Seit etwa zehn Jahren arbeitet Johannes Reck an seinem Startup Getyourguide.
Seit etwa zehn Jahren arbeitet Johannes Reck an seinem Startup Getyourguide.

Nach einer Dreiviertelstunde bekommt die Erfolgsgeschichte seines Startups zum ersten Mal einen Riss. Johannes Reck sitzt vor etwa 40 Leuten im Berliner Coworking-Space Factory, aus dem Raum darunter dröhnt Techno von einer Party herauf.

Der Gründer der Reiseplattform Getyourguide lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Er erzählt: „2013 mussten wir 20 Leute entlassen, das Team von 80 auf 60 Mitarbeiter verkleinern.“ In den folgenden Monaten habe die Stimmung im Unternehmen sehr gelitten.

Auf dem Papier ging es immer nach oben

Es sind Momente wie dieser, die die Geschichte von Johannes Reck glaubwürdig machen. Auf dem Papier ging es nur immer weiter nach oben für Getyourguide. Die Plattform, auf der Touristen Tickets für Museen und Stadtrundfahrten kaufen können, ist mittlerweile ein wichtiger Spieler im milliardenschweren Reisemarkt. Seit 2012 pumpten Wagniskapitalgeber fast jedes Jahr neue Millionensummen in das junge Unternehmen.

Vor vier Jahren stieg der Finanzinvestor KKR ein, ein Ritterschlag. Die Finanzierungssummen wurden immer größer. Zuletzt investierte der japanische Tech-Investor Softbank mit seinem Vision Fund, in dem 100 Milliarden Dollar steckten. Knapp eine halbe Milliarde flossen von Softbank und anderen Geldgebern in die Berliner Firma.

Ein Investment aus diesem Mega-Fonds gilt als wichtiges Signal für den Markt – viele Investoren trauen sich dann nicht mehr, die Konkurrenz zu finanzieren. Getyourguide hat Geld vom Königsmacher bekommen. Wie konnte dieser Aufstieg gelingen?

Die Gründer fingen an, die Idee größer zu denken

Erst einmal sah es danach aus, als würde das Produkt scheitern. „Wir wollten eine Peer-to-Peer-Plattform für Stadtführungen aufbauen“, erzählt Reck. Vor allem Studenten sollten die Touren über das Portal Interessierten anbieten. Er und seine Mitgründer kamen damals, vor etwa zehn Jahren, in Zürich gerade von der Technischen Universität ETH. In den ersten 18 Monaten habe es eine Handvoll Buchungen gegeben. „Eine davon kam von meiner Mutter“, erzählt Reck bei der Veranstaltung Startup Notes in der Factory.

Das Team baute das Produkt in den folgenden Monaten um, dachte die Idee größer und fing an, bestehende lokale Angebote – Reiseagenturen, freiberufliche Stadtführer, aber auch Museen mit ihren Ticketsystemen – auf der Onlineplattform anzubieten. Touristenattraktionen lassen sich heute online bei Getyourguide buchen, vom Louvre in Paris bis zur Harry-Potter-Tour in London.

Geldgeber erwarten oft den schnellen Erfolg

Mit dieser neuen Richtung standen die Startup-Gründer damals auch vor der Frage, wie sich ihr Plan finanzieren lässt. Denn ihr Vorhaben würde teuer werden. In den ersten Jahren hatte Reck bewusst kein Geld von Startup-Investoren eingesammelt.

Vor dem Einstieg professioneller Investoren – der ersten großen Finanzierung – überlegte die Führungsmannschaft lange. „Wir werden nicht mehr in der Lage sein, 15 Mal pro Quartal eine andere Richtung einzuschlagen“, sagten sie sich damals, wie sich Johannes Reck erinnert. Die Gründer entschieden sich für die Millionenfinanzierung, das Wachstum ging los.

Gerade diese bedachte Anfangsphase unterscheidet Getyourguide von vielen Digitalfirmen. Schon Wochen nach der Gründung sammelten sie teilweise mehrere Millionen Euro ein. In einigen Fällen sogar noch, bevor sie bewiesen hatten, dass die Kunden das Produkt überhaupt kaufen – dem sogenannte Product-Market-Fit. Dabei kommt es häufiger vor, dass die Unternehmen trotz Millionenfinanzierung wieder scheitern. Gleichzeitig erwarten die Geldgeber nach einer Runde, dass das schnelle Wachstum kommt.

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Von außen betrachtet, gelang der Aufstieg bei Getyourguide ohne große Probleme. „Wir haben sicherlich auch Glück gehabt, dass sich das Wachstum in manchen Situationen wieder beschleunigt hat“ – oder dass es bei Problemen einen Durchbruch zur richtigen Zeit gegeben habe, sagt Johannes Reck.

Doch es gab auch gravierende Probleme auf dem Weg. Der Gründer sagte dazu kürzlich in einem Interview: „Zwischen 2010 und 2014 waren wir einmal im Jahr pleite. Meistens im November und Dezember, weil dann die Reisebuchungen nach unten gehen und uns Cash fehlte. (…) Aber wir rappelten uns jedes Mal wieder irgendwie auf.“ In dieser Zeit habe er wie im Tunnel gearbeitet, eine Alternative zum Weitermachen gab es damals nicht.

Das zurückhaltende Auftreten spielte in die Karten

Gleichzeitig suchte das Travel-Unternehmen in dieser wichtigen Aufbauphase das Rampenlicht nicht so wie andere wichtige deutsche Startups. Der Aufstieg zum Unternehmen mit Milliardenbewertung lief leiser ab. Große Skandale gab es bislang nicht. Getyourguide, das inzwischen 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, stand wegen dieses zurückhaltenden Auftretens nie unter starker Beobachtung der deutschen Digitalszene. Auch das hat Getyourguide in die Karten gespielt. Denn zu viel Aufmerksamkeit kann ganze Unternehmen vom Wesentlichen ablenken.

Auch heute noch gibt sich das Unternehmen verschwiegen zu seinen Geschäftszahlen. Doch das schnelle Wachstum lässt sich zumindest erahnen. Vor etwa einem Jahr zählte das Startup zehn Millionen verkaufte Tickets – nun sind es 25 Millionen.

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Bild: Chris Marxen | Headshots-Berlin.de