Das Büro von Johannes Plettenberg steht derzeit fast immer leer.

Wie geht es der deutschen Startup-Szene nach Monaten der Krise? Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten, jedes Unternehmen musste in den vergangenen Wochen andere Herausforderungen bewältigen. Einige wuchsen so schnell wie noch nie, andere fürchteten täglich die Pleite.

Um zu erfahren, wie einzelne Startups die Situation bewältigen, haben wir als Gründerszene-Redaktion einen Fragebogen an Unternehmerinnen und Unternehmer geschickt – unter anderem an Johannes von Plettenberg, Gründer des Sextoy-Startups Wow Tech. Sein Unternehmen verkauft unter anderem den Womanizer, einen beliebten Vibrator für Frauen. 160 Mitarbeiter beschäftigt Wow Tech an mehreren Standorten weltweit, in diesem Jahr rechnet das Unternehmen mit 100 Millionen Euro Umsatz. In den ersten drei Monaten dieses Jahres lag der Umsatz in Deutschland, Schweiz und Österreich 40 Prozent über den Erwartungen. 

Welche Auswirkungen hatten und haben das Virus und die damit verbundenen Maßnahmen für euer Unternehmen?

Wir haben uns zu Beginn der Corona-Krise an eine Planung für Worst-Case-Szenarien gesetzt, um mögliche Folgen abschätzen zu können und dementsprechend Vorgehensweisen zu entwickeln. Unser oberstes Ziel dabei war, niemanden entlassen zu müssen und auch sicherzustellen, dass der Fortbestand des Unternehmens garantiert ist. Drei Maßnahmen, die wir ergriffen haben: Erstens gab es einen Hiring Freeze, sprich offene Positionen wurden vorerst nicht besetzt. Zweitens haben wir sämtliche Ausgaben gekürzt, die nicht direkt den Verkauf unserer Produkte fördern. Drittens haben wir Mitarbeitern vorübergehend in andere Abteilungen umgeschichtet. Nach ein paar Monaten können wir nun sagen, dass wir die Covid-Phase sehr gut überstanden haben. Gerade im Onlinebereich stiegen die Sales teilweise stark an und lagen über den Prognosen. Dass Menschen in den vergangenen Monaten mehr Zeit Zuhause verbracht haben, spielt uns in die Karten. Damit hatten wir zu Beginn nicht gerechnet.

Waren oder sind eure Angestellten in Kurzarbeit?

Nein, bei uns war und ist niemand in Kurzarbeit.

Musstet ihr Teammitglieder entlassen?

Wir mussten leider die Zusammenarbeit mit einigen Freelancern beenden, beispielsweise im Event-Bereich. Auch einige Agenturprojekte, gerade in Hinblick auf Fotoshootings, mussten verschoben werden. Wir mussten jedoch keines unserer festangestellten Teammitglieder bedingt durch Covid entlassen.

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Arbeiten eure Angestellten noch im Homeoffice?

Generell arbeiten alle unsere Mitarbeiter im Homeoffice – und das erst mal noch auf unbestimmte Zeit. Denn die Gesundheit aller Kollegen hat oberste Priorität. Gewisse Aufgaben erfordern es aber, dass beispielsweise die Mitarbeiter aus dem Research-And-Development-Team oder der Produktabteilung ab und an ins Büro kommen. Das dürfen sie dann natürlich auch. Wir haben jedoch strenge Auflagen in den Räumlichkeiten, um sicherzustellen, dass Abstand gehalten wird.

Könnt ihr euch vorstellen, künftig komplett auf ein eigenes Büro zu verzichten?

Nein, das ist für uns keine Option. Wir wissen aus internen Umfragen, dass unsere Mitarbeiter gerne ins Büro gehen und sich auf die reale Begegnung mit Kollegen freuen.

Welche Tools und Tricks haben eurem Team in den vergangenen Wochen geholfen?

Am wichtigsten, um einen guten Austausch und ein Teamgefühl zu erhalten, sind aus meiner Sicht Videocalls. Das ist eine Lektion, die wir bereits im letzten Jahr gelernt haben, als unsere Büros in Ottawa und Hongkong gewachsen sind. Wir nutzen dafür Microsoft Teams. Zudem haben wir ein eigenes Covid-Trello-Board aufgesetzt und zwei Meetings pro Woche mit allen Führungskräften global abgehalten. So wollen wir sicherstellen, dass wir uns in dieser Zeit auf die richtigen Projekte fokussieren und intern gut kommunizieren.

Was hat in den vergangenen Wochen nicht funktioniert?

Leider mussten wir alle geplanten Fotoshootings absagen. Nach wie vor ist deren Umsetzung nicht einfach. Wir wollen niemanden einem Ansteckungsrisiko aussetzen. Zudem haben wir festgestellt, dass kleinere Absprachen, die man zuvor mal schnell zwischen Tür und Angel machen konnte, jetzt mit mehr Aufwand verbunden sind. Das kann auch mal dazu führen, dass eine Information nicht bei allen Personen landet, die sie benötigen würden.

Viele Menschen haben durch die Veränderungen in den vergangenen Wochen persönliche Krisen erlebt, euer Team oder du als Chef womöglich auch. Wie bist du als Führungskraft damit umgegangen?

Die meisten unserer Teams machen jeden Morgen einen Check-in-Videocall. Dabei geht es nicht nur darum, Aufgaben zu verteilen oder Feedback zu geben, sondern auch um einen kontinuierlichen Austausch zur aktuellen Stimmung oder Gefühlslage. Natürlich ändert ein Gespräch nichts an der Gesamtsituation. Aber oft hilft es ja schon, wenn man Gefühlen Ausdruck verschaffen kann und mit jemanden über schlechte Tage spricht. Aus persönlicher Sicht würde ich jedem empfehlen, täglich mindestens 30 Minuten vor die Tür zu gehen und einen Spaziergang zu machen oder Sport zu treiben. Das hilft, den Kopf frei zu kriegen. Bei schönem Wetter am besten solange die Sonne scheint.

Bild: Wow Tech