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Wenn Startups in Geldnot geraten, können Investoren die Bedingungen diktieren.
Wenn Startups in Geldnot geraten, können Investoren die Bedingungen diktieren.

Die Meldung vor einigen Wochen schlug ein: Nach einem Finanzierungsrekord im vergangenen Jahr sei aufgrund der aktuellen Corona-Krise für das Jahr 2020 ein massiver Einbruch bei Startup-Finanzierungen zu erwarten. Das vermeldete die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY mit Blick auf die gesamte europäische Startup-Szene. Zahlen des Statistikdienstes Dealroom belegen dies: Auch wenn für den Monat April gegenüber März eine erste Erholung zu sehen ist, das Niveau liegt derzeit deutlich unter dem des Vorjahres.

Dennoch: Zum Erliegen gekommen ist die Startup-Finanzierung nicht. Absichtserklärungen, sogenannte Term Sheets, machen auch jetzt noch die Runde und Finanzierungsrunden werden abgeschlossen – wenn auch nicht immer zu den Bedingungen, die sich die Startups vor der Krise ausgemalt hatten. „Natürlich werden da Begehrlichkeiten geweckt. In schwierigen Zeiten können Investoren eben härter verhandeln und müssen gegebenenfalls auch ihr Investment noch besser absichern“, sagt Jörg Zätzsch, Rechtsanwalt und Partner bei CMS Hasche Sigle.

Die Geldgeber verhielten sich derzeit deutlich vorsichtiger, beobachtet Zätzsch. „Es wird schon genauer geprüft.“ Wenn dringend Kapital gebraucht wird, gelte es zu unterscheiden, ob ein kurzfristiger Liquiditätsengpass verhindert werden soll oder ob eine langfristige Beeinträchtigung durch die Krise vorliegt. Dass derzeit viele Finanzierungsrunden aufgrund der Corona-Krise platzen, ist für Zätzsch aber nicht erkennbar.

Dennoch verhalten sich nicht alle Geldgeber fair. „Es gibt Investoren, die die aktuelle Situation ausnutzen und eine Down-round durchsetzen wollen“, sagt Daria Saharova, Investorin beim Münchener VC Vito One. Nachdem es in den Monaten vor der Krise zu einem regelrechten Wettbewerb der Startup-Finanzierer gekommen war, bei dem sich Gründer aus vielen Angeboten das beste heraussuchen konnten, sei die Dynamik nun eine andere: „Wenn ein Startup gerade Geld benötigt, haben die Investoren heute mehr Macht“, so Saharova. Auch sie beobachtet dabei eine besondere Vorsicht: „Geld bekommen heute vor allem Gründer, die den Investoren schon bekannt sind.“

Andere VCs gehen in Abwartehaltung. Sie haben auch eine Verantwortung den eigenen Geldgebern gegenüber, und das beeinflusst ihre Denkweise: Zwar würden bereits vereinbarte Finanzierungsrunden abgeschlossen und auch neue eingeleitet, hatte Lakestar-Chef Klaus Hommels vor kurzem im Gründerszene-Interview gesagt. „Man kann sich aber nie ganz von dem Gedanken frei machen, dass in drei Monaten vielleicht alles etwas günstiger zu haben ist.“

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Investorenfreundlichere Term-Sheets

Während einige VCs bereits vor schwierigen Bedingungen warnen („The VC Barbarians Are Coming“), bescheinigt Investor Olaf Jacobi der Szene bislang ein gutes Verhalten. „In der Regel bleibt es bei marktüblichen Vorsichtsmaßnahmen“, sagt der Managing Partner beim VC Capnamic Ventures. Erst einmal werde Corona nicht in Deals eingepreist. „Es sei denn, es zeichnen sich klare Effekte ab, etwa in der Reiseindustrie“, so Jacobi.

Wichtig ist für ihn, dass Gründer in den Investorengesprächen klarmachen, mögliche Auswirkungen der Krise in ihren Kalkulationen berücksichtigt zu haben. Dass es bei der Umsetzung einiger Meilensteine in der aktuellen Situation zu Verzögerungen kommen kann, müsse den Investoren bewusst sein. Aber das gefährde ja nicht gleich das Geschäftsmodell oder die vom Startup entwickelte Technologie. Allerdings schließt auch Jacobi nicht aus, dass sich schwarze Schafe in der Szene breitmachen.

Aber woran können unerfahrene Gründer diese erkennen? Auf diese besonders investorenfreundlichen Elementen eines Term-Sheets sollten sie unter anderem achten:

  • Liquidation Multiples: Liquidations- und Erlöspräferenzen sollen den Investor im Fall seines Ausstiegs bevorzugen und dafür sorgen, dass sich seine Beteiligung am Startup rentiert. Dazu wird eine Rangfolge bei der Auszahlung vereinbart: Der Investor erhält zuerst sein Investment zurück, bevor der übrige Erlös dann – je nach Beteiligungsquote – auf die übrigen Gesellschafter verteilt wird. Lassen sich Investoren im Term-Sheet ein Multiple zusichern – das x-fache ihres Investments –, können Gründer beim Exit schnell leer ausgehen.
  • Verwässerungsschutz: VC-Investoren verlangen – unabhängig von der derzeitigen Krisensituation – häufig Schutz vor Verwässerung („Anti-Dilution“) ihrer Beteiligungsquote. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass bei späteren Finanzierungsrunden („down rounds“) eine geringere Bewertung des Startups zugrunde gelegt wird, als sie bei der aktuellen Beteiligung veranschlagt wurde. Dementsprechend werden diese Regelungen daher auch als „down-side protection“ bezeichnet.

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  • Eingebaute Hebel: Sollte einem Investor ein Verwässerungsschutz zugesichert worden sein, muss noch festgelegt werden, wie dieser bei der nächsten Finanzierungsrunde behandelt wird. Im Normalfall wird versucht, einen guten Mittelweg („narrorw-based average“ oder „broad-based average“) zwischen der alten und der – niedrigeren – neuen Bewertung zu finden. Demgegenüber ist der volle Hebel („full ratchet“) aus Investorenperspektive die stärkste Variante. Der Investor soll im Fall einer sogenannten Down Round so gestellt werden, als hätte er auf der niedrigeren Bewertung der Down Round in das Startup investiert. Damit wird das Risiko der Fehlbewertung voll auf die Altgesellschafter und die Gründer abgewälzt. Ein reiner Full-Ratchet-Verwässerungsschutz wird zwar noch oft zu Beginn in Verhandlungen von Investoren gefordert, kann aber in aller Regel herausverhandelt werden.
  • Sonstige Vorzugsrechte: Darunter fallen etwa Vorkaufsrechten bei Veräußerung, was besonders bei strategischen Investoren eine große Rolle spielen kann, oder die Wandlungsgrundlage bei sogenannten Convertibles, also Wandeldarlehen: Um es zu vermeiden, Kapital zu unvorteilhaften Bedingungen aufnehmen zu müssen, habe einige Unternehmen zuletzt auf Wandeldarlehen zurückgegriffen – eine Art Kurzzeitkredite, die bei zukünftigen Finanzierungsrunden in Eigenkapital umgewandelt werden können. Der Berliner Kfz-Portalbetreiber Auto1 Group zum Beispiel hat auf diese Weise 300 Millionen Euro aufgenommen, um die erheblichen Umsatzrückgänge abzufedern.

Du willst wissen, wie Startup-Finanzierung funktioniert? Erfahre es hier:

Wie geht es mit den Finanzierungsrunden weiter?

„Der stärkste Hebel ist aber immer die Bewertung“, sagt die Münchener Investorin Daria Saharova. Allerdings weist sie auch darauf hin, das die Bewertungen vor der Krise generell sehr hoch gewesen sein, und eine Bereinigung könne der Szene langfristig auch gut tun.

„Mein Bauchgefühl ist, dass viele Gründer derzeit Angst haben, auf Investoren zuzugehen und lieber einige Monate warten wollen“, glaubt Geldgeber Olaf Jacobi. „Man will ja eine Finanzierungsrunde mit Momentum starten.“ Für diese Zurückhaltung gebe es aber keinen Grund. Zwar habe es zu Anfang der Krise einen eingeschränkten Dealflow gegeben, weil Investoren zunächst das bestehende Portfolio absichern und Rücklagen bilden mussten. Das habe sich jetzt aber gedreht, Geldgeber suchen wieder aktiv nach Investments. Ihre Fonds haben feste Investitionszyklen. „Davon können sich VCs nicht dauerhaft lösen, das Geld muss raus“, sagt Jacobi.

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Bild: Petrified Collection / Getty Images
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