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Viele Unternehmerfamilien betreiben eigene Family Offices, um in andere Firmen zu investieren.

Ein Beitrag von Christian Renner, Gründer und Managing Director von Kompass Digital, dem Venture-Capital-Fonds eines Family Offices, und Carl-Luis Rieger, Investmentmanager bei Kompass Digital

Die meisten Menschen erhalten am Ende des Monats ihren Gehaltsscheck, zahlen damit ihre Miete, gehen in Restaurants, legen einen Teil auf die Seite und gönnen sich von Zeit zu Zeit etwas. Doch für Vermögende wird die Verwaltung des eigenen Geldes zu einer Vollzeitstelle. Aus diesem Grund gründen wohlhabende Familien vermehrt sogenannte Family Offices (FO).

Was genau ist eigentlich ein Family Office?

Viele der wohlhabenden familiengeführten Unternehmen beschäftigen heutzutage Finanzberater, Investmentmanager und Steuerberater in einem Family Office, um ihr Vermögen zu verwalten. Allgemein unterscheidet man zwischen einem Single Family Office, das ausschließlich das Vermögen einer Familie betreut, und dem Multi Family Office, das für mehrere Familien agiert. Gerade Letzteres ist beliebt, da so das Risiko auf mehrere Teilhaber verteilt wird. Mehr als die Hälfte aller Family Offices in Deutschland und der Schweiz betreuen im Durchschnitt mindestens 300 Millionen Euro, mehr als ein Viertel über eine Milliarde. Früher war die Mindestvoraussetzung ein Vermögen von 50 Millionen Euro. Doch weil es heute mehr Multi Family Offices gibt, reicht bereits ein Zehntel der Summe, um die Leistungen zu bekommen.

Venture Capital wird als Anlageklasse für Family Offices attraktiver

Während in der Vergangenheit der Aktien- und Anleihenmarkt sowie Private Equity im Fokus standen, tauchen vermehrt Startups-Investment und Venture-Capital-Deals auf dem Radar der Family Offices auf. Da die Kosten eines typischen Venture-Capital-Fund-in-Fund-Investments (FO investiert in einen anderen Wagniskapitalgeber) den mittelständischen Familien häufig zu hoch sind und es auch gegen den eigenen Unternehmergeist spricht, nehmen sie die Sache selbst in die Hand.

Ein Blick in die Zahlen zeigt, dass das Wachstum der Venture-Capital-Deals von Family Offices sich weltweit in den vergangenen Jahren mehr als vervierfacht hat. Waren es 2010 noch 59 Deals, wurden 2017 bereits 272 gezählt. Die Investments befinden sich zwar noch in einer kleineren Größenordnung, wuchsen aber in der näheren Vergangenheit deutlich stärker als das traditionelle Venture-Capital-Geschäft. Die Privatsphäre vieler Family Offices führt jedoch dazu, dass viele getätigte Investments nicht öffentlich verkündet werden. Namhafte Family Offices mit Venture-Capital-Fokus sind das Omidyar Network von Ebay-Gründer Pierre Omidyar, das derzeit auch das aktivste Office im Bereich direkter Startup-Investments ist, oder Bezos Expeditions, das im Auftrag von Amazon-Gründer Jeff Bezos agiert. Aber auch Venture-Capital-Investments von deutschen mittelständischen Familienunternehmen sind üblicher, als man im ersten Augenblick denkt. Einige heute bekannte Venture-Capital-Funds wie Reimann Investors, Westtech Ventures und Astutia Ventures haben beispielsweise ihre Wurzeln in Family Offices.

Strategische Aspekte wichtig, leider oft mangelnde Struktur

Die Gründe für Venture-Capital-Investments von Family Offices sind vielfältig: Einerseits lockt die potenzielle Rendite, andererseits sind auch strategische Ziele ein Treiber. Der deutsche Mittelstand digitalisiert sich nur langsam, merkt aber zunehmend, dass er handeln muss. Die Verknüpfungen zum innovativen Startup-Ökosystem sollen die Digitalisierung des Kerngeschäfts vorantreiben. Investiert wird daher vorrangig in Startups, deren Produkte in die eigene Unternehmensstrategie passen. Für mehr als 70 Prozent des deutschen Mittelstands ist das vorrangige Ziel, mit Venture Capital digitale Ideen in die eigene Wertschöpfungskette zu integrieren. War der Mittelstand vor einigen Jahren Startups gegenüber noch deutlich skeptischer, erkennen zunehmend (familiengeführte) Unternehmen das Potenzial der Startup-Szene. Der Mittelstand ist offener für neue Geschäftsmodelle und begegnet jungen Unternehmen zunehmend auf Augenhöhe.

Durch die häufig geringe Anzahl von Investments eines einzelnen Family Offices fehlt es jedoch an festen Abläufen und Prozessen. Die mangelnde Struktur sorgt für erhöhte Komplexität des ohnehin schon komplizierten Dealablaufs, ein potenzielles Investment läuft insgesamt langsamer ab.

Warum sind Family Offices trotzdem interessant für Startups?

Warum ist für Gründer die Zusammenarbeit mit mittelständischen Familienunternehmen trotzdem interessant? Es sind vor allem zwei Gründe, die Startups antreiben, eine Kooperation einzugehen. Einerseits agieren mittelständische Family Offices im Vergleich zu klassischen Wagniskapitalgebern geduldiger. Anstatt den Fokus auf einen schnellen und möglichst hohen Exit zu legen, steht eine langfristig ausgelegte Kooperation für das Family Offices im Vordergrund. Andererseits bringen Family Offices ein exzellentes Netzwerk strategischer Partner mit. Klassische Venture-Capital-Funds können in der Regel mit einem hervorragenden Netzwerk von Investoren für weitere Finanzierungen unterstützen. Family Offices, häufig in der gleichen Branche wie das Startup aktiv, warten dagegen mit strategischen Partnern und Spezialisten auf. Die meist tiefen Beziehungen öffnen Startups Türen zu immateriellen Aspekten wie jahrelanger Expertise oder greifbarer Unterstützung zum Beispiel bei der Vorstellung von ausgezeichneten Produzenten. Es kommt daher darauf an, was ein Startup im Einzelfall benötigt, um den richtigen Investor zu finden.

Die verschwiegene Natur der wohlhabenden Familien führt dazu, dass viele Family Offices auf eine Internetpräsenz verzichten. Wie kommen interessierte Gründer also in den Kontakt mit dem richtigen Ansprechpartner? Der Drehund Angelpunkt ist das Netzwerk. Der erste Schritt sollte daher sein, seine Kontakte im näheren Umfeld zu erweitern und nach Empfehlungen Ausschau zu halten. Andere Gründer, die von Family Offices unterstützt werden, können die Investoren im Hintergrund vorstellen.

Ebenfalls in die richtige Richtung zeigen können Angel-Investoren, die in einer bestimmten Branche aktiv sind. Manche Family Offices empfehlen als alternative Herangehensweise, sich zu überlegen, welche familiengeführten Unternehmen für geplante Vorhaben des Startups ein attraktiver Partner sein könnten und hier anzusetzen. Schritt für Schritt nähert man sich so dem richtigen Ansprechpartner.

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Die umständliche Herangehensweise fungiert gleichzeitig als natürlicher Auswahlprozess für Family Offices. Der Kontakt signalisiert gleichzeitig einen guten Gründer und einen potenziell guten Deal.

Family Offices legen Wert auf Expertise-orientierten Ansatz

Ist die Hürde des Kontakts überwunden, gilt es, das FO zu überzeugen. Die Bandbreite der Kriterien ist durch die Diversität der Family Offices breit: Meist sollten die Erfahrung und Kenntnisse des Familienunternehmens hier im Vordergrund stehen. Der strategische Aspekt ist im Vergleich zum klassischen Wagniskapital immerhin einer der Hauptvorteile einer Kooperation mit einem Family Office, die Expertise sollte daher Schlüsselpunkt der Verhandlung sein.


Der Mittelstand hat in Deutschland eine große Marktmacht. 99,6 Prozent aller deutschen Unternehmen gehören ihm an, davon sind 95 Prozent in der Hand von einer oder mehreren Familien. Die breite Masse der Mittelstandsunternehmen erreichte bisher jedoch lediglich einen mäßigen Digitalisierungsgrad. Der Aufholbedarf hinsichtlich der Transformation zum „digitalen Unternehmen“ wird neben der attraktiven Rendite die Anzahl an strategischen Venture-Capital-Deals von Family Offices in Zukunft vergrößern. Auch dass die nächste Generation der Familienunternehmer in digitalen Zeiten aufgewachsen ist, wird die FO-Welle im Venture Capital voraussichtlich weiter vorantreiben.

Aktuell haben bereits zwei Drittel des familiengeführten Mittelstands den Bereich Venture Capital für sich entdeckt, obwohl mehr als die Hälfte noch nie ein digitales Investment getätigt hat. Man kann daher davon ausgehen, dass in Deutschland das Wachstum professioneller Family Offices weiter voranschreiten wird, diese ebenfalls im Venture-Capital-Feld agieren werden und damit die Zahl der Startup-Finanzierungen mit Family Offices voraussichtlich ansteigt.

Family Offices werden auch in Zukunft vermehrt in Startups investieren

Mit zunehmender Deal-Erfahrung werden sich Family Offices weiter professionalisieren. Mit Zunahme der getätigten Deals ist zu erwarten, dass sich Family Offices im Venture-Capital-Feld stärker professionalisieren und den marktüblichen Standards annähern werden. Aus Gründersicht sollte darauf geachtet werden, dass entweder ein erfahrenes FO oder ein klassischer Venture-Capital-Fund an der Finanzierungsrunde beteiligt ist, da so die marktübliche Geschwindigkeit des Closings gesichert sein sollte. Geht man ein Investment mit einem unerfahrenen FO mit wenig Deal-Erfahrung als Lead-Investor ein, muss man in Kauf nehmen, dass man Teil der Lernkurve des FO ist.

Die voranschreitende Digitalisierung des Mittelstands und die vielversprechende Rendite werden dafür sorgen, dass Family Offices auch in Zukunft vermehrt in Startups investieren. Die Anzahl von Family Offices wird perspektivisch weiter wachsen, und damit mehren sich auch die Chancen für Gründer. Generell gilt, dass eine erfolgreiche Kooperation immer auf Augenhöhe erfolgen sollte, da einseitige Beweggründe zum Scheitern von Allianzen führen können. Ist der Weg für eine Kooperation geebnet, bieten Family Offices für Startups ausgeprägte Vorteile, denn die strategischen Vorzüge und die langfristige Planung sind attraktiv für viele Gründer.

Bild: Getty Images / Westend61
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