Jeff und MacKenzie Bezos waren 25 Jahre lang verheiratet – hatten aber keinen Ehevertrag. Aus rechtlicher Sicht ein Fehler.
Jeff und MacKenzie Bezos waren 25 Jahre lang verheiratet – ohne Ehevertrag. Aus rechtlicher Sicht ein Fehler.

Ein Beitrag von Dirk Schauer und Michael Schellenberger, Rechtsanwälte bei der Wirtschaftskanzlei CMS

Die Scheidung von Jeff und MacKenzie Bezos ist eine der teuersten Scheidungen der Geschichte. Nach der Trennung bleibt Jeff Bezos zwar weiterhin „reichster Mann der Welt“, aber auch MacKenzie Bezos ist danach die „drittreichste Frau der Welt“. Die Trennung des Amazon-Gründers hatte zurecht Geschäftspartner, Aktionäre und Mitarbeiter über Monate hinweg in Unruhe versetzte. Was können Gründer aus dem Fall Bezos für den Schutz des eigenen Startups lernen?

Die Ehe Bezos bestand für über 25 Jahre. Das Paar heiratete etwa ein Jahr bevor Jeff Bezos das Unternehmen Amazon gründete. Einen Ehevertrag, auf Englisch „prenup“ oder „prenuptial agreement“, soll das Paar nicht gehabt haben. Würde derselbe Fall in Deutschland spielen, würden die Eheleute im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Der gesamte Wert der Beteiligung von Herrn Bezos an Amazon würde dann dem Zugewinnausgleich unterliegen. Das bedeutet: Im Scheidungsfall wäre die Folge ein Baranspruch in Höhe des hälftigen Wertes, schätzungsweise rund 68 Milliarden US-Dollar. Dieser Anspruch würde den Gründer sicherlich zum Verkauf einer wesentlichen Beteiligung zwingen und hätte damit gravierende Auswirkungen auf das Unternehmen.

Der Fall Bezos zeigt damit überdeutlich, von welch existentieller Bedeutung die ehegüterrechtliche Absicherung des Gründers und seines Startups ist. Es überrascht vor diesem Hintergrund nicht, dass auch in der zweiten oder spätestens dritten Finanzierungsrunde eines Startups für Investoren die Frage nach der Regelung der ehegüterrechtlichen Verhältnisse eines verheirateten Gründers zum Standard gehört.

Wer in der Ehe mehr verdient hat, muss zahlen  

Jeder, der eine Ehe eingeht, tritt damit zugleich in eine vermögensrechtliche Beziehung zu seinem Ehepartner. Im deutschen Recht nennt man dies Güterstand. Sofern man mit seinem Ehegatten keinen Ehevertrag abschließt, lebt man im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Anders als der Begriff der Zugewinngemeinschaft suggeriert, bedeutet der gesetzliche Güterstand nicht, dass von den Eheleuten mit in die Ehe gebrachtes Vermögen gemeinsames Vermögen wird. Das während der Ehe erworbene Vermögen wird auch nicht gemeinsames Eigentum, außer dies wird ausdrücklich zwischen den Eheleuten vereinbart. Also ist die Zugewinngemeinschaft eine Form der Gütertrennung. Die Beteiligung am Startup gehört damit alleine dem Gründer, egal, ob das Startup vor oder nach der Eheschließung gegründet wurde.

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Aber: Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft in Reinform führt in Unterscheidung zur Gütertrennung dazu, dass im Falle der Beendigung einer Ehe, etwa durch Scheidung oder Tod, ein sogenannter Zugewinnausgleich zwischen den Ehegatten durchgeführt wird. Dabei wird das jeweilige Anfangsvermögen bei Eheschließung zuzüglich Schenkungen und Erbschaften und bereinigt um die Inflation mit dem jeweiligen Endvermögen bei Beendigung der Ehe verglichen. Derjenige, der nach Abzug des Anfangsvermögens von seinem Endvermögen den höheren Zugewinn erfahren hat, muss dem anderen Ehepartner die Hälfte dieses Zugewinns sofort in bar zahlen. Die während der Ehe eingetretene Wertveränderung des Startups fällt also in den Zugewinnausgleich.

Und wenn das Geld für die Ausgleichszahlung fehlt? 

Das Pendel kann entweder in die eine oder die andere Richtung ausschlagen. In der Konstellation eines Startups, das während der Ehe gegründet wird, danach wächst und einen hohen Wert zum Zeitpunkt der Beendigung der Ehe hat, entsteht für den anderen Ehegatten ein hoher Zugewinnausgleichsanspruch in bar. Zur Erfüllung kann möglicherweise die Liquidität fehlen. Der ausgleichspflichtige Gründer kann dann zum Verkauf des Startups oder einer wesentlichen Beteiligung daran gezwungen sein.

Existierte hingegen ein wertvolles Startup zum Zeitpunkt der Hochzeit, das sich während der Ehe dann aber negativ entwickelte, ist der Zugewinn des Gründers gegebenenfalls null und der andere Ehegatte muss womöglich die Hälfte seines Zugewinns an den möglicherweise dennoch wohlhabenderen Gründer abgeben. Der gesetzliche Zugewinnausgleich kann also auch nachteilig für den Ehepartner des Gründers sein.

Ohne Ehevertrag: Exit nur mit Zustimmung des Gatten

Um überhaupt den Zugewinn berechnen zu können, müssen Bewertungen des Startups zu den verschiedenen Zeitpunkten, also zum Beginn und Ende der Ehe erfolgen. Dies birgt große Ungewissheiten und kann hohe Kosten verursachen. Außerdem gilt im gesetzlichen Güterstand – also der Ehe ohne Vertrag –, dass ein Ehegatte nicht ohne die Zustimmung des anderen über sein wesentliches Vermögen als Ganzes verfügen kann. Eine solche Verfügung kann zum Beispiel beim Verkauf des Startups vorliegen. Hat der Gründer keine ehevertragliche Vorsorge getroffen, ist ein Exit beim Startup nur mit Zustimmung seines Ehepartners rechtlich möglich.

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Bild: Getty Images / Jerritt Clark / Kontributor

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Startup-Gründerinnen und -Gründer haben also ehevertraglichen Regelungsbedarf. Es wäre ein Leichtes, ehevertraglich in die Gütertrennung zu wechseln, um den Zugewinnausgleich gänzlich zu beseitigen. Die Gütertrennung hat jedoch erhebliche steuerliche und erbrechtliche Nachteile, sodass in der Regel eine sogenannte modifizierte Zugewinngemeinschaft empfehlenswert ist. Die Inhalte der Modifikation sind einzelfallabhängig. Für Gründer von Startups kommen beispielhaft folgende Varianten in Betracht:

  • Gegenständlich beschränkte Modifikation: Hierbei werden gewisse Gegenstände aus dem Zugewinn ausgenommen. Dazu können beispielsweise das Startup, Anteile an anderen operativen Unternehmen oder Immobilien zählen. Dies gewährt einen Schutz des Startups und erspart aufwendige, streitanfällige Unternehmensbewertungen.
  • Anteile an Beteiligungen als Abgeltung des Zugewinnausgleichs: Modifiziert werden kann auch dahingehend, dass dem anderen Ehegatten im Scheidungsfall ein gewisser Anteil an den Beteiligungen, zum Beispiel als Unterbeteiligung oder stille Beteiligung, übertragen wird. Dies erspart Liquiditätsabflüsse und Bewertungen und sichert auch zukünftig die Stimmmacht.
  • Betragsmäßige Modifikation: Hier wird eine Mindest- oder Höchstgrenze des Zugewinnausgleichs vereinbart, deren Höhe sich auch an der Dauer der Ehe orientieren kann.
  • Minimalinvasive Modifikation: Bei dieser Variante werden lediglich die Bewertungen bestimmter Vermögenswerte, wie dem Startup, und die Fälligkeit des Zugewinnausgleichs in Raten geregelt. So können hohe Kosten und Streit um die Bewertung und den Zwang zum Exit zum falschen Zeitpunkt vermieden werden.
  • Ausgeschlossene Verfügungsbeschränkung: Schließlich kann die Verfügungsbeschränkung vertraglich ausgeschlossen werden. So kann jeder Ehegatte, auch ohne Zustimmung des anderen, über sein Vermögen frei verfügen.

Lösungen für internationale Ehen

Ehepaare haben einen stetig zunehmenden internationalen Bezug. Längere Auslandsaufenthalte, Doppelstaatsangehörigkeiten, Wohnsitze oder Vermögen im Ausland sind zunehmend häufig. Da die jeweiligen Güterrechte an der Staatsgrenze enden, braucht es international anwendbare Regelungen des Güterrechts.

Innerhalb der EU gilt seit dem 29. Januar 2019 die sogenannte Europäische Güterrechtsverordnung (EuGüVO). Nach dieser ist der gemeinsame Aufenthalt kurz nach der Eheschließung entscheidend. Dieser bestimmt das anwendbare Güterrecht. Um Klarheit über das anwendbare Recht zu schaffen, ist in Fällen mit Auslandsbezug eine güterrechtliche Rechtswahl empfehlenswert. Dabei sollte man auch auf die Vorgaben des Gesellschaftsvertrags des Startups im Rahmen einer Güterstandsklausel und eine Harmonisierung mit dem anwendbaren Erbrecht achten. So schließt man Wertungswidersprüche frühzeitig aus.

Der aktuelle Fall Bezos zeigt, wie wichtig es ist, sich als verheirateter Gründer frühzeitig mit der Regelung seiner güterrechtlichen Verhältnisse zu befassen. Im Interesse des Gründers, im Interesse des Startups, aber auch im Interesse des Ehepartners sollte der gesetzliche Güterstand ehevertraglich modifiziert werden um im Ernstfall existenzgefährdende Ausgleichsansprüche, Rechtsunsicherheiten und unnötigen Streit zu vermeiden. Schließlich ist die Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse des Gründers auch aus Investorensicht immanent wichtig. Je früher man dies angeht, desto besser, denn es verzichtet sich leichter auf einen geringen Wert als auf einen hohen.

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