Wer seinen Job verliert, hat nichts zu lachen, aber in Deutschland viele Rechte.

Wenn der Arbeitgeber einem den Job kündigt, stellt man sich viele Fragen: Was habe ich falsch gemacht? Wieso muss ausgerechnet ich gehen? Und: Wie verdiene ich jetzt mein Geld?

Arbeitnehmer sind mit einer Kündigung häufig so überfordert, dass sie nicht auf ihr Recht pochen und eine angemessene Abfindung einfordern. Dieser Überzeugung ist zumindest Simon Wolff, Mitgründer der Berliner Kanzlei für Arbeitsrecht Chevalier. „Viele Leute haben keine Ahnung, welche Rechte sie bei einer Kündigung haben“, sagt der 25-Jährige im Gespräch mit Gründerszene. „Hinzu kommt, dass sie oft Hemmungen haben, zum Anwalt zu gehen und sich deswegen nicht wehren, wenn ihr Arbeitgeber zum Beispiel keine Abfindung zahlen will.“

Die Kanzlei Chevalier wurde im vergangenen Frühling von der Berliner Flugrechte-Firma Flightright gegründet. Flightright beschäftigt in Berlin und Potsdam 140 Mitarbeiter und ist nach eigenen Angaben Marktführer unter den Unternehmen, die für Fluggäste Entschädigung erstreiten, wenn ihr Flug verspätet ist oder ausfällt. Vergangene Woche berichtete Gründerszene, dass Flightright verkauft wurde.

Neue Generation von Tech-Kanzleien?

Mit Chevalier will Flightright-Gründer Philipp Kadelbach, der auch nach dem Verkauf Geschäftsführer bleibt, in ein zweites Rechtsgebiet vordringen. Wieder will er einzelnen Personen helfen, nicht großen Firmen. Wieder sollen die Technologie und die gesammelten Informationen es ermöglichen, dass Chevalier – genauso wie Flightright – schnell viele Fälle bearbeitet und das bestmögliche Ergebnis für die Nutzer erzielt. 

Tatsächlich ist Chevalier deswegen keine typische Kanzlei. Das Unternehmen kümmert sich zwar um Mandanten und streitet – wenn nötig – vor Gericht. Allerdings hat Chevalier eine eigene Technologie entwickelt, die nicht nur interne Prozesse automatisiert, sondern auch die einzelnen Fälle schnell kategorisiert.

Dafür fließen die Daten jedes Mandanten in ein System, beispielsweise der Name des Arbeitgebers, die Dauer des Arbeitsverhältnisses oder die Position. Dieses errechnet dann, was der Person zusteht – und nimmt den Anwälten von Chevalier so viel Arbeit ab. Laut Chevalier soll davon aber vor allem der Mandant profitieren, weil er schnell erfährt, worin sein Anspruch besteht. Für Neukunden bietet die Kanzlei deswegen eine kostenlose Erstberatung an.

Auf der eigenen Website wirbt Chevalier damit, den Weg zu einer „neuen Generation von Anwaltskanzleien bahnen“ zu wollen. Einer Generation von Tech-Kanzleien quasi. Auch das Preismodell ist ungewöhnlich: Mandanten können eine Provision, also einen Teil ihrer erstrittenen Abfindung, an Chevalier abgeben, ihre Kosten von einen Rechtsschutzversicherung decken lassen oder einen Beitrag nach dem sogenannten Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zahlen.

Abfindungen im hohen sechsstelligen Bereich 

Bisher scheint die Idee zu funktionieren. Aktuell arbeiten für Chevalier 20 Personen, bis Ende des Jahren soll das Team auf voraussichtlich 40 Mitarbeiter wachsen. Seit Oktober firmiert die Kanzlei, die Flightright zuvor unter dem Decknamen X-Right laufen ließ, unter Chevalier. Bisher hat die Kanzlei „ein paar hundert Fälle“ bearbeitet und schon Abfindungen im hohen sechsstelligen Bereich erstritten, wie Wolff sagt.

Chevalier soll zwar von den Erfahrungen und dem Wissen von Flightright profitieren, arbeitet ansonsten aber komplett unabhängig: Eigenes Büro, eigenes Budget, eigenes Team – und eine neue Geschäftsführung. Neben Simon Wolff zählen der BWLer Marius Eßer, der Jurist Markus Hartung sowie CTO Markus Petrykowski dazu. Wolff hat seinen Abschluss an der WHU gemacht, seine ersten Jobs hatte er bei Rocket Internet und dem Umzugs-Startup Movinga. Mit Jura kannte er sich vor Chevalier kaum aus, er kümmert sich um die Business-Seite des Unternehmens. 

Flightright erstreite für einen Kunden um Schnitt 600 Euro bei einer Fluggesellschaft, sagt Wolff. Chevalier wolle hingegen im Schnitt 10.000 Euro an Abfindung erkämpfen. Die Beziehung zu jedem Mandanten sei demnach intensiver. Eine Kündigung sei schließlich immer eine „super kritische Situation“ und etwas komplett anderes als ein verspäteter Flug.

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Bild: Getty Images / Image Source RF / Cadalpe