Die Autoren Hauke Windmüller (links) und Sebastian Pioch.
Die Autoren Hauke Windmüller (links) und Sebastian Pioch. Die Autoren Hauke Windmüller (links) und Sebastian Pioch.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch „Start-up Skills: Der Guide für Entrepreneure und Querdenker“ von Hauke Windmüller und Sebastian Pioch, das am 7. Oktober im Campus Verlag erschienen ist. Hauke Windmüller ist Mitgründer der Ortungs-App Familonet. Sebastian Pioch ist Medien- und Informationswissenschaftler und Professor für Digital Entrepreneurship an der Hochschule Fresenius in Hamburg.

Sebastian Pioch: Das Erlösmodell ist der Teil des Geschäftsmodells, der beschreibt, wie eine Organisation Geld verdient. Bevor ich gleich einige bekannte Erlösmodelle vorstelle, möchte ich gern kurz noch einmal auf die Unterschiede eingehen, die zwischen analogen und digitalen Geschäftsmodellen bestehen.

Es ist nämlich so, dass sich für analoge Geschäftsmodelle zum Teil andere Erlösmodelle eignen als für digitale Geschäftsmodelle. Analoge Produkte werden klassischerweise oft per Direkterlös zum Beispiel am Point of Sale oder im E-Commerce von den Kunden beim Erwerb bezahlt.

„Start-up Skills“ von Hauke Windmüller und Sebastian Pioch ist am 7 Oktober erschienen.
„Start-up Skills“ von Hauke Windmüller und Sebastian Pioch ist am 7 Oktober erschienen.

Bei digitalen Produkten ist es häufig auch so, dass zum Teil zwischen Kunden und Nutzern unterschieden werden muss. Da fällt mir zum Beispiel Facebook ein. Alle Menschen, die Facebook verwenden und dort mehr oder weniger gehaltvolle Nachrichten posten, sind Nutzer und zahlen für dieses Angebot kein Geld. Facebooks Kunden hingegen sind Unternehmen, die auf der Plattform Werbung schalten, um uns, die Nutzer, zu erreichen. Und für diese Werbekampagnen zahlen diese Unternehmen dann, woraus sich ein Erlösmodell für Facebook ableiten lässt.

Dieses Erlösmodell wird auch als Hidden Revenue bezeichnet und ist eines von 60 Geschäftsmodell-Mustern, das Kollegen der Uni St. Gallen in dem Konzept des Business Model Navigators beschrieben haben. Die meisten dieser 60 Muster sind entweder Erlösmodelle oder dienen der Kundenbindung. Ähnlich wie die israelischen Forscher, die mit der SIT-Methode einen Ansatz zu Ideengenerierung entwickelt haben, ließen sich auch die Schweizer TRIZ-Methode inspirieren. Diesem war es seinerzeit gelungen, in zahllosen Patenten immer wiederkehrende Muster zu erkennen, die man für neue Erfindungen nutzen kann.

Schumpeter hat bereits Anfang des 20. Jahrhunderts festgestellt, dass 80 Prozent aller Innovationen eine Rekombination bereits existierenden Wissens sind. Und so empfiehlt es sich, auch bei der Entwicklung von Erlösmodellen darauf zurückzugreifen, was bereits anderswo erfolgreich war:

1. Affiliation 

Dritte für die Zuführung von Kunden nutzen. Entlohnung erfolgt über sogenannte Affiliates, i. d. R. über die Vermittlung eines Kunden oder antei- lige Transaktion.

  • Beispiel: Amazon Affiliate Program. Online-User können Links zu Amazon- Produkten platzieren und erhalten Werbeprovisionen für qualifizierte Käufe

2. Auction

Ein Produkt oder eine Dienstleistung an den Höchstbietenden verkaufen. So gelingt es den Unternehmen, die höchste Zahlungsbereitschaft des Kunden abzuschöpfen. 

  • Beispiel: Ebay, es ermöglicht Privatleuten und Unternehmen weltweit, eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen anzubieten, die Interessenten ersteigern können.

3. Cross-Selling

Unternehmen ergänzt sein Leistungsangebot um komplementäre Produkte und Dienstleistungen. Ziel ist es, Zusatzverkäufe zu generieren, die im Zusammenhang mit dem Kerngeschäft des Unternehmens stehen.

  • Beispiel: Ikea. Durch eine Vielzahl von angebotenen zusätzlichen Dienstleistungen und Produkten, wie zum Beispiel Innenausstattung, Wohndekoration, Instore-Restaurants und Autovermietung, steigert das Unternehmen seine Gewinne deutlich.

4. Digitalization

Beschreibt die Möglichkeit, bestehende Produkte oder Dienstleistungen in einer digitalen Variante anzubieten, welche vorteilhafte Eigenschaften gegenüber der physischen Variante aufweist wie zum Beispiel geringere Produktionskosten, höhere Aktualität, größere Reichweite oder schnellere Distribution.

  • Beispiel: Das Magazin SPIEGEL bietet neben seiner Print-Ausgabe auch eine digitale Version an, die man zum Beispiel auf dem iPad lesen kann. Sie erscheint früher, hat einen späteren Redaktionsschluss, enthält diverse Multimedia-Inhalte und ist im Vergleich zum Heft etwas günstiger.

5. Freemium

Die Basisversion eines Angebots wird gratis offeriert, wohingegen für die Premiumversion ein Aufpreis verlangt wird. Mit der kostenlosen Variante sollen genügend Nutzer gewonnen werden, sodass eine ausreichende Menge zahlt.

  • Beispiel: Eignet sich besonders für digitale Produkte. So bietet Dropbox etwa nur einen begrenzten Speicher kostenlos an. Wer mehr benötigt, muss dafür zahlen.

6. Hidden Revenue

Hier generiert ein Unternehmen seinen Hauptumsatz nicht durch ein Produkt, das es anbietet, sondern durch die Kommerzialisierung einer Werbefläche, die daran geknüpft ist.

  • Beispiel: Google ist in der Lage, seine kostenlosen Dienste durch eine Querfinanzierung über Ads aufrechtzuerhalten. Damit wird es Unternehmen ermöglicht, zielgerichtete Anzeigen zu kaufen, die in den Suchergebnissen von Google erscheinen.
Bild: PR

Die Autoren Hauke Windmüller (links) und Sebastian Pioch.
Die Autoren Hauke Windmüller (links) und Sebastian Pioch. Die Autoren Hauke Windmüller (links) und Sebastian Pioch.

7. Leverage Customer Data

Im Zentrum dieses Musters steht das Sammeln von Kundendaten, um diese gewinnbringend nutzen zu können. Jene Kommerzialisierung geschieht entweder durch den direkten Verkauf an Dritte oder durch eigene Nutzung.

  • Beispiel: Facebook nutzt Kundendaten, um personalisierte Anzeigen Dritter auf Social-Network-Seiten effizient zu präsentieren.

8. Pay per use

Bedeutet, dass die Leistung nicht pauschal, sondern nach ihrer effektiven Nutzung abgerechnet wird. Hierdurch bezahlt der Kunde nur das, was er auch benötigt, und bleibt flexibel.

  • Beispiel: Share Now – Die Autovermietung berechnet den Kunden jede Minute Fahrzeit, wobei auch Stunden- und Tagessätze zur Verfügung stehen.

9. Revenue sharing

Bezeichnet die Praxis von Unternehmen, den Umsatz mit Stakeholdern zu teilen. Ziel ist der Aufbau einer symbiotischen Beziehung, durch die eine beidseitige Umsatzsteigerung erreicht werden soll.

  • Beispiel: Uber. Der revolutionäre On-Demand-Transportdienst betreibt eine Plattform, die es Menschen ermöglicht, Fahrdienste anzubieten, an denen Uber einen Teil mitverdient.

10. White Label

Hier erlaubt der Hersteller eines Produktes, dass auch andere Anbieter dieses in ihrem Design anbieten. So wird der Eindruck erweckt, als gehöre jenes Produkt zu seinem Portfolio. Beide profitieren – neuer Kanal beziehungsweise neues Produkt.

  • Beispiel: Foxconn. Das taiwanesische Technologieunternehmen stellt viele elektronische Geräte und Komponenten für bekannte Marken wie Apple, Dell und Intel her.

Hauke Windmüller: Familonet war von Anfang an ein Venture-finanziertes Start-up mit dem Ziel, schnell zu wachsen. Bei dem für Apps gängigen Geschäftsmodell von In-App-Einmalzahlungen und -Abonnements war klar, dass zunächst eine große Anzahl von Nutzern erreicht werden musste, um diese im zweiten Schritt zu monetarisieren. Das Geschäftsmodell war angelehnt an die Geschäftsmodelle von Social Networks wie Facebook, Instagram oder Tinder, bei denen erst eine kritische Masse erreicht werden musste, damit das Geschäftsmodell funktioniert. 

Unser Erlösmodell war ein Freemium-Modell, das heißt, die Grundfunktionen der App waren kostenlos nutzbar (Free), und weitere Zusatzfunktionen waren kostenpflichtig (Premium). Dies hatte den enormen Vorteil, dass wir mit einem kostenlosen Produkt zunächst stark wachsen konnten. Denn die Akquise von neuen Nutzern für ein kostenloses Produkt ist günstiger und geht schneller. In der ersten Wachstumsphase war Familonet komplett kostenlos. Wir haben damals das Erlösmodell im Kleinen getestet, um es später größer skalieren zu können. Dabei haben wir uns die sogenannten Unit Economics angeschaut und das Erlösmodell so lange optimiert, bis die Unit Economics positiv waren.

Unit Economics erklärt

Die Betrachtung der Unit Economics bedeutet, dass ich mir nicht die Gewinn- und Verlustrechnung des gesamten Unternehmens anschaue, sondern nur von einer einzelnen Einheit. Die Hypothese dahinter: Wenn beispielsweise eine McDonald‘s-Filiale in sich profitabel ist und Gewinn erwirtschaftet, werden es auch zehn weitere Filialen können. Bei vielen digitalen Geschäftsmodellen lässt sich eine sehr einfache Metrik heranziehen. Der Customer Lifetime Value (CLV) muss größer sein als die Customer Acquisition Cost (CAC), damit sich ein langfristig tragfähiges Geschäft entwickeln lässt.

Im Fall von Familonet konnten wir anhand der Unit Economics das Erlösmodell optimieren, beispielsweise die Dauer der Premium-Abonnements (drei, sechs oder zwölf Monate) und deren jeweiliger Preis. Zu beachten ist, dass Unit Economics immer abhängig vom Markt und somit auch länderspezifisch sind. Konnten wir in Brasilien verhältnismäßig günstig neue Nutzer gewinnen, war die Zahlungsbereitschaft dort geringer als in Deutschland oder den USA. Auch Skaleneffekte müssen berücksichtigt werden. Nur weil die Unit Economics anfänglich positiv sind, heißt dies nicht, dass sie dies auch über die Zeit bleiben. Skaleneffekte können sowohl positiv als auch negativ ausfallen.

Bei Familonet war klar, dass Marketing über die Zeit teurer wird. Der ersten Nutzer sind noch einfach zu akquirieren, über die Zeit wird es aber immer kostspieliger, die Zielgruppe in der Masse zu erreichen. Im Nachhinein muss ich mir eingestehen, dass wir viel zu lange mit dem Start der Monetarisierung und der echten Implementierung der Premium-Abonnements gewartet haben. Wir hatten Angst, dass wir das Wachstum verlangsamen und Nutzer vergraulen würden, und haben die Monetarisierungtests immer nur theoretisch mit einer kleinen Anzahl von Testnutzern gemacht. Dies war aber vollkommen unbegründet. Der Start der Monetariserung nach etwa zwei Jahren hat zu keinerlei Wachstumseinbußen geführt und im Gegenteil sofort Umsatz in die Kassen gespült. Mit echten Nutzern in der breiten Masse ließen sich dann natürlich wesentlich genauere Tests durchführen, sodass wir das Erlösmodell weiter optimieren konnten. Heutzutage würde ich daher umso mehr nach der Devise Money First handeln und von Tag eins an Umsatz generieren.

Bild: PR