Was werden diese jungen Menschen wirklich als Nächstes kaufen? Das genau wollen Marktforscher herausfinden.

Marktforscher haben eine extrem wichtige Funktion im Wirtschaftskreislauf. Sie spüren dem Kunden nach. Jenem schwierigen Wesen, das zwar einerseits den Existenzzweck von Produzenten und Dienstleistern aller Art bildet, sich diesen aber ständig entzieht, indem es seine Meinungen und Vorlieben ändert, anders einkauft als früher, mal knauserig ist und mal großzügig. In den letzten Jahren hat die Digitalisierung das Veränderungstempo dramatisch erhöht.

Konnten Marktforscher wie die amerikanische Nielsen-Holding oder die Nürnberger GfK früher etwa mit der Ermittlung von TV-Zuschauerquoten Aussagen darüber machen, in welcher Sendung der Werbe-Euro ihrer Kunden die größte Wirkung erzielte, so zerfasern Streamingdienste und soziale Netzwerke heute die Zuschauerschaft. Der potenzielle Kunde, das unbekannte Wesen, entzieht sich mal wieder.

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Der Umbruch zwingt die Marktforscher zu einem radikalen Wandel. Sie müssen sich komplett neu erfinden. So plant Weltmarktführer Nielsen nach rund 90 Jahren seines Bestehens eine Aufspaltung in zwei getrennte Unternehmen, wie das Unternehmen Anfang November bekannt gab.

Nielsen Global Media zielt künftig auf Kunden aus den Branchen Medien und Werbung, während Nielsen Global Connect Hersteller von Konsumgütern wie Lebensmitteln, Kosmetik oder Waschmitteln mit hochwertigen Daten versorgen will. Die Aufspaltung soll in den nächsten neun bis zwölf Monaten über die Bühne gehen. Beide Unternehmen sind danach in Amerika börsennotiert, so der Plan.

Marktforscher haben über Jahrzehnte Traumrenditen erzielt

Konsumgüterhersteller wie Unilever, Henkel oder Nestlé und deren Kunden standen über Jahrzehnte im Zentrum der Aufklärungsarbeit der Marktforscher. Das habe sich geändert, begründete Nielsen-Chef David Kenny die Spaltung.

„Konsumgüter des täglichen Lebens machen heute nur noch zehn Prozent des Anzeigenvolumens aus“, sagte er: „Der große Rest entfällt auf andere Kategorien wie Automobile, Finanzdienstleistungen, Reisen oder Pharma. Nielsen Global Media unterstützt alle diese Anzeigenkunden.“ Kenny will künftig den Chefposten bei Global Media übernehmen, für Nielsen Global Connect wird noch ein Chef gesucht.

Über Jahrzehnte haben Marktforschungsfirmen mit dem Verkauf ihres Spezialwissens, erworben überwiegend auf der Basis selbst erhobener Daten aus Umfragen und anderen Quellen, Traumrenditen erzielt. Doch Firmen wie Google, Amazon oder Facebook haben das Wissensmonopol untergraben, während die einst übersichtliche Mediennutzung durch die Endkunden zusehends auseinander driftet. Werbetreibende und Agenturen müssten derzeit viele Wege verfolgen, sagte Kenny: YouTube, die Streamingdienste, Facebook, Twitter, Fernsehen, Print, Audio und andere.

Das große Ziel von Nielsen Global, so der Chef: „Wir wollen alle Medien in einer konsistenten Art messen.“ Dafür seien unterschiedliche Messmethoden entwickelt worden. „Es ist wirklich schwer, zuverlässig zu sagen, wie viele Menschen Werbung erreicht hat und wie oft dies geschehen ist“, sagte Kenny. Das Unternehmen verfüge aber über die Fähigkeit, das Publikum vergleichbar über alle diese Plattformen zu erfassen.

„Nielsen-Audits werden die globale Währung für den Werbewert – gleichgültig, in welchem Medium und in welcher Weltregion“, brüstete sich der Vorstandschef, musste aber zugleich zugestehen, dass „noch einige technologische Aufgaben zu erledigen“ seien, beispielsweise durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und Maschinenlernen.

Nicht alle Beobachter sind so begeistert von dem Spaltungsplan. „Einfach etwas nehmen und es in zwei Teile spalten schafft für sich genommen noch keinen Wert“, notierte Todd Juenger, Analyst beim Hongkonger Invest-Beobachter Sanford C. Bernstein. Der Nachweis stehe aus: „Wir werden sehen.“ Fest steht, dass die alten Geschäftsmodelle der Marktforscher nicht mehr funktionieren.

Während Nielsen seine Metamorphose immerhin aus einer Position starker Gewinne angehen kann, steckt etwa die deutsche GfK noch mitten in einem schmerzhaften Umbau. In Deutschland, wo die Nürnberger Marktführer sind, ist sie das Aushängeschild ihrer Zunft. Der Konsumklimaindex der Gesellschaft für Konsumforschung, wie sie ausführlich heißt, ist ebenso legendär wie die von ihr erhobenen Fernsehquoten.

Doch im Weltmaßstab ist die GfK nur mittelgroß. 2017 standen die Nürnberger mit 1,65 Milliarden Euro Umsatz nach einer Liste der American Marketing Association auf Platz fünf der weltgrößten Marktforscher, hinter Unternehmen wie Kantar, IMS oder Ipsos. Doch seither ist der Umsatz gesunken.

Bild: Getty Images / Hinterhaus Productions; Hinweis: Axel Springer ist Gesellschafter der Business Insider Deutschland GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zu Business Insider findet ihr hier: www.businessinsider.de/informationen/impressum.

Was werden diese jungen Menschen wirklich als Nächstes kaufen? Das genau wollen Marktforscher herausfinden.

Weg vom Datensammeln, hin zur Beratung

Wenn die Schätzung des Marktbeobachters Research & Results stimmt, musste sich die GfK 2018 mit 1,39 Milliarden Euro zufriedengeben. Zum Vergleich: Nielsen kam im selben Jahr auf 6,5 Milliarden Dollar (rund 5,9 Milliarden Euro). Auch nach der geplanten Spaltung wird jedes der beiden entstehenden Unternehmen gut doppelt so groß sein wie die GfK.

Zahlen veröffentlicht die traditionsreiche Gesellschaft, 1934 zunächst in der Rechtsform eines Vereins gegründet, nicht mehr, seit der Finanzinvestor KKR die GfK vor zwei Jahren von der Börse genommen hat. KKR ist auch an der Axel Springer SE beteiligt, zu der unter anderem Gründerszene gehört. Ob die GfK derzeit Gewinne macht, ist ungewiss. Die Nielsen-Holding erzielte im vergangenen Jahr einen operativen Gewinn von 1,9 Milliarden Dollar. Kritiker halten der GfK vor, sich über Jahre durch mehr oder weniger planlose Expansion in neue Geschäftsbereiche und Weltregionen verzettelt zu haben.

Nun läuft die Schrumpfung, die Kosten müssen runter. Die Zahl der Mitarbeiter – 2017 noch mehr als 12.000 – ist auf 8400 gesunken. Der Großteil des Rückgangs geht nicht auf Stellenstreichungen zurück, sondern auf Anteilsverkäufe. So wurden Sparten mit mehr als 1000 Beschäftigten an den Rivalen Ipsos abgegeben, 500 Mitarbeiter wechselten zum Kooperationspartner IBM. Doch etliche Hundert Jobs wurden real abgebaut.

Auch in Nürnberg geht der Trend weg vom reinen Datensammeln, hin zur Beratung. „Wir arbeiten an einem Neuanfang“, heißt es von dem Unternehmen. Die Kunden hätten inzwischen selbst Zugriff auf enorme Datenflüsse. „Sie brauchen jemanden, der ihnen hilft, Handlungsempfehlungen daraus abzuleiten“, so die GfK.

Der Nielsen-Chef denkt in eine ähnliche Richtung. „Wir wollen vorausschauende, analytische Statistikmodelle entwickeln, die uns erlauben, Fragen darüber zu beantworten, was wirklich passiert. Wie viele Menschen haben zur gleichen Zeit zugeschaut? Waren sie aufmerksam? Haben sie sich mit dem Thema befasst? Haben sie am Ende ein Produkt gekauft?“, erklärte Kenny.

Letztlich geht es den Marktforschern immer noch darum, den Kunden zu einem etwas besser verstehbaren Wesen zu machen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Welt Online.

Bild: Getty Images / Hinterhaus Productions; Hinweis: Axel Springer ist Gesellschafter der Business Insider Deutschland GmbH, dem Medienhaus von Gründerszene. Weitere Informationen zu Business Insider findet ihr hier: www.businessinsider.de/informationen/impressum.