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Getyourguide sei „bisher sehr gut durch die Krise gekommen“, sagt CEO Johannes Reck.
Getyourguide sei „bisher sehr gut durch die Krise gekommen“, sagt CEO Johannes Reck.

Kurz vor dem zweiten Lockdown in Deutschland wartet ausgerechnet der krisengebeutelte Reiseanbieter Getyourguide mit einer Erfolgsmeldung auf. Wie die Berliner Firma gestern bekannt gab, hat sie insgesamt 114 Millionen Euro durch eine Wandelanleihe aufgenommen. Das Geld kam von der Private-Equity-Firma Searchlight Capital und von Bestandsinvestoren, etwa Softbank und KKR.

Dabei ist das Startup Johannes Reck zufolge eigentlich noch gut finanziell ausgestattet. Erst voriges Jahr schloss das Unternehmen eine Finanzierungsrunde ab, bei der Softbank knapp eine halbe Milliarde Euro investierte und Getyourguide damit zum Einhorn kürte. Weshalb sich der Gründer trotzdem erneut dazu entschied, Millionen aufzunehmen, erzählt er im Interview.

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Auch über Entlassungen im Unternehmen spricht er – vor Kurzem mussten 90 Leute bei Getyourguide gehen. Eigentlich hatte das Startup ganz ohne personelle Verluste durch die Krise kommen wollen. Stattdessen setzte die Firma auf Kurzarbeit und Kosteneinsparungen, Mitarbeiter bekamen statt eines Gehalts Firmenanteile angeboten. Uns erzählte Reck, weshalb er nun doch Teammitgliedern kündigte und warum diese Entscheidung nicht von den Investoren beeinflusst gewesen sei.

Johannes, waren die 433 Millionen aus der Softbank-Runde im vergangenen Jahr denn schon aufgebraucht? Oder weshalb habt ihr nun erneut 114 Millionen Euro aufgenommen? 

Nein, der Großteil davon ist sogar noch da. Für uns war das jetzt ein optionaler Raise. Wir haben den Markt getestet und sind auf viel Interesse gestoßen, deshalb konnten wir die Finanzierung innerhalb weniger Wochen abschließen.

Wenn noch so viel Geld übrig war – weshalb habt ihr dann überhaupt geraised?

Zum einen können wir so die Zeit nutzen, um unser Produkt weiterzuentwickeln und mit einer besseren Technologie aus der Krise zu kommen. Features, die wir eh geplant hatten, haben wir jetzt viel schneller umgesetzt. Zum Beispiel, was Last-Minute-Buchungen angeht oder Timed Ticketing bei Attraktionen. Nach Covid wird sich doch niemand mehr beim Vatikan anstellen wollen.

Zum anderen haben wir das zusätzliche Kapital aufgenommen, um eine starke Rolle zu spielen, wenn sich der Tourismusmarkt konsolidieren wird. Im Moment gibt es viele tolle Firmen, die aufgrund der aktuellen Krise Probleme haben, und wir möchten sicherstellen, dass wir jederzeit die Flexibilität haben, zu reagieren.

Habt ihr denn schon konkrete Firmen für Übernahmen im Blick? Welche Bereiche schaut ihr euch an?

Wir haben während der Krise schon viele Gespräche geführt, aber wir haben diesbezüglich aktuell keine konkreten Pläne. Wir sind natürlich immer daran interessiert, unsere Technologien weiterzuentwickeln und neue Kunden zu akquirieren. Alles, was uns ein bis zwei Jahre Vorsprung bringt und das wir nicht selbst umsetzen müssen, wäre prinzipiell spannend für uns.

Auch wenn Prognosen aktuell schwierig sind: Wann geht es deiner Einschätzung nach wieder los mit dem Reisen?

Das ist natürlich enorm schwierig abzuschätzen. Ich bin hoffnungsvoll, dass sich zumindest innerhalb von Europa und Nordamerika das Reiseverhalten wieder ein Stück weit normalisieren wird im nächsten Jahr. Natürlich war es im Sommer leichter, rauszugehen und das werden wir sicherlich auch im kommenden Jahr sehen. Und ich glaube auch, dass die Leute nächstes Jahr weniger ängstlich sein werden – irgendwie fängt man an, sich an das Virus zu gewöhnen. Alle tragen Maske, halten Abstand. Neben dem Impfstoff werden auch die Schnelltests eine große Rolle für uns spielen. So kann man sich etwa direkt vor dem Boarding testen lassen.

Euer Konto war also schon vor der Krise gut gefüllt und jetzt ist ein erneutes dickes Polster hinzugekommen. Weshalb habt ihr euch dennoch vor zwei Wochen von einem Sechstel eurer Belegschaft getrennt?

Je länger die Pandemie andauert, desto besser haben wir verstanden, wie das Virus funktioniert, wie lang es da sein wird und wie der Reisemarkt funktioniert. Wir können als Firma nicht Leute beschäftigen, nur um sie zu beschäftigen. Es muss Arbeit geben, die sinnvoll ist und die die Strategie der Firma reflektiert. Wir haben unseren Mitarbeitern gegenüber immer sehr transparent kommuniziert, wo wir gerade stehen und was unsere Ziele sind. Es gab einfach Segmente in unserem Business, die auf absehbare Zeit nicht mehr strategisch waren. Deshalb musste ich diese schwere Entscheidung treffen.

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Im Sommer noch hast du zum Spiegel gesagt, dass manche Investoren darauf gedrängt hatten, die Belegschaft sogar um 30 bis 40 Prozent zu reduzieren. Inwiefern war die Entscheidung, Leute gehen zu lassen, von euren Investoren beeinflusst?

Dieser Schritt hat mir enorm wehgetan und mir viele schlaflose Nächte bereitet. Aber es war ein Entschluss, über den ich die Investoren unterrichtet habe und nicht umgekehrt. Wenn ich mich anders entschieden hätte, hätten die das auch verstanden. Das Geld, das wir jetzt bekommen haben, war an keinerlei Bedingungen geknüpft. Die Investoren haben uns durch die ganze Krise hindurch sehr unterstützt.

Abgesehen von euren Geldgebern – gibt es sonst noch Leute, mit denen du dich vor schwierigen Entscheidungen austauschst?

Mit anderen Gründern wie etwa Niklas Östberg stehe ich schon seit vielen Jahren im Kontakt. Niklas war schon früh als Investor bei Getyourguide dabei und hat sich auch jetzt wieder beteiligt. Für Delivery Hero läuft es in der aktuellen Situation ja eher umgekehrt als für Getyourguide. Auch bei den Gründern von Booking.com hab ich mir immer wieder Rat geholt, mit Reed Hastings von Netflix habe ich ebenfalls gesprochen. Letztendlich muss man am Ende aber auch seinen eigenen Pfad gehen, wir machen das ja schon seit zehn Jahren. Und man muss auch sagen, dass wir bisher sehr gut durch die Krise gekommen sind im Vergleich zu anderen.

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Also ist Corona deiner Meinung nach gar nicht die schlimmste Krise für Getyourguide?

Wir hatten auch schon in der Frühphase unseres Unternehmens Rückschläge – wir mussten darum bangen, ob die Firma überleben wird und ob wir es überhaupt bis zur nächsten Finanzierungsrunde schaffen. In der jetzigen Krise standen wir noch nie mit dem Rücken zur Wand. Es ist natürlich gerade eine furchtbare Zeit für die Tourismusindustrie. Aber ich muss sagen, für mich persönlich ist dieses Jahr sehr gut gelaufen. Ich bin im April Vater geworden und habe den Lockdown sehr genossen mit meinem Sohn und meiner Frau.

Bild: Chris Marxen / Headshots Berlin
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