Relayr-Chef Josef Brunner: „Wenn man jemanden zu seinem ersten Exit führen kann, ist das ein unvergleichbares Gefühl.“

Die Nachricht hat die deutsche Startupszene diese Woche bewegt: Der Münchner Rückversicherer Munich Re übernimmt den Internet-of-Things-Spezialisten Relayr fünf Jahre nach dessen Gründung. Insgesamt 300 Millionen Euro bezahlte er für das Startup. Vorher hatten bereits die Telekom und der renommierte US-Risikokapitalgeber Kleiner Perkins in das Berliner IoT-Unternehmen investiert. Auch Munich Re war über ihr Tochterunternehmen Hartford Steam Boiler (HSB) seit 2016 an Relayr beteiligt.

Das Startup bietet kleineren und mittleren Unternehmenskunden eine Plattform, in der die Daten von Maschinen zusammenfließen. Physische Gegenstände lassen sich mit Software verbinden und so digitalisieren. Das soll etwa dabei helfen, herauszufinden, wann eine Maschine voraussichtlich kaputt gehen wird.

Josef Brunner übernahm bei Relayr 2015 die Rolle des CEO. Vorher gründete er auch selbst Unternehmen, darunter das Energiemanagement-Startup JouleX, das er später erfolgreich verkaufte. Brunner ist außerdem als Investor aktiv. Wie kam es zur Relayr-Übernahme – und wie geht es jetzt weiter? Wir haben bei Brunner nachgefragt.

Josef, Relayr hat gerade einen 300-Millionen-Dollar-Exit hingelegt. Wie habt ihr das gefeiert?

In den vergangenen drei Tagen fand in der Nähe von Berlin unser Global Company Summit statt. Wir haben vorab versucht, den Deal so zu beschleunigen, dass er mit diesem Treffen zusammenfällt. Da hatten wir dann nicht nur die Gelegenheit, zu feiern. Ich konnte den Mitarbeitern auch Hintergründe erklären und persönlich Fragen beantworten.

Ihr habt angekündigt, alle Mitarbeiter zu halten. Was beschäftigt die Leute nach so einer Nachricht noch?

Das ist stark abhängig von der Rolle. Im Sales wurde viel nach dem Zugang zum Mittelstand in den USA und Asien gefragt. Die Ingenieure wollten wissen, was in Sachen Sicherheit und Blockchain auf sie zukommen wird. Die Reaktionen waren zum Glück alle sehr positiv und nach vorne gerichtet. So ein Exit ist ja für alle, auch für mich, ein schockierender Moment – im positiven Sinne.

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Was macht Relayr aus deiner Sicht so wertvoll?

Ich glaube, dass bei uns viele spannende Themen zusammenkommen. Zum einen bieten wir neben der Technologie auch Beratung an, können also ein Ende-zu-Ende-Paket verkaufen. So hat der Kunde nicht die komplexe Aufgabe, verschiedene Partner zusammenzubringen. Zum anderen haben wir Kunden in den unterschiedlichsten Industriebereichen, dadurch ist bei uns über die Jahre viel Expertise entstanden.

Über HSB war Munich Re schon seit 2016 bei Relayr investiert. Wie kam es dazu?

Die erste Beziehung war eine Kundenbeziehung. Es ging darum zu sehen, ob man Industriegüter, die HSB in den USA versichert, bei uns integrieren und dort Inspektionen effizienter gestalten kann. Aus einer Kundendiskussion ist dann schnell eine strategische Diskussion geworden. Und daraus dann ein Investment.

War es eine schwierige Entscheidung für dich, das Unternehmen zu verkaufen?

Ja, schon. Da kommen viele Sachen zusammen. Aus Business-Angel- und Gründersicht durfte ich solche Exits ja schon mehrmals erleben. Daher weiß ich, dass es wahnsinnig schwierig ist, den Zeitpunkt dafür richtig einzuschätzen. Ist man zu früh oder zu spät dran? Darauf gibt es glaube ich keine richtige Antwort. Ausschlaggebend für meine Entscheidung jetzt war das Wissen, dass die Reise für Relayr weitergeht. Ich wollte das Unternehmen weiter gestalten und nicht langsam rausgedrängt werden. Da haben die Konditionen von Munich Re, eigenständig zu bleiben, weiter organisch wachsen und in Deutschland bleiben zu könne, gut gepasst.

300 Millionen sind ein hoher Wert. Doch verglichen mit dem Markt und seinen Playern ist es auch wieder keine allzu große Summe. Hast du Angst, den Verkauf heute irgendwann zu bereuen und zu denken: Vielleicht war es doch zu früh?

Die Gefahr besteht definitiv. Da wir eigenständig bleiben, haben wir aber hoffentlich weiterhin eine starke Wachstumsphase vor uns. Insofern sind noch alle Karten auf dem Tisch. Ich glaube nicht, dass ich in zwei Jahren zurückschauen und denken werde, da wäre vielleicht noch mehr drin gewesen. Mit so einer Einstellung macht man sich positive Ereignisse schlecht.

Laut t3n-Interview gab es noch andere Kaufinteressenten. Wen?

Relayr-Chef Josef Brunner: „Wenn man jemanden zu seinem ersten Exit führen kann, ist das ein unvergleichbares Gefühl.“

Laut t3n-Interview gab es noch andere Kaufinteressenten. Wen?

Das waren die klassischen Tech-Giganten, die an IoT interessiert sind. Namen kann ich nicht nennen, da würde ich Vertraulichkeitserklärungen brechen.

Warum war es dir so wichtig, dass kein US-Unternehmen Relayr übernimmt?

Weil wir Deutschen gut darin sind, solche Dinge zu früh aus der Hand zu geben. Wir haben schon das Consumer Internet verpennt, Consumer IoT zu einem großen Teil auch. Das ist schade, weil es neue Industriezweige sind, die volkswirtschaftlich einen unglaublichen Einfluss haben können. Wir sind gut darin, Produkte und Maschinen zu bauen. Wenn wir aber auch den SaaS-Trend verpennen, wird das unserem Bruttoinlandsprodukt irgendwann substanziellen schaden.

Relayr soll unter Munich Re eigenständig bleiben. Was wird sich durch die Übernahme für euch ändern?

Neben der Tatsache, dass es nur noch einen Shareholder gibt, wird sich die Zusammensetzung des Boards ändern. Munich Re wird dabei sein, einige unabhängige Personen aus der Startupszene und ich.

Stehen schon Namen fest?

Ja, wir werden die Namen in circa sechs Wochen bekanntgeben, wenn der Deal auch rechtlich durch ist.

Es ist nicht dein erster Exit, vorher hast du unter anderem JouleX gegründet, das später von Cisco übernommen wurde. Hattest du auf einen Exit in dieser Größenordnung hingearbeitet, seitdem du Relayr 2015 als CEO übernommen hast?

Nein. Ich bin da mehr oder weniger reingestolpert. Als ich als erster Investor bei Relayr in der Seed-Runde eingestiegen bin, habe ich definitiv nicht vorgehabt, mich operativ zu engagieren. Nach längeren Gesprächen hat mich das Management dann aber doch davon überzeugt, einzusteigen. Dass es keinen Sinn macht, nur auf den Exit zu schielen, weiß ich aus meiner Investorenrolle: Es ist wichtiger Substanz im Geschäft aufzubauen, andernfalls verzettelt man sich zu leicht. Wenn man mich zum Beispiel vor dreieinhalb Jahren gefragt hätte, ob wir mal einem Versicherungskonzern angehören würde, wäre meine Antwort klar nein gewesen. Wer sich zu sehr festlegt, kommt also nicht voran.

Du wirst erstmal CEO bleiben. Hast du darüber hinaus schon nächste Stationen im Kopf?

Operativ bin ich jetzt erstmal beschäftigt und freue mich, Neues lernen zu können. Ich habe ansonsten nichts geplant. Klar ist, dass ich weiter Investments machen werde, weil mir das einfach Spaß macht. Wenn man jemanden zu seinem ersten Exit führen kann, ist das ein unvergleichbares Gefühl. Das will ich weiter haben.

Bild: Relayr