Lade Premium-Inhalte...
Das Beste aus der Karriere machen. Damit wirbt Linkedin. Doch auf der Plattform tummeln sich immer häufiger Schein-Investoren, die international agieren und auch deutsche Startups ins Visier nehmen.

Diesen Artikel könnt ihr euch auch anhören. Die Audio Story findet ihr unter dem Text.

Es ist ein Thema, über das man ungern spricht: selbst Opfer von Betrügern geworden zu sein. Vor allem wenn man sich in der verantwortlichen Position eines Gründers oder Geschäftsführers befindet. „Mich hat überrascht, wie clever und gut die Betrüger aufgestellt sind“, sagt Andreas Schmitz (Name geändert), Geschäftsführer eines Berliner Startups, gegenüber Gründerszene. „Sie fressen sich wie ein Virus in dein Linkedin-Netzwerk.“

Anfang des Jahres stellt einer seiner Business Angels den Kontakt zu einem potenziellen Geldgeber aus den USA her. Ein gewisser David Cooper mit mehr als 500 Kontakten auf Linkedin, der sich als US-Investor und Partner von GEP Lending ausgibt, meldet sich daraufhin bei Schmitz. „Ich habe mich auch deshalb bei ihm zurückgemeldet, weil wir 15 gemeinsame Kontakte ersten Grades teilten.“ Vom Small Talk bis zum Austausch über bisherige Geschäftsbeziehungen geht man bald zum Wesentlichen über: den Bedingungen für einen möglichen Kredit.

Gefälschte Dokumente und geklaute Profilfotos eines VW-Vorstands

Es geht um zwei Millionen Dollar zu einem Festzins – ohne, dass zunächst eine finanzielle Vorleistung verlangt wird. Laut Vertrag nimmt GEP Lending 0,5 Prozent Provision von der Kreditsumme. In den Unterlagen, die auch Gründerszene vorliegen, steht, dass sie erst abgezogen wird, sobald der Kredit ausgezahlt wurde. Wie bei anderen Verhandlungen sei der Ablauf in den gewohnten Bahnen verlaufen, sagt Schmitz. Also auch, was die dazugehörigen Dokumente anbelangt, die ausgefüllt werden müssen. Schmitz leitet seine Ausweis- und Kontodaten sowie Einsichten in den Business-Plan und andere sensible Unternehmensdaten an Cooper weiter.

Dieser Artikel erschien zuerst am 6. Oktober 2020 und hat in diesem Jahr besonders viele Leserinnen und Leser interessiert.

Der Webauftritt von der Kreditvergabe-Firma GEP Lending sieht auf den ersten Blick seriös aus, wenn auch die Seite nicht gerade auf dem neuesten Stand der Technik gehalten wurde. Da Schmitz trotzdem erste Bedenken kommen, fordert er von Cooper Referenzschreiben von Firmen, denen GEP Lending bereits Geld geliehen haben soll. Die gewünschten Dokumente mit Stempeln und Unterschriften werden anstandslos übermittelt.

Die Korrespondenz hat sich mittlerweile auf den E-Mail-Verkehr verlagert. Schmitz wundert sich, dass Cooper über eine Gmail-Adresse schreibt und spricht ihn darauf an. Der entschuldigt sich für die Nachlässigkeit und antwortet beim nächsten Mal über eine GEP-Lending-Adresse. Schmitz bleibt dennoch stutzig und stellt weitere Untersuchungen an: Wie sich herausstellt, wurden beide IP-Adressen, die von GEP Lending und die der Referenzfirmen, erst Anfang 2020 angemeldet. Die Sache wird Schmitz zu heikel, er springt kurz vor Vertragsunterzeichnung ab.

Der Startup-Geschäftsführer vermutet, dass Cooper womöglich im nächsten Schritt eine Fee abkassiert hätte, bevor der Kredit hätte ausbezahlt werden müssen. Schmitz und seine Kontakte haben den Fall nach eigenen Angaben bei Linkedin als Fake-Account gemeldet. Wie sich nach Recherchen von Gründerszene herausstellt, ist nicht nur GEP Lending, sondern auch das Profil von Cooper gefälscht. Allerdings ist Cooper noch Monate lang weiter auf Linkedin aktiv.

Auch andere Startups wurden Opfer von Linkedin-Betrügern

Allein im Jahr 2019 sollen rund 33 Millionen unseriöse Accounts auf Linkedin weltweit gelöscht worden sein. Die meisten davon durch einen automatisierten Algorithmus, heißt es auf dem Portal. 153.000 Fake-Profile und solche, die Missbrauch betreiben, entfallen dabei auf Verstöße, die direkt von Mitgliedern gemeldet wurden. Teilweise sind Profile so gut getarnt, dass sie den Algorithmen der Plattform nicht auffallen. Das weiß auch Jimmy Lee. Er ist Seriengründer aus Malaysia und hat nach eigenen Angaben gleich mehrere Betrugsversuche auf Linkedin erlebt.

Lee hat in einem Artikel auf Linkedin mehrere Fälle aufgelistet, wie Betrüger mit gefälschten Profilen und Dokumenten vorgehen. Was alle Fake-Profile eint, ist der Umstand, dass über die Personen, die sich als Investoren ausgeben, nicht viele Informationen im Netz zu finden sind. Die meisten von ihnen bedienen sich an Fotos aus dem Internet. Lee hat beispielsweise einen Account gemeldet, bei dem ein mutmaßlicher Betrüger die Bilder von Christoph Röder, einem deutschen Influencer auf Instagram, verwendet hat. 

Linkedin löscht und schweigt

Deutsche Gesichter scheinen von international agierenden Betrügern als besonders vertrauenserweckend erachtet zu werden, wie auch der Fall von Andreas Schmitz zeigt. Auf der Homepage von GEP Lending ist einer der vorgeblichen Geldgeber-Bosse, Teddy Richmoore, ebenfalls mit Foto zu sehen. Eine Bilder-Rückwärtsuche von Gründerszene zeigt schnell, dass es sich bei dem Bild um Gunnar Kilian, einen deutschen Ex-Journalisten handelt, der heute Personalvorstand bei VW ist.

Auf Nachfrage von Gründerszene wird der Fall von Cooper durch Linkedin geprüft. Das im kalifornischen Sunnyvale ansässige Trust & Safety-Team um Leiter Paul Rockwell bestätigt den Betrugsfall und löscht das Profil von Cooper. Teddy Richmoore war mit Kilians Bildidentität auf Linkedin noch bis zum Tag der Veröffentlichung dieses Artikels aktiv. Das Profil ist mittlerweile gesperrt worden (Stand: 06.10.2020; 15:00 Uhr).

GEP Lending

Bild: Screenshot

„Unsere Teams arbeiten ständig daran, derlei Aktivitäten von unserer Plattform fernzuhalten und unsere Mitglieder zu schützen“, so Rockwell in einem offiziellen Statement. Wenn man gefälschte Profile entdecke – sei es durch automatische oder manuelle Überprüfung –, ergreife Linkedin schnelle Maßnahmen, heißt es. Konkrete Angaben, welche Kriterien zu der Überführung geführt haben, wie der Fall weiter gehandhabt wird und wie viele Coopers dieser Welt mit ähnlichen Betrugsabsichten derzeit auf Linkedin unterwegs sind, möchte das Unternehmen trotz Nachfrage nicht kommunizieren.

Linkedin verweist lediglich auf die Sicherheitsmaßnahmen, den jährlichen Transparenz-Report zu Betrugsfällen auf der Plattform und was Nutzerinnen und Nutzer tun können, damit sie selbst nicht zum Opfer werden. Bisher habe Linkedin immer auf die gemeldeten Betrugsfälle reagiert, sagt Lee. Ein Fall sei ihm bekannt, bei dem ein Gründer auf einen Investment-Scam hereingefallen ist und noch heute die Zinslast eines Ersatzkredits dafür abzahlen muss.

Wie es meistens abläuft

Ein gut gepflegtes Profil mit Hunderten Kontakten, gefälschte Ausweise und Dokumente gehören zum Standard-Repertoire von Betrügern. Fake-Investoren verlangen kurz vor Abschluss der Verträge eine Bearbeitungsgebühr oder andere Provisionen. Die Finanzierung bleibt aus. Was mit den sensiblen Unternehmensdaten und persönlichen Informationen der Gründer geschieht, ist unklar. Lee vermutet, dass sie für andere missbräuchliche Zwecke verwendet werden könnten. Auch Schmitz zeigt sich beunruhigt, was mit den persönlichen Daten und Unternehmensinformationen noch passieren wird.

Wie groß die Dunkelziffer der Betrugsfälle ist, lässt sich nur schwerlich abschätzen – auch weil viele aus Scham nicht darüber reden. Der Berliner Staatsanwaltschaft sind bisher keine Anzeigen in diesem Bereich oder vergleichbare Delikte bekannt.

Wenn auch du ähnliche Erfahrungen mit Betrugsversuchen auf Linkedin oder anderen Plattformen gemacht hast, dann schreib uns gerne hier oder per E-Mail: marco.weimer[at]gruenderszene.de

Hier könnt ihr euch den Artikel anhören:

Bild: S3studio / Getty Images; Der Artikel ist am 06.10.2020 um 6 Uhr morgens erschienen. Der Beitrag wurde angepasst, weil Linkedin eines der verdächtigten Profile im Nachgang der Veröffentlichung löschen ließ. Außerdem wurde die Antwort der Berliner Staatsanwaltschaft ergänzt.
Lade Premium-Inhalte...