den Nachholbedarf bei Mitarbeiterbeteiligungen aufmerksam machte. Interessanter sind da schon die konkreten Forderungen, die die Lobbyisten an die Bundesregierung formulieren. Um Mitarbeiter fair und einfach an einem Startup zu beteiligen, seien folgende Änderungen nötig:

  • Die Schaffung einer neuen Anteilsklasse, vergleichbar mit stimmrechtslosen Vorzugsaktien. Firmenanteile könnten so „kostengünstig, schnell, einfach und digital“ an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgegeben werden. 
  • Eine faire Besteuerung von Beteiligungen: Statt Mitarbeiteranteile an einem Startup wie bisher als Einkommen zu versteuern, soll der Staat künftig erst zugreifen, wenn daraus tatsächlich finanzielle Gewinne entstehen – also im Falle eines Unternehmensverkaufs oder Börsengangs.
  • Höhere Freibeträge bei Reinvestion: Wer als früher Mitarbeiter eines Erfolgs-Startups zum Millionär wird und sein Geld in Startups investieren will, muss aktuell sehr schnell Steuern zahlen. Grund sind geringe Freibeträge von nur wenigen hundert Euro. Der Verband fordert, Erlöse aus Beteiligungen komplett steuerfrei zu machen, sofern sie anschließend für Neugründungen oder Investments genutzt werden.
  • Transparente Firmenbewertungen: Die Weitergabe von Firmenanteilen an Mitarbeiter ist steuerlich auch deshalb kompliziert, weil oft unklar ist, welchen Wert sie eigentlich haben. Schließlich ist ein Startup gerade in der Anfangsphase noch weit von einem Exit oder Börsengang entfernt. Der Verband fordert deswegen mit Blick ins Ausland „neutrale, einfache und kostengünstige Bewertungsverfahren“.

Wenn sich die Bedingungen verbessern, würden 88 Prozent der Gründerinnen und Gründer ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ESOP-Angebote machen, so der Startup-Verband. Aktuell tun das demnach nur 58 Prozent. Immerhin: Gerade erst hat die Große Koalitionen Verbesserungen beim Thema Mitarbeiterbeteiligung angekündigt, speziell für Startups.

Bild: Hannah Schwär / Business Insider