Im Kampf gegen Corona sollen Techies mithelfen. Bei den Hackathons von WHO und der Bundesregierung waren es Zehntausende.
Im Kampf gegen Corona sollen Techies mithelfen.

Technologien gegen die Krise – danach suchen derzeit Regierungen, Gesundheitsorganisationen und Konzerne. Ein beliebtes Mittel dabei sind Hackathons, also Online-Events, bei denen Entwicklerinnen und Entwickler in Teams mehrere Tage an Projekten arbeiten. Ziel ist, dass jede Gruppe zumindest einen Prototypen entwickelt – besser: ein fertiges Produkt.

Die Teilnehmerzahlen bei diesen Hackathons sind zum Teil beachtlich. Allein bei dem der Bundesregierung machten Ende März mehr als 28.000 Leute mit, über 1.500 Projekte sollen dabei entstanden sein. Beim globalen Hackathon „Build for Covid-19″ waren es vorige Woche mit 18.000 Teilnehmern weniger, dafür kamen sie aus 175 Ländern. Und die Unterstützer sind besonders hochrangig: Dazu zählen die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Tech-Unternehmen Facebook, Microsoft, Slack, Tiktok und Twitter.

Vertreterinnen und Vertreter dieser Firmen wählten dann auch die Siegerprojekte des internationalen Hackathons aus. Von 89 Projekten kommen fünf aus Deutschland. Wir stellen sie vor. 

Cochain: Wer hat sich bei wem infiziert? 

  • Was ist das?
    Eine App namens Cochain, die helfen soll, Corona-Infizierte zu finden. In der Anwendung tragen Nutzerinnen und Nutzer ein, ob sie infiziert sind oder nicht. Wenn ja, werden Personen, in deren Nähe sich der Infizierte zuletzt aufgehalten hat, kontaktiert – zumindest, wenn sie ebenfalls die App auf ihrem Smartphone installiert haben. Das funktioniert über sogenannte iBeacons. Befinden sich zwei Smartphones mit installierter Cochain-App in unmittelbarer Nähe zueinander, tauschen die Apps Daten aus. Sie sind anonymisiert, aber dennoch wird abgespeichert, wann und wie lange die Personen nah beieinander waren. So können Kontaktpersonen zu Infizierten ermittelt und benachrichtigt werden. Wer die Info erhält, Kontakt zu einem Infizierten gehabt zu haben, weiß aufgrund der Anonymisierung nur, dass er Kontakt hatte – aber nicht, wer genau es war. „Du musst nicht wissen, wen du getroffen hast. Aber du kannst nun besser einschätzen, ob du nur eine Erkältung hast oder ob du dich lieber testen lassen solltest“, erklären es die Projektentwickler.
  • Wie weit ist das Projekt?
    Noch nicht auf dem Markt. Während des Hackathons entwickelte das Team einen Prototypen für iOS und einen für Android. Um die nötige Nutzerbasis zu erlangen, müssten sie mit Apple oder Google kooperieren, schreiben die Macher.
  • Wer steht dahinter?
    Vier Entwickler und eine Entwicklerin aus ganz Deutschland. Sie lernten sich nach eigenen Angaben beim Hackathon „Wir vs. Virus“ der Bundesregierung kennen. Dort begannen sie, an ihrer App zu arbeiten.

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Corona Legal Chatbot: ein Bot für alle Rechtsfragen

  • Was ist das?
    Ein Chatbot, der Rechtsfragen zur Corona-Krise beantwortet. Nutzerinnen und Nutzer können dem Bot Fragen zu Themen wie Arbeitnehmerrecht, Reiserecht oder Corona-Hilfsgeldern stellen. Die Antworten werden von Juristen erstellt. Jeder, der möchte, kann Antworten in den Chatbot einspeisen – muss aber seine Kontaktdaten hinterlassen, um sich zu verifizieren und falls weitere Fragen auftreten. Rechtsexpertinnen und -experten sollen zu „Content Creators“ werden, so die Idee. Zudem stellt die Anwendung einige Antworten automatisch bereit, indem sie Webseiten der Regierung und von Kanzleien crawlt. 
  • Wie weit ist das Projekt?
    Der Chatbot ist für den Messenger Telegram verfügbar. In Zukunft soll er auch in Whatsapp nutzbar sein. Zudem arbeitet das Team daran, das Projekt in die Schweiz auszuweiten.
  • Wer steht dahinter?
    Das Software-Startup Adornis Ventures und die Kanzlei FPS. Das Startup sorgt für die Technik, die Rechtsanwälte der Kanzlei für die Inhalte.

QME Health: die digitale Warteschlange 

  • Was ist das?
    Eine App, die helfen soll, sich in Warteschlangen und -räumen nicht mit Covid-19 anzustecken. Derzeit beschränkt sich die Anwendung auf Wartezimmer bei Ärztinnen und Ärzten. Patienten checken zuhause per App ein und sind so im virtuellen Wartezimmer. Die Ärzte oder ihr Personal verwalten diese digitale Warteschlange, indem sie fertig behandelte Patienten auschecken. Ist der nächste User bald an der Reihe, teilt die App ihm dies mit. So kann er genau dann in der Praxis erscheinen, wenn er dran ist. „Das minimiert das Risiko einer Infektion für den Patienten und für das medizinische Personal“, so das QME-Health-Team. Die Technik sei auf andere Anwendungsfälle übertragbar, heißt es von den Machern – etwa auf Supermarkt-Warteschlangen. 
  • Wie weit ist das Projekt?
    Es gibt bisher einen Prototypen. Um ihre App auf den Markt zu bringen, bräuchten sie ein Netzwerk von Arztpraxen, die das Projekt unterstützen, sagen die Projektentwickler. Zudem seien sie auf Investoren angewiesen. Beim „Wir vs. Virus“-Hackathon schaffte es ein ähnliches Projekt in die Auswahl der 20 Besten, „Das digitale Wartezimmer“. Auch dafür gibt es bisher erst einen Prototypen.  
  • Wer steht dahinter?
    Sieben Entwickler, Marketingexpertinnen und Designer aus Hamburg, Berlin und München.

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Safe & Local: online shoppen, offline abholen

  • Was ist das?
    Eine Anwendung, die Geschäften helfen soll, einen kontaktlosen Abhol-Service aufzubauen. Supermärkte oder andere Läden können auf der Plattform ihre Produkte inserieren. Nutzerinnen und Nutzer können online einkaufen und bezahlen und die Ware zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt vor dem Geschäft abholen. Dazu müssen sie dem Ladenpersonal eine „Pick-up-ID“ zeigen – „am Ladeneingang oder durch das Fenster“, so die Entwickler hinter der Anwendung. Der Vorteil soll sein, dass Ladenbetreiber keinen eigenen Lieferservice organisieren müssen.
  • Wie weit ist das Projekt?
    Bisher gibt es den Prototypen einer Website. Als Nächstes soll die Plattform als Pilotprojekt in einem Stadtgebiet getestet werden, so das Team. Wann Safe & Local offiziell launcht, ist nicht bekannt. Andere Projekte, die dem Einzelhandel helfen, sind schon deutlich weiter
  • Wer steht dahinter?
    Acht Entwicklerinnen und Entwickler aus Deutschland und den Niederlanden.

Collabovid: Wissenschaftliche Texte im Überblick

  • Was ist das?
    Eine Suchmaschine für wissenschaftliche Texte zum Coronavirus. Die Technologie hinter der Website greift die Artikel von speziellen Plattformen ab, auf denen Wissenschaftler ihre Beiträge hochladen. Diese Texte sind sogenannte Pre-Prints – sie sind also noch nicht geprüft. Auf Collabovid können User nach bestimmten Unterthemen suchen, beispielsweise nach Texten über die Coronakrise in Italien, die im Februar veröffentlicht wurden. Außerdem gibt es die Rubrik „Topics“. Dort finden sich wissenschaftliche Texte zu neun Fragen, die sich viele Menschen in der Corona-Krise stellen – etwa „Was wissen wir bisher über Therapiemöglichkeiten?”. Die Texte können über Collabovid direkt heruntergeladen werden.
  • Wie weit ist das Projekt?
    Die Website ist online, mehr als 1.600 Artikel sind darüber zu finden. In Zukunft sollen Expertinnen und Experten die Texte prüfen und bewerten können.
  • Wer steht dahinter?
    Vier Computer-Science-Studenten der TU Braunschweig und TU Berlin.
Bild: Getty Images / Joe Raedle / Staff